Interview mit einer Wanze: "Nicht telefonieren!"
Unser Gesprächspartner lebt seit 30 Jahren davon, Abhörgeräte zu erfinden und zu verkaufen - und wie heißt es so schön? "Paranoid zu sein bedeutet nicht, dass sie nicht hinter dir her sind!"
Wer mit einem Hersteller von Abhörwanzen reden will, muss ein paar Sicherheitschecks über sich ergehen lassen. Nein, am Telefon wolle er nicht über seine Arbeit sprechen, wer weiß, wer da mithört, sagt der Mann am anderen Ende der Leitung, der folgerichtig seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will.
"Zur Unantastbarkeit der Menschenwürde gehört die Anerkennung eines absolut geschützten Kernbereichs privater Lebensgestaltung. Jede Erhebung von Informationen aus diesem Bereich muss abgebrochen werden. Jede Verwertung ist ausgeschlossen." (Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum großen Lauschangriff vom 3. März 2004)
Derzeit überprüft der Bundesgerichtshof polizeiliche Hausdurchsuchungen von G-8-Gipfel-Gegnern, bei denen im Mai eine Hamburger Wohnung verwanzt wurde.
Der Herr lebt seit 30 Jahren davon, Abhörgeräte zu erfinden, herzustellen und zu verkaufen. Der Nachteil: Paranoia. "Begründete Paranoia", wie er sagt. Wir treffen uns also auf einem Parkplatz. Als ich ins Auto steige, empfiehlt er mir, mein Telefon auszuschalten. Später wird er mir erzählen, dass er selbst sogar die Batterie aus seinem Handy genommen hat. Mit einer Spionage-Software sei es nämlich möglich, die Konferenzschaltung zu aktivieren und so mitzuhören - selbst, wenn das Telefon gar nicht an ist.
Die Fahrt durch Berlin ist wie eine Tour durch die Geschichte der Bespitzelung. Da, auf dem Teufelsberg hätten die Amerikaner im Kalten Krieg die Ostdeutschen abgehört. Und da drüben in dem Bordell gäbe es eine Überwachungskamera. Er wisse das, weil er erst vor wenigen Tagen mit einem Video-Scanner die Straße entlanggefahren sei, der sich einschaltet, sobald er ein Funksignal empfängt. Dabei habe er alles mögliche gesehen. Den Empfang einer Arztpraxis, das Pay-TV von Premiere und eben das Innere des Freudenhauses. "Die Leute sind sich nicht bewusst, dass jeder private Bilder empfangen kann", sagt er.
Schließlich halten wie vor einem überfüllten Stehcafé. Geschirrklirren, Kinderbeine trommeln gegen die Stuhlbeine, hier fühlt er sich sicher. Sicher genug, um zu reden.
taz: Letzte Woche wurde bekannt, dass die Wohnung eines G-8-Gegners in Hamburg im Auftrag der Bundesanwaltschaft verwanzt wurde. Kann es sein, dass die Abhörgeräte von Ihnen kommen?
Die Bundesstaatsanwaltschaft gehörte bislang nicht zu meinen Kunden. Es gibt jedoch in Deutschland nur eine Hand voll professioneller Hersteller von Abhörtechnik.
Wissen Sie überhaupt, bei wem Ihre Wanzen landen?
Ich beliefere Unternehmen in der Detektiv- und Bewachungsbranche und Behörden hier und im Ausland. An Privatpersonen verkaufe ich nichts, etwa an eifersüchtige Ehemänner, die ihre Frau überwachen wollen oder anders herum.
Was kostet es denn, wie in Hamburg eine Wohnung abzuhören?
Das ist davon abhängig, wie viel Personal und Technik eingesetzt wird. Zunächst werden Leute geschickt, die die Wohnung observieren. Dann muss der so genannte heiße Raum geöffnet, verwanzt und wieder entwanzt werden. Zu den Personalkosten kann ich nichts sagen. Der Preis für eine professionelle Wanze liegt heute zwischen 500 und 3.000 Euro.
Wie finden Sie denn die jüngsten Abhöraktionen der Bundesanwaltschaft?
Spätestens seitdem ich gehört habe, dass die Post von Tageszeitungen durchsucht wurde, ist mein Vertrauen in unsere Demokratie zerstört. Ich erinnere mich daran, als wir in der Schule George Orwells Roman über den totalen Überwachungsstaat gelesen haben und ich dachte, 1984, das ist ja noch ewig hin. Aber die Realität kam schneller. Das dümmste Argument, das ich kenne, ist: "Ich hab ja nichts gemacht, mir kann nichts passieren." Schade, dass manche erst durch Schaden klug werden.
Welche Abhörmöglichkeiten gibt es noch?
Es gibt zum Beispiel Körperschallmikrofone, die am Fensterrahmen oder an der Tür angebracht werden. Zum Abhören sitzt man in einem Auto in der Nähe. Beliebter, weil unauffälliger und viel preiswerter ist jedoch das Abhören der Telefone und das Ausforschen des Internetverkehrs. Im Übrigen lassen bereits aktiv geschaltete Mobiltelefone Rückschlüsse über den Aufenthaltsort des Besitzers zu.
Was kann ich denn tun, um mich zu schützen?
Auf diese Frage hat Horst Männchen, zuletzt Leiter der Abteilung Funkabwehr und Funkaufklärung der Stasi, einmal geantwortet: "Nicht telefonieren." Dem schließe ich mich an. Also Handys ausschalten. Gespräche, die nicht für fremde Ohren bestimmt sind, sollte man wegen des hohen Geräuschpegels an belebten Orten führen.
Es gibt doch Spionläden, die Messgeräte und andere Utensilien zum Erkennen von Wanzen anbieten.
Diese Detektoren versprechen oft mehr, als sie halten. Nur mit dem nötigen Fachwissen und mit professioneller Technik kann man erfolgreich Wanzen suchen.
Sagen wir mal, ich habe Angst, dass mein Freund mich betrügt, und ich will sein Telefon abhören. Kann ich das?
Die Technik zum Abhören eines Mobiltelefons dürfte für Sie nicht erschwinglich sein. Das Abhören des Festnetztelefons ist aber mit relativ geringem finanziellem Aufwand möglich, das geht schon für 250 bis 500 Euro.
Brauche ich dafür einen Fachmann oder kann ich das Abhörgerät selbst installieren?
Das Gerät ist einfach zwischen die Anschlussdose und das Telefon zu stecken. Das kann man selbst machen. Dann benötigen Sie noch ein Aufzeichnungsgerät und vor allem die Erlaubnis des Abzuhörenden, denn sonst wäre das illegal.
Warum bieten dann Spionläden diese Technik an?
Der Besitz ist erlaubt, nur der missbräuchliche Gebrauch ist verboten.
INTERVIEW: SARAH STRICKER
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