Investition in Indiens Gesundheitssektor: Ungesunde Entwicklung
Die indische Gesundheitsversorgung wird weiter privatisiert. Entwicklungskredite der KfW-Tochter DEG drohen, Ungleichheit zu festigen.
Vor allem diese Darlehen sollen aber kaum der breiten Bevölkerung zugute gekommen sein, die auf staatliche und kommunale Einrichtungen angewiesen sind. Das legen zwei aktuelle Studien nahe. Vorgelegt haben sie die zivilgesellschaftlichen Organisation der SATHI aus Westindien und die internationale Entwicklungsorganisation Oxfam.
Indien verfügt zwar über eine hervorragende private Gesundheitsversorgung und ist längst auch ein beliebtes Ziel für den Medizintourismus. Allerdings kommt beides praktisch ausschließlich zahlungskräftigen Kund:innen zugute.
Die öffentliche Gesundheitsversorgung ist dagegen massiv unterfinanziert. Das hat zu einer immensen Abhängigkeit von den privaten Krankenhäusern geführt, für die aber wiederum Regelungen wie beispielsweise Gebührentabellen fehlen. So kann zwar theoretisch mehr als ein Drittel der Bevölkerung über die 2018 eingeführte staatliche Krankenversicherung für Geringverdiener:innen – „PM-JAY“ genannt – auch private Leistungen bis zu einer Höhe von 5.600 Euro pro Familie in Anspruch nehmen. Den Untersuchungen zufolge nutzen die medizinischen Einrichtungen jedoch immer wieder Lücken aus, um Patient:innen doch für teure Behandlungen zahlen zu lassen – oder ihnen Leistungen vorzuenthalten.
Überhöhte Rechnungen
Konkret zeigt die SATHI-Studie „Unterstützung von Patienten oder Profiten?“ Beispiele, in denen private Krankenhäuser für überhöhte Rechnungen, medizinische Fahrlässigkeit, Verletzung von Behandlungsprotokollen verantwortlich sind. Dabei handelt es sich um Krankenhäuser, die DEG-Darlehen erhalten haben und auch Patient:innen unter der PM-JAY-Versicherung behandeln sollten.
Hintergrund ist laut den Expert:innen, dass die DEG ihre Investitionen hauptsächlich auf öffentlich-private Partnerschaften gründet – etwa mit Private Equity Fonds wie der im asiatischen Gesundheitswesen führenden Quadra Capital. Quadra Capital ist in Singapur angesiedelt, das als Steueroase gilt. Entsprechend intransparent ist die Datenlage. SATHI kritisiert denn auch „die Abhängigkeit von undurchsichtigen, kommerziellen Einrichtungen“, die sich „der öffentlichen Rechenschaftspflicht entzogen“.
Die SATHI-Autor:innen kritisieren auch das PM-JAY-Programm selbst, weil es die Fokussierung auf die privaten Krankenhäuser verfestigt. Mit der Studie vertraute Expert:innen betonen, die DEG habe offenbar weder vertrauenswürdige Finanzierungsmodelle noch Prüfmechanismen für ihre Projekte in öffentlich-privaten Partnerschaften. So würden Patient:innenrechte durch die mit deutschen Steuergeldern finanzierten Kredite indirekt verletzt.
Fehl verwendete Entwicklungsgelder
Auch die Organisation Oxfam kritisiert die Fehlverwendung von Entwicklungsgeldern im Gesundheitsbereich weltweit. In der am Montag vorgestellten Studie „Kranke Entwicklung“ kommt sie zu dem Schluss, dass die Verteilung der Gelder schlecht kontrolliert werde. Im Ergebnis hätten Menschen mit geringem Einkommen keinen oder wenig Zugang zu den Leistungen der Gesundheitsversorgung. Bei Gesundheitsprogrammen in Nigeria und Indien gebe es menschenrechtswidrige Geschäftspraktiken.
„Statt allgemein zugängliche Gesundheitsdienstleistungen zu fördern, investieren europäische und internationale Entwicklungsbanken in Elitenprojekte mit bedenklichem Geschäftsgebaren“, so Oxfam.
Die Studienverfasser warnen, dass Gesundheit ein lukrativer Markt sei. 2021 beliefen sich die weltweiten Investitionen in den Sektor durch internationale, bilaterale und multilaterale Entwicklungsfinanzierungsinstitutionen auf 84 Milliarden US-Dollar – fast die Hälfte der weltweiten öffentlichen Entwicklungshilfe.
Oxfam fordert, solche Finanzierungen durch europäische Entwicklungsbanken zu stoppen. SATHI setzt auf Verbesserungen: mehr Transparenz über die Entwicklungsfinanzierung und ihre Empfänger, eine umfassende Strategie für den Gesundheitssektor und Modelle, die strukturelle Mängel in lokalen Versorgungssystemen berücksichtigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier