■ Irans Außenminister Welajati droht der Bundesregierung: Der kritische Dialog wird kritisch
Der „kritische Dialog“ tritt in eine kritische Phase, er droht seinen Betreibern außer Kontrolle zu geraten. Das ist schlecht für die deutsch-iranischen Beziehungen, aber zugleich womöglich dienlich, die dunklen Seiten dieser Beziehungen zu erhellen. Irans Außenminister Welajati droht mit einem Prozeß wegen der Beteiligung der deutschen Regierung an der Entwicklung chemischer Kampfstoffe im Irak. Soll er doch anklagen lassen, die Wahrheitsfindung würde auch hierzulande auf Interesse stoßen. Mit Neugierde würde man den endlosen Auseinandersetzungen entgegensehen, die Welajati für den Fall verkündet, daß beide Länder sich jetzt nicht klug verhielten.
Nun hapert es der deutschen Seite an dieser iranischen Art der Klugheit. Das liegt weniger an der Bundesregierung als vielmehr am Berliner Kammergericht, das mit seinem unbestechlichen Drang zur Wahrheitsfindung diese erst in die Bredouille brachte. Es sammelte, Mosaikstein für Mosaikstein, die Belege für den iranischen Staatsterrorismus. Belege, aus denen die Bundesregierung, ohne ein Urteil in Berlin abzuwarten, schon längst hätte Konsequenzen ziehen können – hätte sie nur gewollt. Sie wollte nicht. Damit riskiert sie nicht nur unliebsame Enthüllungen der iranischen, sondern eine nachhaltige Verstimmung der amerikanischen Seite. Sie will womöglich weiterhin nicht und wird dafür ihren Einfluß auf das „Mykonos“-Verfahren dort geltend machen, wo es ihr möglich ist: nicht bei der Urteilsformulierung, sondern wenn es darum geht, den dann verurteilten iranischen Agenten vorzeitig aus der Haft zu entlassen und in sein Heimatland abzuschieben. Womit sich zwar nicht die Rechtsprechung, wohl aber die Strafrechtspflege beider Länder in jener Weise angleichen würde, die Welajati anscheinend schon jetzt erwartet.
Nun kann sich der iranische Außenminister in dieser Erwartung auf entsprechende Erfahrungen mit anderen europäischen Ländern stützen. Die zeigten sich im Umgang mit inhaftierten iranischen Agenten äußerst kooperationswillig. Mittlerweile steht jedoch die iranische Regierung unter Mordverdacht. Deshalb wird eine Fortsetzung des Dialogs in jeder Hinsicht, nur nicht in der von ihr propagierten, für die Bundesregierung kritisch. Dieter Rulff
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