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IntrigenDes Vorsitzenden langes Schweigen

Hamburgs ehemaliger SPD-Chef Ingo Egloff ließ angebliche Polizeivermerke in seiner Schublade verschwinden. Die Papiere sollten zwei SPD-Abgeordneten anhängen, sie hätten einen Kollegen denunziert.

Wusste mehr als alle anderen: Ingo Egloff, damals frischgebackener Parteichef, auf dem Landesparteitag der Hamburger SPD im Jahr 2008. Bild: dpa

Neues Kapitel für die Skandalchronik der Hamburger SPD: Dreieinhalb Monate lang - vom 16. Juli bis zu seinem Rücktritt am 28. September 2009 - hat Hamburgs damaliger SPD-Landeschef Ingo Egloff Dokumente unter Verschluss gehalten, die seinen Amtsvorgänger Mathias Petersen und den Abgeordneten Thomas Böwer als mutmaßliche Denunzianten diskreditierten.

Den drei angeblichen Polizeivermerken zufolge hatten die beiden SPD-Politiker ihren Fraktionskollegen Bülent Ciftlik angeblich bei der Polizei angeschwärzt und zum Straftäter abgestempelt, ohne dafür Beweise vorzulegen (taz berichtete). Demnach sollen Petersen und Böwer gegenüber dem Landeskriminalamt behauptet haben, Ciftlik habe wiederholt Scheinehen vermittelt mit dem Zweck, einem der Ehepartner ein ungerechtfertigtes Aufenthaltsrecht in der Bundesrepublik zu erschleichen. Genau wegen dieses Vorwurfs - allerdings nur in einem Fall - hat die Hamburger Staatsanwaltschaft Anfang des Monats Anklage gegen den SPD-Abgeordneten Ciftlik erhoben, der derzeit sein Bürgerschaftsmandat ruhen lässt.

Am 16. Juli hatte Ciftlik die drei Vermerke, die ihm zuvor offenbar zugespielt worden waren, an Egloff übergeben. Anwesend war dabei auch SPD-Landesgeschäftsführerin Karin Timmermann. Wohl mit Blick auf den SPD-Bundestagswahlkampf ließ Parteichef Egloff die angeblichen Dokumente in der Schublade verschwinden - auf Nimmerwiedersehen. Er informierte die beiden Betroffenen nicht, gab ihnen also keine Möglichkeit, den Sachverhalt aufzuklären. Auch die Echtheit der Dokumente, die einige Unstimmigkeiten aufweisen, ließ Egloff nicht prüfen.

Am 13. November, einem Freitag, veröffentlichte die taz dann Auszüge aus den Dokumenten und entlarvte diese gleichzeitig als Fälschungen, angefertigt mit hoher krimineller Energie. Inzwischen ermittelt die Hamburger Staatsanwaltschaft wegen Urkundenfälschung und Verleumdung gegen Unbekannt.

Die Spitze der inzwischen von Olaf Scholz geführten Hamburger SPD aber hielt weiter dicht: Auch nach der Veröffentlichung wurden Böwer und Petersen nicht darüber informiert, dass man bereits seit Monaten im Besitz der gefälschten Polizeipapiere war. Dass er erst vor wenigen Tagen von diesem Umstand erfahren habe, werde er "nicht dementieren", sagteThomas Böwer am Mittwoch der taz.

Ex-Parteichef Egloff und Geschäftsführerin Timmermann schickten gestern den Anwalt Otmar Kury zu ihrer Verteidigung vor. Der kommt zur Einschätzung, beide hätten sich "der üblen Nachrede strafbar gemacht, wenn sie Petersen und Böwer mit den Dokumenten konfrontiert hätten". Sein Fazit: Egloff und Timmermann "verhielten sich tadellos und rechtstreu", als sie die "bösartigen Verdächtigungen" nicht weitergaben.

Nicht der erste Skandal

Die Hamburger SPD ist ein Fall für die Ermittler:

Im Februar 2007 verschwinden bei der SPD-Mitgliederbefragung über den Spitzenkandidaten zur Bürgerschaftswahl 954 Stimmzettel. Mathias Petersen wird um die Kandidatur gebracht und muss als Landeschef zurücktreten. Der Stimmenraub bleibt unaufgeklärt.

