Internationaler Strafgerichtshof: Sahel-Putschisten kehren Weltjustiz den Rücken
Mali, Niger und Burkina Faso erklären den Austritt aus dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Der hat bereits Prozesse zu Mali geführt.

Mali wird seit 2020 vom Militär regiert, Burkina Faso seit 2022 und Niger seit 2023. Die drei Regierungen haben eine Konföderation namens „Allianz der Sahel-Staaten“ (AES) ins Leben gerufen, sämtliche Truppen westlicher Staaten sowie UN-Missionen aus ihren Ländern geworfen und zunehmend enge Militärkooperationen mit Russland eingeleitet, um islamistische Rebellen zu bekämpfen.
Mali war dem Rom-Statut im Jahr 2000 beigetreten, Niger 2002 und Burkina Faso 2004. In Mali ist der Internationale Strafgerichtshof – der weltweit für die Verfolgung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in seinen Mitgliedstaaten zuständig ist, sofern deren Justiz dies nicht selbst tut – seit 2013 tätig, auf Bitten der damaligen Regierung des Landes. 2012 hatten erst Tuareg-Separatisten und dann islamistische Rebellen die Kontrolle über den Norden Malis errungen und nur eine massive französische Militärintervention stoppte sie im Jahr 2013.
Zwei hochrangige Führer der islamistischen Gruppe Ansar Eddine wurden seither in Den Haag verurteilt, vor allem wegen Verbrechen während ihrer Kontrolle über die Stadt Timbuktu, wo Frauen unterdrückt und alte Kulturgüter zerstört wurden. Der einstige Tuareg-Rebellenführer Iyad Ag Ghaly wird vom IStGH mit Haftbefehl gesucht; er führt mittlerweile die stärkste islamistische Rebellengruppe JNIM (Gruppe für die Unterstützung des Islams und der Muslime) in Mali an.
„Instrument der neokolonialen Repression“
In ihrer Erklärung werfen die drei Regierungen dem Gerichtshof vor, er habe sich „in ein Instrument der neokolonialen Repression im Dienst des Imperialismus verwandelt“. Man wolle jetzt die volle Souveränität ausüben und „eigene Mechanismen zur Konsolidierung von Frieden und Gerechtigkeit“ anwenden.
Der Austritt erfolgt nur einen Tag nach den Feierlichkeiten in Mali zum 65. Jahrestag der Unabhängigkeit am 21. September 1960. Formal gesehen tritt er nicht sofort, sondern erst nach einem Jahr in Kraft, und auch danach behält theoretisch der Gerichtshof weiter seine Zuständigkeit für Vorgänge vor dem Austritt. Faktisch jedoch dürfte nun die Zusammenarbeit zwischen Den Haag und Bamako enden, während sich aus Mali Berichte über Übergriffe der Armee und ihrer russischen Verbündeten gegen die Zivilbevölkerung häufen.
Der malische Analyst Séga Diarrah befürchtet jetzt ein „zunehmendes Risiko von Straflosigkeit für Verbrechen bewaffneter Gruppen sowie der staatlichen Streitkräfte“ und mahnt: „Die Opfer verlieren einen internationalen Weg, sich Gehör zu verschaffen.“
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