piwik no script img

Internationaler StrafgerichtshofAfrika gegen das Weltgericht

Afrikanische Staaten fordern Immunität für amtierende Amtsinhaber. Damit stellen sie einen Grundpfeiler der internationalen Strafjustiz infrage.

Drängt auf Änderungen im internationalen Strafrecht: Uhuru Kenyatta (links). Bild: ap

BERLIN taz | Auf der Jahresversammlung der Mitgliedstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag hat am Donnerstagnachmittag eine außerordentliche Debatte über die Abschaffung eines Grundpfeilers der internationalen Strafjustiz begonnen.

Auf Antrag Kenias, unterstützt von der afrikanischen Staatengruppe, soll die Möglichkeit der Strafverfolgung amtierender Staats- und Regierungschefs und ihrer Stellvertreter aus dem Rom-Statut gestrichen werden.

Der Streit über eine mögliche Immunität für amtierende Amtsinhaber hat sich zu einem Zankapfel zwischen Afrika und dem IStGH entwickelt. Das Den Haager Weltgericht hat in den elf Jahren seines Bestehens ausschließlich in Afrika gearbeitet.

Die Sieger der letzten Präsidentschaftswahl in Kenia, Präsident Uhuru Kenyatta und sein Vize William Ruto, sollen beide in Den Haag vor Gericht – der Prozess gegen Ruto hat bereits begonnen, der gegen Kenyatta wurde kürzlich auf Februar 2014 vertagt.

Im Oktober hatte die Afrikanische Union (AU) beschlossen, auf eine Immunitätsklausel im Rom-Statut hinzuwirken. Der AU-Konsens ist, dass es ungerecht sei, afrikanische Staatschefs bevorzugt vor Gericht zu stellen, bloß weil afrikanische Länder sich bereitwillig dem Rom-Status angeschlossen hätten.

Mehrheit gilt als sicher

Ein von Ruanda im Namen der AU eingebrachter Resolutionsentwurf im UN-Sicherheitsrat, die Kenia-Prozesse um ein Jahr zu verschieben, scheiterte am vergangenen Freitag knapp, mit sieben Ja-Stimmen und acht Enthaltungen, aber keiner einzigen Nein-Stimme. Russland und China hatten sich auf Seite der AU gestellt. Kenias Außenministerium hatte hinterher dem Sicherheitsrat vorgeworfen, „den Kontinent und seine Führer erniedrigt“ zu haben.

Die meisten Menschenrechtsorganisationen in Afrika sind gegen eine Immunitätsklausel, aber sie stößt auf heimliche Sympathie bei Regierungen auch außerhalb Afrikas. Eine Mehrheit für Kenias Antrag galt in Den Haag dennoch als unwahrscheinlich.

In der Generaldebatte am Vormittag betonten zahlreiche Redner, es sei wichtig, den Kampf gegen Straflosigkeit nicht zu verwässern. Der richtige Weg, um Afrikas Eindruck einer Benachteiligung entgegenzutreten, sei, dass alle Staaten der Welt dem Gerichtshof beitreten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Der kenianische Präsident Uhuru Kenyatta ist ein echter Unsympath und ein Verbrecher. Um an die Macht zu kommen, hat er einen „Trick“ benutzt, der in der europäischen Geschichte schon Tradition hat. Er machte die Minderheits-Ethnien für die desolate Lage des Landes verantwortlich und hetzte die Mehrheits-Ethnie auf sie. Im Ergebnis wurden rund 1.500 Menschen getötet und rund 250.000 Menschen vertrieben. Natürlich gehört dieser Mann vor den Internationalen Strafgerichtshof. Problematisch ist jedoch, dass Kenyatta sich in „bester“ Gesellschaft befindet. Die USA, Russland und Israel haben das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs zwar unterzeichnet aber nicht ratifiziert. Staaten wie China, Pakistan, Indien und die Türkei haben das Statut noch nicht einmal unterzeichnet. Es ist vollkommen klar, dass Entwicklungsländer dies als Zwei-Klassen-Justiz wahrnehmen. Quelle NDS

  • HB
    Harald B.

    Die Afrikaner haben im Kern RECHT: Der IGH in den Haag ist zum politischen Instrument verkommen. Während Kriegstreiber und Verbrecher aus Afrika verfolgt werden und dabei auch politsche Unbequeme ins Visier geraten (z.B. Gaddafi), hat der Gerichtshof kein einziges Verbrechen des Westens und seiner Verbündeten aufgearbeitet. Die Kriege im Irak und in Lybien sind nicht bewältigt, der Lynchmord an Gaddafi und seinem Sohn oder der Mord an Lumumba- also Verbrechen, bei denen Hauptverantwortliche, Schuldige oder Auftraggeber im Westen zu finden sind.

    Das angestrebte Verfahren gegen Kenias Präsident halte ich für eine Farce.

    • P
      PeterWolf
      @Harald B.:

      Ist schon schwierig zu begründen, wenn ausgerechnet Amerika eher eine Atomangriff auf Den Haag ausführt, als sich dem IStGh zu unterwerfen.