"Islamisierung" an iranischen Universitäten: Zulassung nur nach Gesinnungstest
Pünktlich zu Semesterbeginn setzt sich Revolutionsführer Chamenei für eine weitere "Islamisierung" der Hochschulen ein. Unter Ahmadinedschad hat sich der Druck bereits verschärft.
Bis zuletzt war es nicht sicher, ob Irans Universitäten am Mittwoch ihre Tore für die rund dreieinhalb Millionen Studierenden öffnen würden. Denn auch die Verantwortlichen wissen sehr wohl, dass die Studenten in ihrer Mehrheit der Opposition angehören und viele von ihnen an der Protestbewegung der letzten Monate aktiv beteiligt waren.
Schon wenige Tage nach Beginn der Massenproteste gegen den Betrug bei der Präsidentenwahl vom 12. Juni organisierten die Ordnungskräfte und Basij-Milizen einen Überfall auf das Studentenheim der Universität Teheran, bei dem zahlreiche Studenten verletzt und festgenommen wurden. Nun wird befürchtet, dass mit dem neuen Semester neue Unruhen an den Universitäten ausbrechen könnten.
Der neue Wissenschaftsminister, Kamran Danedschu, versuchte bei seiner Nominierung im Parlament die Gemüter zu beruhigen. "Die Atmosphäre an den Universitäten" sei "ausgesprochen günstig", sagte er. "Unsere Studenten und Wissenschaftler sind klug genug und werden dafür sogen, dass nicht Ungewöhnliches passiert."
Dabei könnte der neue Minister selbst einen Anlass zu Protesten liefern, denn gerade er war der oberste Wahlleiter bei der Präsidentenwahl und in dieser Funktion für die eklatante Fälschung mitverantwortlich. Daher ist es schwer vorstellbar, dass er als Wissenschaftsminister die erforderliche Akzeptanz an den Universitäten erhalten wird.
Aber die Probleme des islamischen Staats mit den Universitäten gehen weit über die Wahlen und den jüngsten Unruhen hinaus. Diese machten sich bald nach der Gründung der Islamischen Republik bemerkbar. Dem Revolutionsführer Ayatollah Chomeini war von Anbeginn bewusst, dass Universitäten, an denen zwangsläufig moderne Wissenschaften gelehrt werden, mit der gesellschaftlichen Auffassung konservativer Geistlicher nicht in Einklang zu bringen sind. Er berief daher einen Rat der Kulturrevolution, der die Universitäten und Hochschulen "vollständig islamisieren" sollte. Zwei Jahre lang blieben sämtliche Universitäten des Landes geschlossen. Aber die Versuche scheiterten, weil modernes, aufklärerisches Denken nicht aus der Lehre und Forschung verbannt werden konnten.
Seit der Amtsübernahme Präsident Mahmud Ahmadinedschad wurde die Idee wieder aufgenommen. Hunderte fortschrittliche Professoren wurden entlassen, die Zulassung der Studenten wurde von einer ideologischen Überprüfung abhängig gemacht. Zudem wurden die Universitäten der Kontrolle der Ordnungskräfte unterstellt. Die Akte politisch engagierter Studenten wird mit ein oder zwei Sterne versehen, mit der Folge, dass sie im nachfolgenden Semester nicht mehr immatrikuliert oder mit Jahre langem Studienverbot bestraft werden. Diese Studenten werden als "Stern-Studenten" bezeichnet. Viele von ihnen sitzen zurzeit im Gefängnis.
Eine noch gravierendere Maßnahme bestand in der Aufnahme von Basij-Milizen an den Universitäten, für die eine Quote von 40 Prozent vorgesehen wurde. Den Basidjis fehlten die Voraussetzungen für ein Hochschulstudium, was zufolge hatte, dass seitdem das Niveau des Lehrbetriebs erheblich gesunken ist. Eine weitere Folge ist die zunehmende Militarisierung der Universitäten. Doch die aktive Teilnahme der Studenten an den jüngsten Protesten machte deutlich, dass die islamischen Strategen noch von ihrem Ziel weit entfernt sind, was dem Revolutionsführer Ali Chamenei nach eigenen Angaben "große Sorgen" bereitet.
"Fast zwei der dreieinhalb Millionen unserer Studenten studieren im Bereich der Humanwissenschaften", sagte Chamenei kürzlich. "Das ist besorgniserregend, denn unsere islamisch orientierten Lehrkräfte sind längst nicht so zahlreich, um den Bedarf für diese Fächer zu decken." Er rief die Regierung Ahmadinedschad und den Obersten Rat der Kulturrevolution dazu auf, diesem Problem mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Die Art, wie Humanwissenschaften heute an den Universitäten gelehrt werden, bezeichnete Chamenei als "gefährlich und verführend", denn die meisten Theorien basierten auf Materialismus und Atheismus, sie seien die Ursache für Zweifel der Jugend am Glauben.
Das sei genau der Boden, auf dem "die Saat für eine sanfte Revolution Früchte" trage. Die Universitäten, vor allem die Professoren, müssten wie Soldaten und Feldherren an dem gemeinsamen Krieg gegen die "sanfte Revolution" teilnehmen. "Wir müssen unter allen Umständen die Pläne unserer Feinde, die nach der Öffnung der Universitäten Unruhen stiften wollen, vereiteln", sagte Chamenei. Die Islamische Republik sei keineswegs gegen das freie Denken und die freie Meinungsäußerung, doch unsere Auffassung von diesen Freiheiten ist grundsätzlich eine andere als die des Westens“, betonte Chamenei. "Wir haben auch keine Probleme, dies dem Westen gegenüber offen zu äußern."
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