Internationaler Strafgerichtshof: „Terminator“ vor dem Weltgericht
Der berüchtigte Warlord Bosco Ntaganda muss sich ab Mittwoch in Den Haag für Kriegsverbrechen im Kongo verantworten.
Ntaganda ist angeklagt wegen Kriegsverbrechen in 13 Fällen, darunter Rekrutierung von Kindersoldaten, Verbrechen gegen die Menschlichkeit in fünf Fällen, darunter Vergewaltigung und sexuelle Versklavung. Diese Gräueltaten soll er laut Anklage in seiner Funktion als stellvertretender Stabschef der Miliz FPLC (Patriotische Kräfte zur Befreiung des Kongo) in Ostkongos Provinz Ituri während der Jahre 2002 und 2003 angeordnet haben.
Den ersten Haftbefehl gegen Ntaganda hatte das Weltgericht 2006 ausgestellt. Damals wurde er nur der systematischen Rekrutierung von Kindersoldaten beschuldigt. Die FPLC war der militärische Flügel der UPC (Union Kongolesischer Patrioten), der Thomas Lubanga als Präsident vorstand. Die UPC war eine der Kriegsparteien während des ethnischen Bürgerkrieges zwischen den Volksgruppen der Lendu und Hema von 1999 bis 2003 in Ituri, in dem über 60.000 Menschen starben.
Lubanga wurde bereits 2012 vom IStGH wegen der Rekrutierung von Kindersoldaten zu 14 Jahren Haft verurteilt. Ntaganda war Mitangeklagter im Lubanga-Verfahren, doch er befand sich noch auf freiem Fuß. 2012 wurden die Anklagepunkte gegen den „Terminator“ in einem neuen Haftbefehl auf weitere Kriegsverbrechen ausgeweitet.
Einer der spektakulärsten Fälle
Der Fall Ntaganda gilt als einer der spektakulärsten in der langen Reihe kongolesischer Kriegsherren, die seit der Gründung des Strafgerichtshofes auf der Anklagebank saßen. Während die Staatsanwälte in Den Haag seinen Haftbefehl formulierten, wütete Ntaganda von 2006 an als Stabschef der Tutsi-Rebellen des CNDP (Nationalkongress zur Volksverteidigung) in den Kivu-Provinzen Ostkongos. Infolge eines Friedensvertrags mit Kongos Regierung wurde Ntaganda 2009 oberster Armeekommandant im Ostkongo. Jahrelang war er der mächtigste Mann in der Provinzhauptstadt Goma, trotz internationalem Haftbefehl.
Seine nunmehr regulären Armeeeinheiten begingen in den folgenden Jahren grausame Verbrechen an der lokalen Bevölkerung. Immer wieder übten Menschenrechtsgruppen und die internationale Gemeinschaft Druck auf Kongos Regierung aus, Ntaganda zu verhaften und an den Strafgerichtshof nach Den Haag zu überstellen. Als Präsident Joseph Kabila bei einem Besuch in Goma 2012 eine mögliche Verhaftung des Generals in einer Rede erwähnte, desertierte dieser mit seinen Truppen und brach erneut eine Rebellion vom Zaun.
Ihm folgten die Tutsi-Truppen des in die Armee integrierten CNDP und gründeten die M23 (Bewegung des 23. März) unter Sultani Makenga. Durch die Desertationswelle brach die Kommandogewalt in Kongos regulärer Armee zusammen, die M23 eroberten in wenigen Wochen gewaltige Landstriche entlang der Grenzen zu Ruanda und Uganda und schließlich auch die Millionenstadt Goma, die sie elf Tage lang besetzten.
Die US-Botschaft war baff
Im März 2013 kam es zu Reibereien zwischen Ntaganda und Makenga. Ihre jeweiligen Kämpfer gingen aufeinander los. Makengas Fraktion gewann die tagelangen Gefechte. Aus Angst, getötet zu werden, machte sich Ntaganda heimlich aus dem Staub.
Ntaganda schlich sich über die Grenze in sein Heimatland Randa und fuhr mit einem Motorrad, sein weltweit bekanntes Gesicht unter dem Helm versteckt, in Ruandas Hauptstadt Kigali. Dort klingelte er bei an der amerikanischen Botschaft an der Pforte. Er wolle sich freiwillig stellen und nach Den Haag ausgeliefert werden, erklärte er dem Wachpersonal.
Die Botschaftsangestellten waren baff. Es dauerte über eine Stunde bis er eingelassen wurde. Die USA erklärten sich bereit, ihn an den Internationalen Strafgerichtshof auszuliefern. In Kigali kratzten westliche Botschafter Geld zusammen, um ihn nach Den Haag auszufliegen. Dort wurde im Juni 2014 die Anklage bestätigt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Aktionismus nach Magdeburg-Terror
Besser erst mal nachdenken
Deutungskampf nach Magdeburg
„Es wird versucht, das komplett zu leugnen“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Titel Thesen Sexismus
Warum Thilo Mischke nicht TTT moderieren sollte