Iranischer Präsident gratuliert Juden: „Ein gesegnetes Rosch Haschana“
Neue Töne aus Teheran: Ahmadinedschad wollte Israel von der Landkarte „ausradieren“. Sein Nachfolger Präsident Ruhani gratuliert allen Juden zum Neujahrsfest.
TEL AVIV/ TEHERAN dpa | Der iranische Präsident Hassan Ruhani hat in einer ungewöhnlichen Botschaft allen Juden zum Neujahrsfest seine besten Wünsche ausgesprochen. „Während die Sonne hier in Teheran untergeht, wünsche ich allen Juden, besonders den iranischen Juden, ein gesegnetes Rosch Haschana“, stand am Mittwoch in Ruhanis englischsprachigem Twitter-Account. Der Iran und Israel stehen sich ansonsten nicht nur im Streit um Teherans Atomprogramm bislang unversöhnlich gegenüber.
Dass Ruhani ausdrücklich „alle Juden“ erwähnte, stellt einen deutlichen Wandel im Vergleich zu seinem Vorgänger Mahmud Ahmadinedschad dar. Der hatte Israel als „Krebsgeschwür“ bezeichnet und gefordert, der jüdische Staat müsse von der Landkarte „ausradiert“ werden.
Das jüdische Neujahrsfest Rosch Haschana (Kopf des Jahres) wird an den ersten zwei Tagen des Monats Tischri im jüdischen Kalender gefeiert, 2013 am 5. und 6. September. Für Juden beginnen damit das Jahr 5774. Rosch Haschana erinnert an den Bund zwischen Gott und Israel.
Gleichzeitig hat Ruhani bei seiner Antrittsrede den einflussreichen Expertenrat der Kleriker in die Schranken gewiesen. Sein deutlicher Sieg bei der Präsidentenwahl sei eine klare Botschaft des Volkes, sagte Ruhani am Mittwoch bei einem ersten Treffen mit dem Verfassungsorgan, dessen Mehrheit zu Ruhanis Kritikern zählt.
Gegen Extremismus und Instrumentalisierung
„Die absolute Mehrheit der Menschen hat mich gewählt, weil ich mich entschieden gegen Extremismus, Gewalt, Instrumentalisierung der Religion und Slogans, deren Kosten dann das Volk bezahlen musste, ausgesprochen habe“, sagte Ruhani. Er bezog sich auf die Politik Ahmadinedschads, der vom Expertenrat lange Zeit unterstützt worden war.
Man solle den Menschen die Wahrheit sagen, so Ruhani. Es sei nicht gut, die internationalen Sanktionen im Zusammenhang mit dem Atomstreit zu verharmlosen. Das Haupteinkommen des Landes sei nun mal der Ölexport. Aber wegen der Sanktionen werde pro Tag eine Million Barrel (je 159 Liter) weniger verkauft. Dies belaste sowohl die Wirtschaft als auch das Leben der Menschen, sagte Ruhani.
Der neue Präsident reagierte auch auf die Kritik des Klerus an seiner liberalen Einstellung zu Meinungs- und Pressefreiheit. „Die Menschen haben nun mal Fragen und Zweifel, und man sollte ihnen die Möglichkeit geben, sie auch frei äußern zu dürfen“, sagte Ruhani. Den konservativen Klerikern riet er, nicht länger „engstirnig“ mit der Gesellschaft umzugehen, da die ganze Welt jetzt über Internet oder Satellitenfernsehen miteinander verbunden sei.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Social-Media-Verbot für Jugendliche
Generation Gammelhirn
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern