Irischer EU-Handelskommissar Phil Hogan: Rücktritt nach Dinnerparty
Hogan hatte trotz Coronamaßnahmen gefeiert und Golfanlagen besucht. Ob sein Nachfolger Handelskommissar bleiben darf, ist unklar.
Hogan sah zunächst keinen Grund für einen Rücktritt. Doch es ging nicht nur um das Essen – Stück für Stück kam heraus, dass sich Hogan seit seiner Ankunft aus Brüssel am 31. Juli um keine der irischen Corona-Auflagen geschert hatte.
Er ist kreuz und quer im Land herumgereist, besuchte Restaurants und Golfanlagen. Hogans Sprecher musste täglich neue Einzelheiten nachliefern. Der Gipfel war ein Fernsehinterview, in dem Hogan die Coronaregeln der Regierung zu seinen Gunsten interpretieren wollte.
Sein Parteichef, der stellvertretende Premierminister Leo Varadkar, der bis vor Kurzem selbst noch Premierminister war, nahm ihn halbherzig in Schutz: Hogan sei ja schon eine Weile in Brüssel und deshalb mit den irischen Gepflogenheiten nicht mehr vertraut. Aber auch Varadkar musste einräumen, dass Hogans Verhalten das Vertrauen der Bevölkerung in die Maßnahmen der Regierung zur Eindämmung des Coronavirus untergraben habe.
Frust bei irischen Wählern
Ohnehin hat sich bei vielen Wählerinnen und Wählern schon lange die Meinung durchgesetzt, dass Politikerinnen und Politiker zuerst an sich selbst denken. Dafür hat es in der Vergangenheit immer wieder Belege gegeben: Ein ehemaliger Premierminister, der Maßhalten predigte und sich selbst die Taschen mit Bestechungsgeldern füllte, Bezirksverordnete, die für die Umwandlung von Äckern in Bauland kräftig von der Bauindustrie geschmiert wurden, oder Diäten, die sich die Abgeordneten ständig selbst erhöhen.
Hogan gehört der rechtskonservativen Fine Gael an, und die Partei besteht darauf, dass auch sein Nachfolger aus ihren Reihen kommt. Der Kuchen sei nämlich so verteilt: Wenn in vier Jahren ein neuer EU-Kommissar ernannt wird, dürfe der konservative Koalitionspartner Fianna Fáil ihn bestimmen.
Übergangsweise übernimmt Kommissionsvize Valdis Dombrovskis das Amt. Als aussichtsreichster Kandidat für Hogans dauerhafte Nachfolge wird Außenminister Simon Coveney gehandelt. Der 48-Jährige war früher Europa-Abgeordneter. Im Rennen ist auch Mairead McGuinness, die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments. Ob Irland aber den gerade bei den Brexit-Verhandlungen so wichtigen Posten des EU-Handelskommissars behält, ist ungewiss. Jedenfalls will man die Nachfolge möglichst schnell klären, um einen Schlussstrich unter die leidige Affäre ziehen zu können.
Doch möglicherweise rollt vorher noch ein weiterer Kopf. Séamus Woulfe, der gerade an das höchste irische Gericht berufen wurde, war ebenfalls beim parlamentarischen Golf-Dinner in Clifden. Nach Hogans Rücktritt ist auch sein Job in höchster Gefahr.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten
Social-Media-Star im Bundestagswahlkampf
Wie ein Phoenix aus der roten Asche
Mitarbeiter des Monats
Wenn’s gut werden muss
Gerhart Baum ist tot
Die FDP verliert ihr sozialliberales Gewissen
Krieg und Rüstung
Klingelnde Kassen
Trump und die Ukraine
Europa hat die Ukraine verraten