Interview mit Rapper Nas: "Reggae hat mich beeinflusst"
Nas und Reggae-Musiker Damian Marley haben gemeinsam ein Album veröffentlicht: "Distant Relatives". Nas über seine musikalischen Wurzeln und jamaikanische Einflüsse im HipHop.
taz: Nas, Ihnen eilt der Ruf voraus, der größte MC des US-HipHop zu sein. Ist das Projekt mit Damian Marley ein Neuanfang oder eine Fortsetzung Ihrer Rapkarriere?
Nas: Ich habe mich in meiner Musik schon immer auf Bewusstmachung, Ungerechtigkeit und diesen Scheiß bezogen. Und als größter MC muss ich eben Sachen machen, die an die Grenzen gehen und mich selbst noch herausfordern.
Sind Sie von HipHop gelangweilt?
Ich bleibe meinen Wurzeln treu. Ich liebe klassischen HipHop, der mich auch früher schon inspiriert hat: Figuren wie Ice-T, Big Daddy Kane, Afrika Bambaataa, Public Enemy, De La Soul, A Tribe Called Quest, LL Cool J, X-Clan, Run DMC, 3rd Bass. Viele von ihnen sind inzwischen abgemeldet. Dass ich noch am Start bin, zeigt, wie man Rapmusik an andere Orte bringen kann.
Diesmal haben Sie sich mit Damian, dem jüngsten Sohn Bob Marleys, zusammengetan. Wie kam es zu der Idee, gemeinsam ein Album aufzunehmen?
Wir schätzen uns gegenseitig. Ich finde seine Musik richtig gut. Und umgekehrt ist es auch so. Wir haben vor ein paar Jahren einen Song zusammen gemacht. Und es war Zeit, daran anzuknüpfen.
Wie ist Damian Marley eigentlich als Person?
Sehr bescheiden und ernsthaft. Damian ist ein weiser Typ.
Hat er Ähnlichkeit mit dem Vater?
Ich habe Bob Marley nie persönlich kennengelernt. Aber Damian ist sein Sohn. Ich denke, er steckt einfach in ihm. Es gab Momente im Studio, da habe ich Damian angeschaut und dachte: Wow.
Beschreiben Sie bitte die Atmosphäre bei den Aufnahmen.
Jede Studio-Session war aufregend. Sehen Sie, wenn ich ein HipHop-Album mache, bekomme ich am Anfang einen Haufen Beats zur Auswahl. Der A&R der Plattenfirma bringt Beats von guten, mittelmäßigen und schlechten Produzenten. Und die bietet er gleichzeitig allen möglichen Rappern an. Das führt dazu, dass alles gleich klingt. Am Ende hörst du die Musik vor lauter Beats nicht mehr.
Was war bei "Distant Relatives" anders?
Ich habe mit der ganzen Marley-Familie zusammengearbeitet: mit Damian, Stephen und der Band. Da herrschte ein völlig anderer Vibe. Die Ideen schwebten nur so im Raum herum. Und es gab ein starkes Gefühl der Geborgenheit. Sehr erfrischende Erfahrung für mich. Es hat mich dazu gebracht, anders zu schreiben, anders zu rappen und ein paar Sachen auszuprobieren.
Für den Song "Patience" haben Sie ein Sample aus "Sabali" von Amadou & Mariam aus Mali verwendet. Was dachten Sie, als Sie zum ersten Mal das Original gehört haben?
Ich konnte nicht sagen, ob es traditionelle Folkmusik ist oder brandneu. Es wirkte so zeitlos auf mich. Amadou & Mariam machen mit die unglaublichste Musik, die ich je gehört habe. "Patience" ist mein Lieblingssong.
Wie würden Sie die Musik, die dabei entstanden ist, nennen?
Für mich ist das Weltmusik. Es ist nicht ganz Rap, es ist nicht wirklich Reggae, sondern etwas Neues. Einige meiner alten Rapfans mögen von der Musik überrascht sein. Denn das Album klingt anders als das, was ich bisher gemacht habe. Aber es wird ein größeres Publikum erreichen. "Distant Relatives" richtet sich an alle.
Glauben Sie, dass sich die angloamerikanische Popmusik weiter für andere Klänge öffnen sollte?
Definitiv. Die Welt ist offen für andere Sounds. Das heißt ja nicht, dass wir dadurch der westlichen Musik den Mittelfinger zeigen. Was sich gerade entwickelt, fügt dem großen Puzzle nur ein weiteres Stück hinzu.
