Investor setzt Kids auf die Straße: Straßenkinderprojekt obdachlos
Die soziale Einrichtung Kids arbeitet seit 23 Jahren im Bieberhaus am Hauptbahnhof. Nun kündigte der Vermieter. Alternativen gibt es bisher nicht
„Das ist eine ganz normale Vorgehensweise“, sagte der Alstria-Sprecher Ralf Dibbern. Er warf Kids vor, sich nicht kooperativ gezeigt zu haben. „Die stellen sich auf die Hinterbeine und sagen: ‚Wir gehen nicht raus‘“, so der Unternehmenssprecher. Man habe sich bemüht, alternative Räume zu finden, aber der Verein habe diese nicht gewollt.
Tatsächlich ist es so, dass Kids mit dem Rücken zur Wand steht – denn eine passende Ausweichmöglichkeit ist nicht in Sicht. Auf keinen Fall könne die Einrichtung aus dem Umfeld des Hauptbahnhofs wegziehen, sagte Leiter Burkhard Czarnitzki. „Wir müssen mit unserem Angebot da sein, wo die Straßenkinder sind, und das ist nun mal der Hauptbahnhof.“ Seit einem Jahr sucht Kids nach einer Ausweichmöglichkeit – ohne Erfolg. Auch die Sozialbehörde, die Kids finanziert, möchte das Projekt an Ort und Stelle erhalten und hat sich zusammen mit dem Bezirksamt bemüht, andere Räume in der Nähe zu finden, wie der Sprecher der Sozialbehörde, Marcel Schweitzer, sagte.
Als Kids im Januar noch keine Alternativräume gefunden hatte, hatte das Team erwogen, über den Kündigungstermin hinaus zu bleiben. Bis eine Räumungsklage vollstreckt wird, dauert es schließlich ein bisschen. „Was sollten wir denn sonst machen?“, fragt Czarnitzki. Jetzt, nach der Androhung der Schadenersatzklage, ist das keine Option mehr. „Das würde dem Träger das Genick brechen“, so Czarnitzki.
Kids ist kurz für „Kinder in der Szene“.
Es richtet sich an Mädchen und Jungen bis 18 Jahre, die sich oft ohne festes Zuhause am Hauptbahnhof oder auf dem Dom durchschlagen.
Seit 23 Jahren besteht das Projekt im Bieberhaus. Jugendliche bekommen bei Bedarf medizinische Beratung, Mahlzeiten und die Möglichkeit zu Duschen, betreute Freizeiten sowie Notschlafplätze.
Aber woran liegt es, dass die soziale Einrichtung nichts findet? Czarnitzki erklärt es sich so: „Das Viertel ist gentrifiziert. Die Stadt hat hier kaum eigene Immobilien.“ Das bestätigte auch Schweitzer: „Uns gehört dort nichts.“ Das Bieberhaus war mal im Besitz der Stadt – bis der CDU-Senat es 2006 verkaufte. Die Immobilie zurückzukaufen, ist für den aktuellen Senat aber auch keine Option. Der Sprecher der Finanzbehörde, Daniel Stricker, sagte: „Daran haben wir kein Interesse.“
Was nach der Sanierung passiert, ist unklar – so die Sprachregelung bei Alstria. Man könne nicht versprechen, dass Kids zurück kann. Hoffnung setzt Czarnitzki in eine Petition, die bereits über 1.000 UnterzeichnerInnen hat. Parallel erwägt er Notfallpläne wie das Aufstellen von Containern, oder das zusammenziehen mit einer anderen Einrichtung. Gute Alternativen seien das nicht. „Höchstens der Notfall vom Notfall.“
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