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■ Interview mit Jürgen W. Möllemann„Friedmanns unerträgliche Beleidigung muss vom Tisch“

taz: Ist der Fall Karsli erledigt?

Jürgen W. Möllemann: Ja. Einige wollen ihn zwar gern am Kochen halten, indem sie uns jetzt das Recht bestreiten, ihn als Abgeordneten in unserer Fraktion zu behalten. Ich kann aber nur jedem raten, davon die Finger zu lassen. Er bleibt bei uns.

Hat die FDP jetzt einen Fall Möllemann?

Nein. Ich werde meine präzise, pointierte, in der Sache aber gesicherte Position zum Nahostkonflikt weiter öffentlich vortragen ...

Michel Friedmann für den Antisemitismus verantwortlich zu machen – das hätte Jamal Karsli nicht gewagt, oder?

Nein. Ich mache ihn auch nicht dafür verantwortlich, sondern ich sage: In seiner Weise schürt er antiisraelische und antisemitische Ressentiments. Wer mit den Menschen offen redet, hört das leider immer wieder.

Ist das nicht das eigentliche Wesen des Rassismus – ein Kollektiv für individuelle Züge Einzelner verantwortlich zu machen?

Ich tue das ausdrücklich nicht. Aber: Jeder, der öffentlich für eine Gruppe wirkt, prägt deren Gesamtbild mit.

Aber Niemand käme auf die Idee, weil ihm der auch nicht immer zimperliche Jürgen Möllemann nicht gefällt, etwas gegen Christen zu haben – oder gegen Liberale.

Gegen Liberale schon. Es gibt Leute, die sagen: Wegen dieses Jürgen Möllemann wähle ich die FDP nicht. Es gibt allerdings auch viele Menschen, die sagen: Wegen Jürgen Möllemann wähle ich FDP.

Nur hat sich Herr Friedmann ja nicht entschieden, Jude zu sein. Gilt für Juden in Deutschland nicht dieselbe Freiheit zur Meinungsäußerung – auch zur Polemik – wie für Nichtjuden?

Doch natürlich, absolut. Aber Herr Friedmann muss auch die gleiche Meinungsfreiheit bei anderen hinnehmen. Es gibt dann keinen Schutz vor Kritik. Das genau ist das Problem: Michel Friedmann erweckt den Eindruck, wenn man ihn kritisiere, sei man Antisemit. Ich arbeite in der Initiative gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit Antisemitismus und Gewalt in Nordrhein-Westfalen mit Paul Spiegel zusammen. Deswegen war ich umso konsternierter, von seinem Stellvertreter diesen ungeheuerlichen Vorwurf zu hören. Ich sage Ihnen: Michel Friedmann muss ihn vom Tisch nehmen. Es ist eine unerträgliche Beleidigung. Ich nehme die nicht hin.

Wie dringend braucht die FDP den antisemitischen Bodensatz für das Projekt 18?

Gar nicht. Wir wenden uns an alle, die von Roten, Schwarzen, Grünen und PDS enttäuscht sind. Und an jene, die ihren Protest früher an die Falschen verschwendet haben.

Kostet das liberale Wähler?

Mit klaren Standpunkten gewinnt man die, die diese Standpunkte teilen, und verliert möglicherweise jene, die sich dagegen stellen. Aber ohne klare Standpunkte verliert man sie alle.

Fragen: Jan Kahlcke

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