Israels Finanzminister Bezalel Smotrich: In den Händen eines Siedlers
Israels Finanzminister hat künftig die Kontrolle über zivile Angelegenheiten in Teilen Palästinas. Auch über Baugenehmigungen wird er entscheiden.
Der radikale Siedler Smotrich, Chef der rechtsextremen Regierungspartei Religiöser Zionismus, hat eine klare Agenda: Er will die Siedlungen im Westjordanland ausbauen. Seit letzter Woche ist er seinem Ziel näher denn je. Am Donnerstag hat Smotrich neue Befugnisse in zivilen Angelegenheiten in weiten Teilen des Westjordanlands erhalten. Was bürokratisch klingt, könnte dramatische Folgen haben: In den Händen eines der radikalsten Siedler Israels liegt nun die Kontrolle über die Infrastruktur im Westjordanland – inklusive Baugenehmigungen sowohl für israelische Siedler*innen als auch für Palästinenser*innen.
Für eine Reihe israelischer Nichtregierungsorganisationen ist klar: Der Schritt bedeutet eine De-jure-Annexion des 1967 von Israel besetzten Westjordanlands. Das erklärten unter anderem die israelischen Organisationen Breaking the Silence, Yesh Din und Acri in einer gemeinsamen Presseerklärung am Donnerstag.
Heftige Kritik von zivilgesellschaftlichen Organisationen
Ihre Argumentation: Laut internationalem Besatzungsrecht hat die besetzende Armee das besetzte Gebiet zu verwalten, was mit Pflichten einhergeht. Sie ist neben Sicherheitserwägungen dazu angehalten, die Interessen der besetzten Bevölkerung zu vertreten. Mit der Übertragung der Zivilverwaltung in Smotrichs Hände würde aber dieser Zuständigkeitsbereich auf einen israelischen Minister und somit auf die zivile Bürokratie übertragen. Israelische Minister seien beauftragt, israelischen Interessen zu dienen, sie hätten keine Verpflichtung, die Rechte von Palästinenser*innen zu schützen. Die Folge: Smotrich sei zwar für das Westjordanland verantwortlich, aber allein dem Schutz der dortigen israelischen Bevölkerung verpflichtet.
„Der gesamte Prozess“, heißt es in der Stellungnahme, „beabsichtigt eine Zementierung jüdischer Kontrolle und Vormachtstellung über die Palästinenser*innen im Westjordanland.“
Ori Givati, Sprecher von Breaking the Silence, ist extrem besorgt: „Jede Art von Schutz für Palästinenser*innen, der unter der Besatzung bislang ohnehin schon begrenzt war, fällt mit diesem Schritt weg. Das bedeutet ein vollständiges Apartheidregime“, sagt er. Die heftigen Ausschreitungen gegen Palästinenser*innen in dem Dorf Huwara am Sonntag sind für ihn ein Beispiel für das, was mit diesem Schritt verstärkt kommen wird. „Wir sind jetzt nicht mehr in der Situation, dass israelische Regierungen die Siedlungsbewegung unterstützen. Es ist jetzt so, dass die israelische Regierung die Siedlerbewegung ist.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Kanzlerkandidat-Debatte
In der SPD ist die Hölle los
Abschluss G20-Gipfel in Brasilien
Der Westen hat nicht mehr so viel zu melden
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen