piwik no script img

Israel und die HamasHoffnung auf einen neuen Deal

Israel droht, in Rafah einzumarschieren. Die Hamas veröffentlicht Geiselvideos. Kommt es diese Woche zu einem Abkommen?

Die Geisel Keith Siegel auf einem Plakat in Tel Aviv, Israel. Angehörige machen der Regierung Druck Foto: reuters

Berlin taz | Gleich in zwei arabischen Hauptstädten soll an diesem Montag über den Gazakrieg und wohl auch über einen möglichen neuen Deal zwischen Israel und der Hamas beraten werden. In Riad, Saudi-Arabien, treffen sich die Außenminister mehrerer westlicher und arabischer Staaten, darunter US-Außenminister Antony Blinken, der bereits zum siebten Mal in die Region reist seit dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober. Erwartet wird auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock.

Parallel gehen indirekte Gespräche zwischen Israel und der Hamas in der ägyptischen Hauptstadt Kairo weiter. Eine Hamas-Delegation werde am Montag nach Kairo reisen, um über eine Feuerpause zu verhandeln, sagte ein Hamas-Vertreter am Sonntag der Nachrichtenagentur Reuters. Am Samstag hatte Israel einen Vorschlag über einen weiteren Deal vorgelegt, der unter anderem die Freilassung von israelischen Geiseln aus Gaza und eine Feuerpause vorsieht. Die letzte solche Übereinkunft ist mittlerweile fünf Monate her.

Israel setzt Medienberichten zufolge insbesondere die angekündigte Militäroffensive auf die Stadt Rafah im südlichen Gazastreifen als Verhandlungsmasse ein. Diese könnte im Rahmen eines Deals zumindest weiter verschoben werden. Die Hamas will derweil den Druck erhöhen, indem sie Propagandavideos von in Gaza festgehaltenen Geiseln veröffentlicht. Die Islamisten wollen offenbar die israelische Öffentlichkeit dazu bewegen, ihre Regierung dazu zu bringen, Zugeständnisse zu machen und einer Vereinbarung zuzustimmen.

In einem am Samstag veröffentlichten Video sind Keith Siegel (64) und Omri Miran (46) zu sehen. Beide sind Zivilisten, die während des Überfalls auf Israel am 7. Oktober 2023 entführt wurden. Siegel bricht in dem Video zwischenzeitlich in Tränen aus. Beide rufen die israelische Regierung auf, einem Deal zuzustimmen. Auch fordern sie die israelische Öffentlichkeit auf, auf die Straße zu gehen, um einen Deal zu fordern. Ob sie dazu gezwungen wurden, ist unbekannt.

Allerdings wollen auch viele Geisel-Angehörige einen neuen Deal. So sprach etwa Mirans Vater am Wochenende in Tel Aviv vor Tausenden Demonstrierenden, die eine Einigung forderten. „Ich hoffe, dass jetzt wirklich ein Deal zustande kommt“, sagte Dani Miran. Das Forum der Geisel-Familien, das im Namen vieler Angehörigen spricht, wertete das Video als Beweis, dass die beiden noch leben. Die Regierung müsse nun „alles tun, um ein Abkommen zur Rückkehr der Geiseln“ zu erreichen.

Kompromisse zeichnen sich ab

Die Hamas prüft aktuell noch den israelischen Vorschlag für eine neue Übereinkunft vom Samstag. Sie hat bislang gefordert, dass Israel den Krieg beendet, die Truppen abzieht und vertriebene Pa­läs­ti­nen­se­r*in­nen nach Nordgaza zurückkehren lässt. Israel lehnt dies ab und fordert die Freilassung aller Geiseln. Sie will an diesem Montag ihre Antwort auf den Vorschlag übermitteln.

Zuletzt hatten sich Kompromisse abgezeichnet. Verschiedenen Medienberichten zufolge steht zur Debatte, dass Israel zunächst von der Offensive auf Rafah absieht und auch vertriebene Menschen nach Nordgaza zurückkehren lässt. In einer anschließenden Verhandlungsphase soll ein Ende des Krieges – ohne Zerschlagung der Hamas – und die Freilassung aller Geiseln erörtert werden. Vorher müssten aber einige Dutzend Geiseln freigelassen werden. Die genaue Zahl sowie auch die Zahl palästinensischer Gefangener, die freigelassen werden würden, sind Gegenstand der Gespräche.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Nachtrag:

    "Der katarische Fernsehsender Al Jazeera zitierte Haniyyeh mit den Worten: »Ich danke Gott für diese Ehre, die er uns mit dem Märtyrertod meiner drei Söhne und einiger Enkelkinder erwiesen hat.«"

    Für mich ist das obige Zitat von Herrn Haniyyeh ein weiterer Beleg dafür, dass es sehr schwer sein wird, in Gaza Frieden zu schaffen. Die Menschen dort haben eine Alternative, die sich unserem Verständnis entzieht.

  • "In einer anschließenden Verhandlungsphase soll ein Ende des Krieges – ohne Zerschlagung der Hamas – und die Freilassung aller Geiseln erörtert werden."

    Wenn die Hamas nicht zerschlagen wird bzw. deren Mitglieder und Unterstützer nicht festgesetzt werden, sehe ich keinerlei Hoffnung für diese Region und ganz besonders für die Menschen in Gaza. Es wird so weitergehen wir vor dem Krieg; Frauen, Homosexuelle und politische Gegner werden gequält und getötet, Kinder werden zu Hass und Krieg erzogen, das nächste Pogrom gegen die jüdischen/israelischen Nachbarn wird folgen, der nächste Krieg. Auch der Iran wird sich dann noch stärker in Gaza verankern.

    Das wäre so traurig und bitter. So viele Menschen wären umsonst gestorben. (Grundsätzlich sind sie umsonst gestorben, aber wenn es zu einer friedlicheren Zukunft in Gaza geführt hätte, wäre es nicht gänzlich umsonst gewesen, sondern hätte zu etwas Gutem führen können.)

    Ich hoffe sehr, dass die verbliebenen vier (?) Bataillone der Gaza-Hamas-palästinensischen Seite festgesetzt und ihr weiteres Wirken in Gaza verhindert werden, damit die Menschen in Gaza eine bessere Zukunft haben können. Dass die Bürger in Gaza selbst die Entscheidung treffen können, ob sie den bisherigen Weg weitergehen wollen oder sich für ihre Kinder und Enkel ein anderes Leben wünschen.

    Damit lässt sich soviel gestalten:



    "Fast 30 Milliarden Kubikmeter Gas sollen vor der Küste des Gazastreifens lagern. Israel will es mit Ägypten und der palästinensischen Autonomiebehörde erschließen." (Quelle: DIE ZEIT)

    Nach dem Krieg gibt es für die Bürger in Gaza die (dritte? nach 1948 und 2005) historische Chance auf einen Neuanfang. Ich hoffe, sie wird genutzt.

    (Die israelische Regierung wird auch bald eine andere sein, aber ich gehe davon aus, dass jede israelische Regierung auf zukünftige Pogrome so reagieren wird, wie die gegenwärtige Regierung auf das Pogrom am 07.10.23.)