Im November 2009 veröffentlicht die taz die gefälschten Polizeivermerke, in denen Petersen und Thomas Böwer als Denunzianten dargestellt werden. Ihr Verfasser wird innerhalb der SPD vermutet.

Das darf angezweifelt werden. So hält der Hamburger Rechtsanwalt Ernst Medecke Kurys Argumentation "für eine falsche Rechtsauffassung. Egloff hätte als Parteivorsitzender sogar die Pflicht gehabt, Böwer und Petersen zu ihrem Schutz unverzüglich über die Existenz der sie belastenden Dokumente zu unterrichten." Zwar besagt der Gesetzestext, dass Verleumdungen und üble Nachreden nicht weiterverbreitet werden dürfen - nicht aber, dass es verboten ist, möglicherweise verleumdete Personen über die Existenz solcher Anwürfe zu informieren und damit zu warnen.

Böwer, der erst jetzt durch Akteneinsicht bei seinem Rechtsanwalt erfuhr, dass Egloff über Monate im Besitz der heiklen Papiere war, kündigte für den morgigen Freitag eine Stellungnahme an. Die SPD-interne Schlammschlacht geht damit in ihre nächste Runde.

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3 Kommentare

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  • D
    Denny

    Oh je, oh je.

    Was hat der gute Mann nochmal studiert?

    Ich zitiere aus seiner Homepage.

    "Politik und Kriminologie".

    Ich bin mir ziemlich sicher, dass einiges zu seinem Nachteil herauskommen wird.

    Die Frage wäre, ob er auch den Mumm hätte sich, bei all den Menschen zu entschuldigen, die er getäuscht hat. Ich glaube, eher nicht...

  • A
    Ayse

    Und Bülent Ciftlik ist immer noch Distriktsvorsitzender der SPD Flottbek/Othmarschen. Soi sieht die Möchtegern-Durchsetzungsfähigkeit von Olaf Scholz aus. Bülent bleibt wohl Olafs lieber Junge....

  • S
    Schmidt

    Die nächste Runde - fragt sich nur, was das bringen soll? Böwer telefoniert ja selber sehr gerne und überhaupt stände es dieser Partei mal ganz gut, zu schweigen. Aber da kommt wohl wieder irgendein Ereignis, wahrscheinlich ist bald eine Position vakant und nun muss es knallen.

    Wenn es nicht in Hamburg so viele Probleme und vergeudete Chancen durch die aktuelle Regierung gäbe, dann könnte man sich hier in seinen Sessel fallen lassen und sich über die debile SPD freuen. Aber in Wirklichkeit ist es genau andersherum: Selbst diese Sozialdemokraten wären dringen gefordert mal was zu tun. Milliarden stehen bei der HSH-Nordbank im Nebel, könnten HH (und SH) die Zukunft kosten. Eine sinnlose Luxus-U-Bahn fährt bald in ein dünn-besiedeltes Edel-Projekt und in allen teuren Gegenden der Stadt wird wie wild gebaut, aber nur für die Vermögenden.

    Nun wird der eine oder andere bemerken, dass zu den Käufern wohl auch der eine oder andere Sozialdemokrat gehört, aber das macht die Sache in der Summe nicht besser. Eine soziale Stadt wäre schon ein SPD-Projekt. Nur der letzte Mensch dieser Partei, der dies recht gut kritisierte, outete sich nach der Wahl als Verfechter einer wie auch immer gearteten Hartz-IV-Politik - das nimmt so einer Kritik nun wirklich jeden Schwung und damit kann auch wirklich gar keiner mehr bei den Leuten in Wandsbek, St.Pauli oder Luruper Born noch punkten.

    Ob nun Ciftlik, den oder jenen, Böwer dies oder das, Vorscherau meint, dass Ilkahnipour oder Niels Annen gerade vier Klausuren bestanden hat - die SPD sollte einfach zu lernen, zu schweigen. Das wäre zumindest mal ein Anfang und ein Hoffnungsschimmer, dass die Stadt nicht noch weiter verkommt.