Iran auf dem G7-Gipfel: Macrons wilder Optimismus
Zwar war Irans Außenminister unerwartet in Biarritz. Doch alle Ideen für ein neues Abkommen mit Teheran bleiben unrealistisch.
F ührwahr, eine Überraschung: Irans Außenminister taucht unerwartet beim G7-Gipfel im französischen Biarritz auf. Offenbar hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei einem Gespräch am Vortag mit seinem amerikanischen Kollegen Donald Trump die gute Laune des US-Präsidenten für bare Münze genommen und ihn vor vollendete Tatsachen gestellt. Selbstverständlich nahm Sarif nicht an dem Gipfel teil, aber er traf am Rande des Treffens seinen französischen Kollegen Yves Le Drian, um mit ihm einen Vorschlag Macrons zu erörtern. Details sind nicht bekannt.
Angaben der Diplomaten zufolge soll eine Deeskalation des Konflikts zwischen den USA und Iran zunächst dadurch erreicht werden, dass die USA Iran für einen begrenzten Zeitraum eine partielle Wiederaufnahme seiner Ölexporte erlauben. Im Gegenzug solle Iran versichern, seine Urananreicherung nicht wieder aufzunehmen. Zunächst hieß es, die Gipfelteilnehmer seien sich einig gewesen, dass dieser Vorschlag unter französischer Vermittlung Teheran vorgelegt werde. Doch Trump dementierte. Er habe einer gemeinsamen Botschaft an Iran nicht zugestimmt, sagte er.
Gegenüber dem Optimismus, den Frankreichs Präsident demonstriert, ist Skepsis angebracht. Selbst wenn Trump, einer guten Laune folgend, dem Vorschlag zugestimmt hätte, wäre es kaum vorstellbar, dass die Architekten der Iran-Strategie in Washington, allen voran Außenminister Mike Pompeo und Sicherheitsberater John Bolton, die als erklärte Feinde der Islamischen Republik gelten, Iran eine Atempause gönnen würden. Welchen Sinn sollte zudem eine Strategie haben, einem Gegner, den man in die Knie zwingen will, für eine Weile unter die Arme zu greifen?
Was Washington von Teheran verlangt, ist ein neues, umfassendes Atomabkommen, das Iran die Urananreicherung ganz untersagt. Zudem soll Iran sein Raketenprogramm einstellen und einen grundsätzlichen Kurswechsel in seiner Nahostpolitik vornehmen. Das heißt: Rückzug aus Syrien, dem Irak und Afghanistan, keine Unterstützung für die libanesische Hisbollah, die palästinensische Hamas und die Huthis in Jemen.
Mit einem Wort, Iran solle seine in vier Jahrzehnten, nicht zuletzt dank der verheerenden Nahostpolitik der USA errungene Position ebenso wie sein Verteidigungspotenzial aufgeben. Die Machthaber in Teheran würden lieber die ganze Region in Brand stecken, als zu kapitulieren und diese Forderungen zu akzeptieren.
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