Interview mit Linken-Abgeordneter: „Mit Dschihadisten verhandelt man nicht“
Die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke äußert Kritik am türkisch-islamischen Dachverband Ditib und beurteilt die deutsch-türkischen Beziehungen.
Für Präventionsprojekte gegen Islamismus hat der türkisch-islamische Dachverband Ditib in diesem Jahr vom Bundesfamilienministerium 200.000 Euro bekommen. Dieses Fördergeld, dessen Gesamtsumme im Laufe von 2017 noch auf eine Million Euro kommen soll, wird von verschiedenen Seiten kritisiert.
Ulla Jelpke, Abgeordnete von Die Linke im Bundestag, stellte eine Kleine Anfrage zu der Sache und beschreibt diese Zusammenarbeit mit den Worten: “Hier (..) wurde wahrlich der Bock zum Gärtner gemacht.“ Wir trafen Jelpke, um mit ihr über die deutsch-türkischen Beziehungen zu sprechen, die Pläne zum deutschen Abzug von Incirlik und die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei.
taz: Frau Jelpke, wie beurteilen Sie die Arbeit von Ditib?
Ulla Jelpke: Ein Punkt, den wir schon seit Jahren kritisieren, ist, dass die Ditib-Imame in der Türkei ausgebildet werden und nicht hier. Das war auch schon vor der AKP so. Doch mit der AKP sind neue Probleme dazu gekommen.
1972 geborener Journalist. Nach Tätigkeiten für die Tageszeitungen Milliyet, Sabah und Cumhuriyet begann er als Reporter für die 'Zeitung Birgün zu arbeiten, wo er noch heute tätig ist. Acarer gewann 2016 den renommierten Metin Göktepe Journalistenpreis und 2017 den Preis für unabhängige Journalisten.
Was für Probleme?
Ditib betreibt eindeutig AKP-Propaganda und Hetze. Man muss sich nur mal die Facebook-Seite von Ditib ansehen, um ein Bild davon zu bekommen, was für eine Mentalität in dem Verband herrscht. Dort wird Hass gegen andere Religionen geschürt. Da sind Aussagen, die eindeutig dem radikalen Islam zuzuordnen sind.
Auch die Imame, die nach Deutschland geschickt werden, folgen dieser Denkweise. Unter diesen Umständen kann es nicht sein, dass die Bundesregierung Ditib auch noch als Partner im Kampf gegen den Islamismus finanziell unterstützt. Es gibt fragwürdige Verbindungen zwischen Ditib und der vom Verfassungsschutz beobachtete Milli Görüs und den Grauen Wölfen. Darüber hinaus wissen wir längst, dass es Spitzel gibt, die über Ditib kommen und in Deutschland lebende Oppositionelle ausspionieren und an den Pranger stellen.
In der Türkei heißt es, dass es zwischen der AKP und der Milli-Görüş-Bewegung längst eine Spaltung gibt.
In Deutschland ist das anders. Ich habe Anhänger der Milli Görüşgetroffen, die ganz offen gesagt haben: “Wir stehen hinter den Werten, die Erdoğan vertritt, und auch hinter seiner Idee der Gründung einer Islamischen Republik“.
Gibt es Informationen über Rekrutierungen für dschihadistische Kämpfer in Syrien durch Ditib?
Nein, das gibt es nicht. Jedoch sehen wir, dass sich die Anwerbungen für Koranschulen ausweiten, bei denen keiner weiß, was genau dort unterrichtet wird. Da wollen wir Transparenz. In der Vergangenheit wurden auch schon ein paar dieser Schulen geschlossen. Uns ist nicht bekannt, dass über Ditib Kämpfer für islamistische Milizen in Syrien rekrutiert werden.
Aber ideologisch ist eine Radikalisierung ganz klar erkennbar. Es gibt zweifelhafte Beziehungen zwischen verschiedenen Moscheen. Wir müssen diese Netzwerke überprüfen, denn daran misst sich auch, wie ernst es der Bundesregierung mit ihrem Kampf gegen den Islamismus ist.
Wie beobachten Sie die Beziehungen zwischen der türkischen Regierung und dschihadistischen Kämpfern in Syrien?
