piwik no script img

Israelischer Agent in den USAEx-Spion Pollard freigelassen

Der Fall Jonathan Pollard trübte die amerikanisch-israelischen Beziehungen wie kaum eine andere Affäre. Nun kommt er nach 30 Jahren Haft frei.

Pollard hatte als Geheimdienstanalyst der US-Marine vertrauliche Informationen an Israel weitergegeben. Foto: ap

Washington ap | Nach fast 30 Jahren Gefängnis kommt der wegen Spionage verurteilte Ex-Marineoffizier Jonathan Pollard im November frei. Der Rest seiner lebenslangen Haftstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt, wie das US-Justizministerium am Mittwoch bestätigte. Damit ziehen die USA einen Schlussstrich unter eine Affäre, die das amerikanisch-israelische Verhältnis wie kaum etwas anderes belastet hatte. Die israelische Regierung begrüßte die Entscheidung. Einem von Pollards Anwälten geplanten Gesuch um eine Ausreiseerlaubnis für den 60-Jährigen erteilte das Weiße Haus jedoch eine Absage.

Pollard hatte als Geheimdienstanalyst der US-Marine sensible und vertrauliche Informationen an Israel weitergegeben, darunter über Radarstörtechnik und technologische Fähigkeiten von Ländern mit israelkritischer Haltung wie Saudi-Arabien. Im November 1985 versuchte er in die israelische Botschaft in Washington zu flüchten, um sich seiner Verhaftung zu entziehen. Seine Bitte um politisches Asyl wurde aber abgelehnt, Pollard festgenommen.

Der Fall spaltete Amerika: Seine Anhänger finden, dass er zu hart dafür bestraft wurde, für einen US-Verbündeten spioniert zu haben. Für Kritiker bleiben die Taten des damaligen US-Bürger hingegen ein Verrat am eigenen Land, durch den er Amerika Schaden zugefügt habe.

Pollard wurde von Israel als Agent anerkannt, zudem ist er inzwischen israelischer Staatsbürger. Über die Jahre hatten sich mehrere israelische Spitzenpolitiker und Aktivisten für ihn eingesetzt, aber nichts erreicht.

Kein Einfluss auf Atomabkommen

Noch im vergangenen Jahr erwog die US-Regierung, Israel die Freilassung Pollards als Gegenleistung für die Wiederaufnahme der Nahost-Friedensverhandlungen mit den Palästinensern zu offerieren. Daraus wurde nichts. Pollards Anwälte betonten, die nun angekündigte Freilassung habe „nichts mit jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten zu tun“.

Das könnte als Anspielung auf die derzeit wegen des Atom-Deals mit dem Iran getrübten amerikanisch-israelischen Beziehungen verstanden werden. US-Außenminister John Kerry, der im Kongress am Dienstag Rede und Antwort zu dem Atomabkommen stand, schloss das ausdrücklich aus. „In keiner Weise“ habe die Freilassung mit dem Abkommen zu tun, sagte Kerry. Auch aus israelischen Regierungskreisen war zuvor verlautet, dass eine Freilassung Pollards zwar begrüßt würde, dies aber keinen Einfluss auf die Haltung zum Atomabkommen mit dem Iran haben werde.

Das US-Justizministerium wies darauf hin, dass die zur Zeit von Pollards Prozess geltenden Bundesgesetze ihn ohnehin nach 30 Jahren Haft zu einer Strafaussetzung berechtigt hätten. Gegen eine bedingte Entlassung hatten die Anwälte des Ministeriums bei einer Anhörung vor der zuständigen US-Kommission in diesem Monat keine Einwände erhoben. Wäre das Gesuch abgelehnt worden, hätte Pollard nach Angaben seiner Anwälte mindestens weitere 15 Jahre im Gefängnis bleiben müssen.

Obwohl er nun nach US-Recht erst fünf Jahre nach seiner Freilassung eine Ausreiseerlaubnis bekommen könnte, wollen seine Anwälte nun erreichen, dass US-Präsident Barack Obama ihn sofort begnadigt und ihm die Rückkehr nach Israel gestattet. Doch das Weiße Haus wies dies zurück. Pollard habe „sehr schwere Verbrechen“ begangen und müsse daher seine Strafe nach dem Gesetz absitzen, sagte ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, Alistair Baskey. Der Präsident habe nicht die Absicht, die Bewährungsauflagen von Pollard zu ändern.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Vor 30 Jahren mussten noch Personen spionieren. Inzwischen hat auch auf diesem Gebiet die Technik den Menschen verdrängt. Das ist insofern positiv zu werten, als Softwareprogramme selten Ausreiseanträge stellen, die also auch nicht abgelehnt zu werden brauchen.

     

    Im Übrigen verstehe ich auch ohne Iran-Deal sehr gut, dass die US-Regierung Jonathan Pollard im November freilassen will. Sie geht ja schließlich mittlerweile ganz offiziell davon aus, dass Spionage unter guten Freunden kein Grund mehr ist, sich auch nur künstlich aufzuregen.

     

    Wobei - im Einzelfall bleibt künstliche Aufregung natürlich auch in Zukunft erlaubt. (Ausnahmen bestätigen Regeln schließlich erst so richtig.) Dann nämlich, wenn es kein Programm ist, das unautorisiert Informationen weitergibt, sondern ein Mensch namens Snowden, der zudem die Frechheit hat, ohne Erlaubnis das Land zu verlassen.

     

    Merke: Was ein Verrat ist und was nicht, ist eine Frage der Interpretation, des Kalküls und der Machtverhältnisse.