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Interview zur Kinderarmut in Berlin„Arm sein heißt, am Rand zu stehen“

Ingrid Stahmer, die Sprecherin der Landesarmutskonferenz, fordert mehr Präventionsarbeit.

Viele Berliner Kinder kriegen zu Hause kein oder selten warmes Essen Foto: dpa
Interview von Susanne Memarnia

taz: Frau Stahmer, was heißt Kinderarmut in Berlin – es geht ja nicht ums Hungern, oder?

Ingrid Stahmer: Doch, beinahe schon. Es gibt viele Familien, die sich bei der Tafel Essen holen, woran man auch sieht, wie niedrig der Sozialhilfesatz und Hartz IV sind. Es heißt aber auch, immer am Rande zu stehen: in der Schule, in der Freizeit, draußen, drinnen. Armut ist der größte Risikofaktor für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Gerade die Förderung sozialer und emotionaler Kompetenzen können arme Eltern nicht leisten, weil sie mit ihren eigenen Schwierigkeiten befasst sind.

Ist also was dran an dem Bild von dicken, Chips essenden Kindern, die den ganzen Tag fernsehen?

Ja, durchaus. Zwar ist durch Untersuchungen belegt, dass alle Eltern das Beste für ihre Kinder wollen – aber bei armen Eltern ist die Fähigkeit, das zu tun, was sie als das Beste für ihre Kinder erachten, am schlechtesten ausgebildet. Natürlich gibt es Familien, die einen wunderbaren emotionalen Zusammenhalt haben und so ihre Armut besser ertragen können. Aber das sind die allerwenigsten. Die meisten Eltern können es nur schlecht ertragen, so abhängig und am Rande stehend zu sein – und können entsprechend wenig für ihre Kinder tun.

Was muss konkret geschehen?

Es muss viel mehr Prävention her, eine kommunale Infrastruktur für alle Kinder und Familien, sodass sie gefördert und unterstützt werden. Gleichzeitig brauchen wir individuelle Förderinstrumente für die von Armut betroffenen. Die gehen nicht zur Beratungsstelle, dazu reicht schon die Kraft nicht.

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1 Kommentar

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  • Na, diese Einschätzung über arme Familien und deren (fehlenden) Kompetenzen finde ich aber sehr einseitig und klischeehaft.

     

    Kein warmes Essen hat nun nicht zwingend was mit armen Eltern zu tun. Und ja, es gibt auch Kinder aus Hartz-IV-Familien, die keine Sprachschwierigkeiten haben und sogar auf ein Gymnasium gehen. Sogar in Waldorfschulen kommen sie unter.

     

    "Die gehen nicht zur Beratungsstelle, dazu reicht schon die Kraft nicht."

     

    In vielen Familien kommt vielleicht eines zum anderen, aber nicht alles hat mit "Armut" zu tun.

     

    Ich verwehre mich auch gegen "Förderung" durch externe, nur weil die Zahl auf dem Konto monatlich nicht stimmt.

     

    Nichts gegen mehr Einkommen für alle, aber ob dadurch alle bessere Schulabschlüsse bekommen? Ich wage das sehr zu bezweifeln. Vom späteren möglichen Verdienst mal ganz zu schweigen. Wir leben nicht mehr in den 80ern, sondern in der Zeit nach 2005!