Ich war 2014 in der Türkei, als der IS Sindschar angriff und ein Korridor für die Flucht der Jesid*innen errichtet werden sollte. Als ich nach Deutschland zurückkehrte, habe ich eine Kleine Anfrage gestellt, um herauszufinden, ob die Bundesregierung davon weiß, dass es syrische Grenzposten zur Türkei gibt, die vom IS kontrolliert werden; dass IS-Kämpfer in türkischen Krankenhäusern behandelt werden; dass es Waffen- und Ölhandel zwischen dem IS und der Türkei gibt.
Wie lautete die Antwort?
Ich erhielt eine vertrauliche Antwort, in der es hieß, der Bundesnachrichtendienst (BND) wisse davon. Für mich bedeutet das nicht anderes, als dass die Bundesregierung ihren Kampf gegen den “Islamischen Staat“ nicht ernst genug nimmt. Auch die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen stellte eine Kleine Anfrage, auf die sie ebenfalls eine vertrauliche Antwort erhielt.
Dabei unterschied sich die Antwort des Innenministeriums von der des Auswärtigen Amts. Das Innenministerium erklärte, man wisse davon, dass sich in der Türkei Dschihadisten aufhielten und frei bewegen könnten. Die Antwort des Auswärtigen Amts fiel natürlich diplomatischer aus, um die Beziehungen zur Türkei nicht zu gefährden.
Kann man sagen, dass der Dschihadismus in Syrien auch ideologischen Rückhalt in der Türkei findet?
Natürlich. Dschihadismus bereitet die geistige Grundlage des Kriegs. Und dabei spreche ich nicht nur vom IS, sondern auch von El Nusra, von Al-Qaida und ihnen zugehörige Gruppierungen, die offensichtlich Unterstützung aus der Türkei erhalten. Die Ideologie gelangt über die Türkei auch hierher. Zudem sind wir uns im Klaren darüber, wie sich Erdogan in den Syrienkrieg einmischt.
Es ist unverständlich, dass zu den Syrien-Verhandlungsgesprächen Dschihadisten eingeladen werden. Man sollte nur mit denen sprechen, die ernsthaft Frieden wollen. Wir können mit radikalen Islamisten nicht über die Zukunft von Syrien sprechen.
Deshalb wir die Bundesregierung auch regelmäßig von Oppositionsparteien für ihren Umgang mit der Türkei kritisiert.
Sehen Sie, bei unserer Kritik geht es nicht mal nur um den islamistischen Terror. Vor allem Menschenrechte und Pressefreiheit sind Kriterien, die unbedingt erfüllt werden müssen, wenn wir mit dieser Regierung zusammenarbeiten wollen.
Mit der Diskussion um Incirlik verschärft sich der Ton zwischen Deutschland und der Türkei zunehmend.
Sicher. Es ist inzwischen sehr wahrscheinlich, dass die Bundeswehr aus Incirlik abgezogen wird, und das hat auch mit dem Druck zu tun, den wir als Oppositionsparteien auf die Bundesregierung ausüben. Es gibt bereits Gespräche mit Jordanien und dem Libanon. Natürlich wird Incirlik nicht dicht gemacht, da es sich um einen Nato-Stützpunkt handelt.
Doch auch die Beziehungen der Türkei zu anderen Nato-Partnern sind angespannt. Die türkische Regierung entfernt sich zunehmend von einem diplomatischen Ton, was kürzlich auch von Seiten des Auswärtigen Amts kritisiert worden ist.
Ein weiterer Streitpunkt bezieht sich auf die Soldaten, die sich nach dem Putschversuch in Deutschland abgesetzt haben. Wie stehen sie dazu?
Die Türkei erwartet die Auslieferung der Soldaten. Allein das ist für mich schon ein Skandal. Nach unserem Demokratieverständnis können sich Politiker sowieso nicht in ein Asylverfahren einmischen. Dafür ist das Bamf zuständig. Und dort haben Asylanträge aus der Türkei ohnehin die längsten Wartezeiten, was auch nicht unbedingt richtig ist meiner Meinung nach, weil wir ja sehen, wie schutzbedürftig diese Menschen aus der Türkei sind.
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