Iranische Fußballerin unter Druck: Torjubel mit Folgen
Fußballerin Zahra Ghanbari gerät ins Visier der Tugendwächter im Iran. Ihr war der Hidschab während eines Spiels vom Kopf gerutscht.
Zahra Ghanbari spielt wieder Fußball. Beim 7:0-Erfolg des FC Khatoon Bam gegen Taran Alborz in der höchsten iranischen Frauenliga erzielte die Stürmerin vier Tore. So kennt man die Torschützenkönigin der vergangenen Saison, die auch Kapitänin der Nationalmannschaft des Iran ist. Wenn sie spielt, trifft sie fast immer.
Und doch sorgte ihr Auftritt am Wochenende für Aufsehen. Dass sie überhaupt auf dem Platz stand, war die Nachricht des Spieltags. In der Woche zuvor fehlte sie ihrem Team, das auch wegen ihrer Tore Serienmeister im Iran ist. Offiziell hieß es, sie sei verletzt. In Wahrheit hatte man sie aus dem Verkehr gezogen, weil sie in den Augen der Tugendwächter der Islamischen Republik auf dem Platz gegen die strikten Kleidervorschriften verstoßen hatte, die für sporttreibende Frauen im Iran gelten.
Zwei Wochen zuvor hatte Ghanbari im letzten Spiel der Gruppenphase der asiatischen Champions League in der Nachspielzeit der Partie gegen BGC Bundit Asia aus Thailand den entscheidenden Treffer erzielt, der die Qualifikation für das Viertelfinale bedeutete. Beim Torjubel rutschte ihr der Hidschab in den Nacken. Unverschleiert feierte sie ihren Treffer.
Das Bild der jubelnden Fußballerin machte in den sozialen Medien schnell die Runde. Als Ghanbari am darauf folgenden Spieltag in der heimischen Liga nicht auf der Kaderliste stand, kamen erste Gerüchte auf, sie habe ihren Platz bei Bam Khatoon ebenso verloren wie den in der Nationalmannschaft. Auch etliche Medien im Iran berichteten vom Ausschluss der Stürmerin aus der Liga. Feministische Aktivistinnen begannen daraufhin die Geschichte von der Bestrafung Ghanbaris zu verbreiten.
Dank in sarkastischem Ton
Derweil entschuldigte sich der Klub in einem Statement für das Verhalten von Ghanbari „beim iranischen Volk“. Es habe sich doch nur um ein Versehen gehandelt. In der unbändigen Freude über den Sieg sei es zu dem Vorfall gekommen. Ghanbari selbst stellte in einem Interview klar, dass sie in den 18 Jahren, die sie nun Fußballs spielt, „das Nationaltrikot, die Frauenauswahl und die Flagge meines Landes“ immer respektiert“ habe. Sie sagte: „Ich habe nie gegen Regeln verstoßen und hege eine besondere Liebe für mein Land und mein Volk.“ Den Wächtern über die Frauen im Sport scheinen zufrieden gewesen zu sein mit den Erklärungen der 33-Jährigen.
Dass die ganz genau weiß, welches miese Spiel da mit ihr getrieben wurde, das machte Ghanbari in einer Story auf ihrem Instagram-Account öffentlich. „Ich bedanke mich beim Ministerium für Jugend und Sport dafür, dass man sich um meine Verletzung gekümmert hat. Gott sei Dank bin ich wieder gesund und in der Lage, meiner Mannschaft beim nächsten Spiel helfen“, schrieb sie in sarkastischem Ton und setzte, wie die BBC berichtet hat, auf diese Art einen unmissverständlichen Schlusspunkt unter ihren Fall.
Zu einer öffentlichen Erklärung war auch die iranische Sportkletterin Elnaz Rekabi gezwungen worden, nachdem sie bei den Asienmeisterschaften in Seoul 2022 ohne Hidschab in die künstliche Wand gestiegen war. Während Berichte kursierten, sie stünde unter Hausarrest und ihre Familie sei enteignet worden, hatte sie öffentlich erklären müssen, ihr gehe es gut und sie befinde sich in Sicherheit. Sie bedankte sich aber auch bei ihren Unterstützerinnen, die sie nach ihrer Rückkehr von den Asienmeisterschaften am Flughafen Teheran begrüßt und gefeiert hatten.
Auch Rekabi ist mittlerweile wieder in den Wettkampfbetrieb zurückgekehrt. Im Juni 2023 kletterte sie bei einer Weltcup-Veranstaltung in Bozen kurz darauf bei den Weltmeisterschaften in Bern – mit Hidschab.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Lateinamerika und Syrien
Assads Freunde
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse