Internet auf dem Land: Die Entfernung der Langsamkeit
An vielen Orten Deutschlands läuft das Internet nur im Schneckentempo. Schlecht vor allem für die dortigen Firmen. Was tun?
„Im Moment sitzt, vor allem im ländlichen Raum, ein dicker Monopolist, und das Ergebnis ist kein Gutes“, sagt Anke Domscheit-Berg. Sie hat mit ihrem Mann ein Start-up gegründet, mit dem sie dem „bis zu“ ein Ende setzen wollen. Glasfaser in die Erde statt Kupfer, über das immer noch vielerorts in Deutschland die Netzanbindung läuft. Glasfaser, kombiniert mit einem Betriebsmodell, das sie sich aus Schweden abgeschaut haben. Und damit auch der Telekom Konkurrenz machen wollen.
Die Domscheit-Bergs sind in der netzpolitischen Szene prominent: Sie, Unternehmerin und Aktivistin, unterwegs etwa im Bereich Open Government, er bekannt als Gründer der Whistleblower-Plattform OpenLeaks. Sie leben in Fürstenberg an der Havel – und wenn man so will, ist das ein ziemlicher exemplarischer Ort.
Im Breitbandatlas, den das Verkehrsministerium herausgibt, ist Fürstenberg bunt gekachelt. Einige Straßen im Stadtzentrum sind gelb eingefärbt. Hier können mehr als 95 Prozent der Haushalte einen Internetanschluss mit mehr als 50 Megabit pro Sekunde bekommen. Das ist die Geschwindigkeit, die laut Bundesregierung bis 2018 für alle Haushalte verfügbar sein soll, so hat sie es in ihrer Digitalen Agenda festgeschrieben. Mit 50 Megabit pro Sekunde lässt sich immerhin ein Spielfilm in hoher Qualität herunterladen, ohne dafür eine halbe Stunde vor dem Rechner zu sitzen. Andere Ecken sind dagegen dunkelblau: Nur maximal zehn Prozent der Haushalte haben hier schnelles Internet.
So gemischt wie in Fürstenberg ist es in ganz Deutschland: In Ballungsräumen eine meist hohe Verfügbarkeit von schnellem Internet und viele dunkelblaue Flächen auf dem Land. Im Schnitt kommt Deutschland laut einer Auswertung des Netzwerkanbieters Akamai auf 14 Megabit pro Sekunde – Platz 24. Spitzenreiter Südkorea liegt bei knapp 27 Megabit pro Sekunde. Schweden immerhin bei 19 Megabit.
Zuständigkeiten „sauber trennen“
Um zu zeigen, wie sich das ändern soll, nimmt Anke Domscheit-Berg den Autoverkehr als Vergleichsgröße. Wäre der so organisiert wie die Internet-Versorgung in Deutschland, erklärt sie, dann würde ein und dasselbe Unternehmen Straßen bauen, dafür Maut kassieren, Autos herstellen und den TÜV abnehmen. Es hätte also vermutlich ein Interesse daran, die alten Straßen so lange zu verwenden, wie es irgend geht, und so viele Autos wie möglich darauf fahren zu lassen, um den Profit zu maximieren. „Für die Nutzer ist es aber viel besser, die einzelnen Zuständigkeiten sauber voneinander trennen“, sagt Domscheit-Berg.
Übertragen aufs Internet heißt das: Kommunen sollen die Infrastruktur stellen, die Leitungen. Ein Unternehmen ist für den Netzbetrieb zuständig, etwa ein Stadtwerk. Wollen Service-Provider ihre Dienste anbieten, müssen sie dafür über einen digitalen Marktplatz gehen – ein neuer Akteur in der Kette, den die Domscheit-Bergs selbst anbieten wollen. Weil der Marktplatz die Angebote bündelt, so die Idee, soll die Konkurrenz unter den Anbietern zunehmen und für die Nutzer in Form von sinkenden Preisen und wegfallenden Kündigungsfristen spürbar sein. Das Geld, das der Nutzer für seinen Internetanschluss zahlt, ginge dann nicht mehr allein an den Service-Provider. Prozentuale Anteile sollen auch an die Kommune, an den Netzbetreiber und den Marktplatz fließen. Sobald die Kommune den Kredit für den Netzausbau abgezahlt hat, würde sie damit Gewinn machen, so die Idee.
Stephan Albers vom Branchenverband Breko, der zahlreiche Telekom-Konkurrenten vertritt, hält das Modell für realistisch. „Von der Konzeption ist das genau das, was wir im Moment brauchen.“ Er lobt, dass die Unternehmer auf Glasfaser setzen wollen, das sei eine „zukunftssichere Infrastruktur“, und dass es eine Wettbewerbssituation gibt, statt auf eine Kooperation mit einem Anbieter zu setzen. „Und in kleinen Städten und dünn besiedelten Gebieten ist die Not groß.“
Auch dass es, obwohl mehr Akteure involviert sind, am Ende für den Kunden billiger werden soll, hält Albers für möglich. „Die Tiefbaukosten sind der größte Posten beim Netzausbau“, sagt er. Würden sich die Kommunen selbst um den Ausbau kümmern, ließe sich viel sparen: Einerseits, weil man das Knowhow sowieso in der Kommune habe. Andererseits dadurch, dass man mehrere Arbeiten zusammenlegt – etwa das Verlegen von Kabel mit dem Erneuern von Wasserleitungen.
Das Geld reicht vielerorts nicht
Ralph Sonnenschein, der sich beim Deutschen Städte- und Gemeindebund um das Thema Breitbandausbau kümmert, ist deutlich skeptischer. „Wir können kein schwedisches Modell eins zu eins nach Deutschland importieren.“ Durch die dichte Besiedlung stießen die Kommunen in Deutschland aneinander, daher müsste man sie bei einem Ausbau bündeln, und das würde vieles verkomplizieren. Doch auch die Finanzierung sei ein Problem.
„Das Geld in den kommunalen Haushalten reicht vielerorts nicht mal aus, um die bestehende Infrastruktur zu erhalten.“ Und dazu zählten nicht nur Straßen oder Telefonleitungen, sondern etwa auch Schulgebäude – dementsprechend gebe es für die Kommunen andere Prioritäten. Zwar können die Kommunen günstige Kredite bekommen, etwa von der KfW. „Aber die Erfahrungen mit Wirtschaftlichkeitsberechnungen sind schlecht.“ Wer sage etwa, dass tatsächlich ausreichend Bewohner in einer Kommune Interesse an schnellem Internet haben?
Dass eine bessere Breitbandversorgung nötig ist, das findet auch Sonnenschein – nur mit einer anderen Finanzierung. „Der Bund müsste viel mehr Geld in die Hand nehmen.“ Der sei schließlich für eine grundlegende Telekommunikationsversorgung zuständig. Schnelles Internet – und da ist er von den Domscheit-Bergs nicht weit entfernt, das gehöre längst dazu.
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