Warum setzen Sie sich gerade jetzt mit Afrika auseinander?
Das war Damians Idee. Er wollte zunächst musikalisch dorthin. Als wir uns zusammengesetzt haben, um zu überlegen, was wir inhaltlich sagen wollen, brachte er Afrika ins Gespräch. Und ich meinte nur: Yeah, genau. Am Freitag beginnt doch die Fußball-WM in Südafrika. Es fühlt sich jetzt einfach gut und richtig an.
Afrika ist von Musikern mit verschiedenen Bedeutungen aufgeladen worden: vom Hungerkontinent bis zum gelobten Land. Welches Afrika meinen Sie?
Das Afrika, das wir meinen, hat eine große kulturelle Geschichte und wichtige Dinge zur Welt beigetragen. Viele Schwarze denken bei Afrika direkt an ihr spirituelles Bewusstsein. Anderen scheint der Kontinent zu krass und problembeladen zu sein. Uns geht es aber um die Musik. Und die ist für alle da. Die Botschaft des Albums lautet: Niemand steht allein da. Wir ziehen Verbindungslinien von Jamaika in die USA und zwischen Afrikanern, die über die ganze Welt verteilt leben. So können die Menschen verstehen, woher wir kommen und warum wir das Album "Distant Relatives" genannt haben.
Was verbindet Sie mit Jamaika?
Reggae war immer da und hat mich beeinflusst. Klar, die Klassiker von Bob Marley und Peter Tosh. Gerade New York hat einen sehr karibischen Flavour.
In Queens, wo Sie herkommen, gibt es sogar einen Stadtteil, der Jamaica heißt.
Das ist eher ein beschauliches Viertel. Ich stamme aber aus Queensbridge, einer Hochhaussiedlung, die so viel Krach macht, dass sie als Synonym für den ganzen Bezirk Queens steht.
Der heiße Draht zwischen den USA und Jamaika reicht musikalisch ja bis in die Fünfziger zurück.
Genau. Ohne R&B gäb es keinen Reggae. Und ohne Reggae gäb es keinen HipHop. DJ Kool Herc, der erste HipHop-DJ, kam aus Kingston nach New York.
Kool Herc hat in den Siebzigern in der Bronx erstmals Platten nach Art der jamaikanischen Soundsystems aufgelegt.
Und als ich jung war, stand ich auf Dancehall von Super Cat und Shinehead. Die haben auch über HipHop-Beats gesungen.
Bei Ihnen treffen sich Rap und Reggae im Zeichen Afrikas. Welche Verbindung haben Sie persönlich zu Afrika?
Nun, das bringt meine Existenz als Afroamerikaner einfach mit sich.
Sie haben immer wieder afrikanische Motive auf Ihren Plattencovern aufgegriffen - vom Pharao bis zum Sklaven.
Ich kenne meine Geschichte. Die Schulzeit vermittelt mir nur einen Teil der Historie. Ich habe viel auf eigene Faust gelernt. Und das hat mir die Augen geöffnet für die unglaublich reiche Geschichte, die ich als Afroamerikaner in mir trage. Entgegen allen Widrigkeiten stehe ich heute da, wo ich bin.
Welche Rolle hat dabei Ihr Vater, der Jazztrompeter Olu Dara, gespielt?
Mein alter Mann hat mich Nasir genannt. Damit fing alles an. Meine Freunde hatten amerikanische Namen, meiner stammt aus dem Arabischen. Aber ich wurde zu Hause nie zu etwas gezwungen. Die Informationen waren einfach da, die Bücher standen im Regal, und ab und zu habe ich mir eins rausgegriffen.
In dem Song "Deadly Equation" berichtet der Rapper K'Naan über Bürgerkriege in Afrika. Wie fügt er sich in die entfernte Verwandtschaft ein?
Damian Marley kommt von der Insel, ich bin aus den USA, und K'Naan - übrigens ein brillanter Künstler - stammt aus Somalia. Wir sind drei Mitglieder einer verstreut lebenden Sippe. "Distant Relatives" ist unsere Familienzusammenführung. Wir erneuern die Verbindung zu den Sklaven, die nach England, nach Haiti und in die USA verschleppt wurden.
Werden wir Nas denn weiterhin als Global-Pop-Künstler erleben?
Dieses Album steht für einen besonderen Moment. Meine nächste Platte wird ganz anders klingen.
Nas & Damian "Jr. Gong" Marley, "Distant Relatives" (Def Jam/Universal)
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