Irans Repressionsapparat: Geflecht der hasserfüllten Männer
Was machen die Sittenpolizei und die Revolutionsgarden? Wer sind das Quds-Korps und die Basidsch-Miliz? Ein Überblick über Irans Unterdrückungsinstrumente.
In Iran reißen die Proteste nicht ab. Um der Bewegung den Rücken zu stärken, will die EU die Revolutionsgarden auf ihre Terrorliste setzen. Was ist das für eine Truppe?
Der heutige Iran wäre nicht Iran ohne die Revolutionsgarden. Mit einer Truppenstärke von 200.000 sind sie eine der mächtigsten paramilitärischen Organisationen der Welt. Gegründet 1979, im Jahr der „Islamischen Revolution“, existieren die Garden parallel zur Armee und unterstehen nicht der Regierung, sondern dem Revolutionsführer Ali Chamenei. Sie sollen die vermeintliche Revolution, also das ideologisch-repressive System, vor inneren und äußeren Feinden schützen. Die Parallelstruktur von Armee und Garden entspricht dem politischen Hybridsystem, das republikanische und theokratische Elemente verbindet.
Die Revolutionsgarden kontrollieren einen großen Teil der iranischen Wirtschaft und sind die ausführende Kraft der aggressiven Außenpolitik des Regimes, das in Staaten wie Libanon, Afghanistan oder dem Irak einflussreiche Verbündete aufbaut und so seinen Hegemonieanspruch durchsetzt. Die Grenzen zwischen Partei, Miliz und Terrorgruppe sind bei proiranischen Verbündeten oft fließend – etwa bei der Hisbollah im Libanon oder den Huthis im Jemen.
Gegen die Protestestierenden geht vor allem die Basidsch-Miliz vor. Wer ist das?
Die Basidschis sind die repressive Kraft der Revolutionsgarden im Inland. Die Einheit hat 100.000 aktive Mitglieder und soll laut Regime in der Lage sein, Millionen Freiwillige zu mobilisieren. Männer und Frauen werden in Moscheen und Schulen angeworben. Dass die Basidschis gegen Proteste vorgehen, ist nicht neu: Schon nach der Wahl 2009 waren sie es, die die „Grüne Bewegung“ niederschlugen.
Welche Rolle spielt die Sittenpolizei? Gibt es sie überhaupt noch?
Die Sittenpolizei ist Teil der regulären Polizei und untersteht dem Innenminister. Mittlerweile soll sie von den Straßen weitgehend verschwunden sein. Sie patrouillierte in der Öffentlichkeit, um vermeintlich sittsames Verhalten vor allem der Frauen durchzusetzen. Geldstrafen, Festnahmen und Misshandlungen zählen zu ihren Instrumenten. Der Tod Mahsa Aminis, die von der Sittenpolizei mutmaßlich misshandelt wurde, hat den aktuellen Aufstand ausgelöst.
Ob die Sittenpolizei wirklich abgeschafft wird, wie der Generalstaatsanwalt kürzlich behauptete, bleibt abzuwarten. So oder so würde der Schritt nicht viel ändern. Der Kopftuchzwang würde weiter bestehen, die Systemfrage, um die es bei den Protesten geht, hängt nicht von der Zukunft der Sittenpolizei ab. Regimegegner*innen werten die Diskussion über das Ende jener Einheit als Regimepropaganda, die Reformbereitschaft vortäuscht.
Außerdem gibt es mit der staatlich finanzierten „Zentrale für Förderung der Tugend und Verhütung des Lasters“ eine weitere Instanz, die sich um sogenannte Moral kümmert. Sie setzt Berichten zufolge vor allem auf Druck und Denunziation durch regimetreue Mitbürger*innen. Auch gab es Diskussionen, die Basidschis, also die Revolutionsgarden, noch stärker auch als Sittsamkeitswächter einzusetzen.
Kurz nach Neujahr 2020 töteten die USA einen iranischen Kommandeur. Hat das die Revolutionsgarden geschwächt?
Qassem Soleimani war Chef der Eliteeinheit der Garden. Dieses Quds-Korps ist, grob gesagt, für alles verantwortlich, was die Garden jenseits der iranischen Grenzen machen. Und das ist viel: spionieren, Milizen aufbauen und trainieren, Verbündete mit Geld und Waffen ausstatten und ideologisch bei der Stange halten. In Syrien half das Quds-Korps auch dem Assad-Regime. Die Tötung Soleimanis soll einschneidend gewesen sein für die Garden, da er gut Arabisch sprach und jahrzehntelange Kontakte in der ganzen Region hatte. Von dem Verlust sollen sie sich aber erholt haben.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Der Name „Quds-Korps“ weist auf die ideologische Stoßrichtung der Garden hin: Quds ist der persische und arabische Begriff für Jerusalem. In der Gedankenwelt der Garden muss Israel vernichtet und Jerusalem zurückerobert werden. Iran werde von Israel und den USA bedroht, was als Rechtfertigung für terroristische Aktivitäten dient. Die Garden sind ihrem Verständnis nach das Herz einer „Achse des Widerstands“, die von Teheran über den Irak, Syrien und den Libanon bis nach Jemen reicht.
Bemerkenswert sind Äußerungen von Irans Außenminister zum Quds-Korps, die letztes Jahr geleakt wurden. In einer Audioaufnahme beklagte Dschawad Sarif, dass er „null“ Einfluss auf wichtige außenpolitische Entscheidungen habe. „Ich war noch nie in der Lage, einem militärischen Befehlshaber zu sagen, dass er etwas tun soll, um die Diplomatie zu unterstützen.“
Und was spricht dagegen, die Revolutionsgarden auf die EU-Terrorliste zu setzen?
Der Schritt muss gut begründet werden, auch weil es sich de facto um das Militär eines souveränen Staats handelt und Iran dagegen klagen kann. Außenministerin Annalena Baerbock hat sich grundsätzlich dafür ausgesprochen; andere EU-Staaten bremsen aber offenbar. Doch auch die Bundesregierung hat als Voraussetzung angeführt, dass es in einem der EU-Staaten bereits Ermittlungen oder eine Strafverfolgung in Zusammenhang mit Terroraktivitäten der Garden geben müsse, was hier nicht der Fall sei. Über diese Auffassung herrscht allerdings kein Konsens.
Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen wies außerdem auf eine Enttarnung iranischer Spitzel in Deutschland hin, was die USA 2019 anführten, als sie die Garden auf ihre Terrorliste setzten. Auch in etlichen anderen Fällen gibt es Verbindungen zu den Garden. Jüngst ist ein weiterer hinzugekommen: Hinter den Anschlägen auf Synagogen in Nordrhein-Westfalen im November vermuten Ermittler die Revolutionsgarden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht