Israelische Spionagesoftware Pegasus: Eng verwoben mit dem Militär
Israels Ex-Premier Netanjahu soll den Pegasus-Trojaner vermarktet haben. In dem Land ist die Exportkontrolle für Spionagesoftware offenbar lax.
Klar ist allerdings auch: Die Exportdeals der NSO Group sind eng verwoben mit Israels Regierung und Militär. NSO und Dutzende ähnliche Unternehmen mit Sitz in der wohlhabenden Küstenstadt Herzlia fallen in das breite Spektrum der israelischen Hightech-Branche. In Israels Öffentlichkeit ist der Ruf des Landes als Spitzenreiter in der Entwicklung von Spionagesoftware, die dem Kampf gegen Terror dienen soll, Anlass zum Stolz. Ein Job im Bereich der Cybersicherheit signalisiert einen hellen Kopf, Geld und Prestige.
Häufig rekrutieren Hightech-Unternehmen Nachwuchs aus der angesehenen Geheimdiensteinheit 8200 der Armee, die berüchtigt ist für ihre Abhörtechniken in den palästinensischen Gebieten. Auch die drei NSO-Gründer sind 8200-Alumni. Dort lernten sie das Einmaleins im Gebrauch von Cyberwaffen.
Die Einheit erregte 2014 Aufsehen, als 43 Reservisten in einem Brief an den damaligen Regierungschef Benjamin Netanjahu erklärten, ihren Dienst im Westjordanland zu verweigern. Ihre Begründung war, dass die Praktiken von 8200 „die Rechte von Millionen Menschen verletzen“ würden. Informationen aus dem Privatleben von Palästinensern wie Homosexualität oder Ehebruch würden missbraucht, um Kollaborateure zu gewinnen.
Eigentlich sind die Regeln streng
Der nun bekannt gewordene Verkauf des Pegasus-Trojaners an autoritäre Regierungen weltweit wirft also unbequeme Fragen zur israelischen Mitverantwortung an dem Spionageskandal auf. Bereits 2016 hatten die Parlamentsabgeordnete Tamar Zandberg und der Menschenrechtsanwalt Itay Mack am Obersten Gerichtshof eine Klage eingereicht, um der NSO ihre Exportlizenz zu entziehen. Doch auf Druck der Regierung führte die Klage ins Leere. Gerichtspräsidentin Esther Hayut kommentierte die Angelegenheit mit den Worten: „Unsere Wirtschaft hängt zu sehr von diesem Exporthandel ab.“
Nach Regierungsangaben werden jährlich Cyberware-Produkte im Wert von knapp 7 Milliarden US-Dollar exportiert. Wie viel davon Cyberwaffen sind, ist aber unklar. Global betrachtet deuten Daten darauf hin, dass israelische Produkte zwischen zehn und zwanzig Prozent des internationalen Marktes für Cyberware ausmachen.
Exporte von Spionagesoftware müssen vom Verteidigungsministerium genehmigt werden. Laut einem Anwalt, der für verschiedene israelische Cyberfirmen tätig ist, sind die Regeln für Exporte von Cyberwaffen in Israel sogar strenger als etwa in den USA oder Großbritannien. Doch Menschenrechtsanwalt Mack zweifelt an der Transparenz und Glaubwürdigkeit der Kontrollen. „Diese Entscheidungen werden von hochrangigem Personal im Ministerium und im Zweifel von Netanjahu selbst getroffen“, gab er 2018 gegenüber der Zeitung Haaretz an. 2019 lockerte die Regierung zudem die Bestimmungen zum Verkauf von Cyberwaffen. „Wir müssen ein erhebliches Risiko eingehen, um weniger zu regulieren und weiter zu wachsen“, sagte Netanjahu damals.
Ungarn stellte sich gegen eine EU-Erklärung
Der Ex-Premier, der erst seit wenigen Wochen nicht mehr die Regierungsgeschäfte führt, soll indes den Verkauf von Pegasus an Autokraten als diplomatischen Joker eingesetzt und aktiv ermutigt haben. Dies berichtete am Dienstag die Zeitung Haaretz, die Teil der internationalen Recherchegruppe zu Pegasus ist. Sie sieht einen Zusammenhang zwischen Besuchen Netanjahus in Ländern wie Indien, Ruanda, Saudi-Arabien, Aserbaidschan und Ungarn und deren Nutzung von Pegasus. Von guten Beziehungen versprach sich Netanjahu offenbar geopolitische Vorteile als Israels Fürsprecher.
Netanjahus Rechnung ging vielerorts offenbar auf: Bei den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hamas im Mai war Ungarn der einzige Staat, der sich gegen eine Erklärung der EU-Staaten stellte, die ein Ende der Feindseligkeiten fordern sollte. Ungarns Veto verhinderte eine Veröffentlichung der Erklärung. Ungarn ist der einzige EU-Staat, der im Verdacht steht, Reporter mit Pegasus ausgespäht zu haben.
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