Investorenmacht im Fußball: Porsche kriegt die Kurve
Der Autohersteller steigt beim VfB Stuttgart ein und installiert gleich seinen Aufsichtsrat. Die Fans sind düpiert.
P orsche hat bestellt. Und wurde wie gewünscht beliefert. Mit der Abwahl von Claus Vogt als Aufsichtsratsvorsitzender der Profiabteilung des Fußballbundesligisten VfB Stuttgart. Erstaunlich unverblümt hatte der Autobauer nach seinem Einstieg beim Tabellendritten „einen Neuanfang im Aufsichtsrat“ verlangt. Und den gibt es nun in Gestalt der Geschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Tanja Gönner. Das Imperium hat zurückgeschlagen in Stuttgart.
Doch so merkwürdig die Eile ist, mit der die Investoren beim VfB einen Mann loswerden wollten, der als Vereinspräsident vor zwei Jahren trotz Gegenkandidaten mit 92 Prozent wiedergewählt wurde – umso erstaunlicher ist, wie grundsätzlich die neue Mehrheit im Machtzentrum den Mitgliedern misstraut. Das vom damaligen Präsidenten Wolfgang Dietrich 2017 getätigte Versprechen, dass der Vorsitzende des Vereins auch künftig dem AG-Kontrollgremium vorstehen werde, missachtet sie.
Dabei hatten viele Mitglieder erst unter dieser Prämisse der Ausgliederung überhaupt erst zugestimmt. Schließlich wurden mit der Zusicherung die Bedenken zerstreut, die sich jetzt, sechs Jahre später, als begründet erwiesen haben: Dass die Kapitalseite durchregieren und auf Mitgliederbeteiligung pfeifen würde, sobald sie dazu in die Lage versetzt wird.
Gönner, ehemalige CDU-Ministerin zu Zeiten, als die Union das Ländle noch in Erbpacht regierte und konsequent nach Parteiloyalität Posten vergab, ist auch habituell ein denkbar harter Cut zum eher städtisch-grünen Vogt, der sich allerdings vorwerfen lassen muss, dass er unterschätzt hat, mit welcher Macht die durch seine Wahl 2019 erstmals ernsthaft geschwächten Eliten zurückschlagen würden.
Das Kapital ist mächtiger als die Fans
„Kapital oder Kurve?“, heißt ein Buch des Kicker-Redakteurs Benny Hofmann, das das Innenleben des VfB profund analysiert. Hofmanns im Titel aufgeworfene Frage dürfte nun beantwortet sein.
Andere bleiben offen. Erstens die Frage, wie dringend der VfB auf frisches Geld angewiesen sein muss, wenn er sich auf einen Sponsor einlässt, der schon nach der Macht greift, wenn er erst die Hälfte der verabredeten Summe überwiesen hat. Und zweitens, was die DFL dazu sagt, dass in Stuttgart ein Investor auf derart offensichtliche Art und Weise das Machtzentrum übernommen hat.
Irgendwie hat man das blöde Gefühl, dass sich gerade etwas wiederholt, das der Bundesliga schon RB Leipzig beschert hat. Weil die DFL auch diesmal erst dann wieder mit viel Pathos die 50+1-Regel anmahnen wird, wenn sie schon längst ausgehebelt wurde.
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