Internationaler Handel mit Ostafrika: Der schlafende Goldesel
Berbera in Somaliland war einst wichtiger Hafen im Handel zwischen Asien, Afrika und Europa. Nun soll er mit viel Geld aus Dubai neu belebt werden.
Einst war Berbera eine lebendige Handelsstadt, die Kaufleute von der Arabischen Halbinsel und Europa anzog, von den Scherifen von Mekka besetzt war, unter ägyptischer Herrschaft stand und schließlich Hauptstadt des Protektorats Britisch-Somaliland wurde, als dieses nicht mehr von Indien aus verwaltet wurde.
An diese Zeiten, in denen die Stadt für das ganze Horn von Afrika von Bedeutung war, erinnert Ahmed Farah Awad. Der 27-Jährige arbeitet nebenberuflich als Stadtführer und zeigt das jüdische Viertel. In einem Land, in dem der Islam Staatsreligion und Konvertieren zu einer anderen Religion verboten ist, gehört viel Fantasie dazu, sich vorzustellen, dass hier einst eine Synagoge stand. Doch finden sich versteckt in Häusern, die einst der jüdischen Bevölkerung gehörten, in Wände gemeißelte Lebensbäume als letzte Spuren.
Ahmed Farah Awad betont: „Berbera ist die Verbindung zwischen Asien und Afrika. Deswegen ist die Stadt so wichtig.“
Jetzt soll Berbera wieder zur Drehscheibe des Handels am Horn von Afrika werden. Ein Name ist überall präsent: DP World. Das Unternehmen hat seinen Hauptsitz in den Vereinigten Arabischen Emiraten, es erweitert und betreibt nach eigenen Angaben Häfen und Freihandelszonen in 64 Ländern, davon 12 auf dem afrikanischen Kontinent.
Somaliland lebt vom Import
2016 schlossen Somalilands Regierung – das einstige britische Protektorat, das sich nach der Unabhängigkeit 1960 mit Somalia zusammengeschlossen hatte, spaltete sich nach einem Bürgerkrieg 1991 wieder ab und ist seitdem eigenständig, aber nicht international anerkannt – und DP World einen Vertrag. Der Hafenlogistiker investiert 442 Millionen US-Dollar in Ausbau und Modernisierung des Hafens von Berbera und erhält dafür eine Konzession zum Hafenbetrieb über 30 Jahre mit automatischer Verlängerung von 10 Jahren.
Zum Ausbau gehören die Vertiefung des Hafenbeckens sowie die Verlängerung des Hafendamms um 400 Meter, die 2021 abgeschlossen wurde. Das ist der Arbeitsplatz von Schichtleiter Mohamed Atteye. Er beaufsichtigt, wie die Container des Frachters AS Alva abgeladen werden, der unter liberianischer Flagge fährt und gerade aus dem saudischen Dschidda am Roten Meer gekommen ist. Möglich machen das drei neue Kräne. Die Arbeit verläuft zügig und effizient, neben AS Alva warten Lastwagen in einer Schlange, um die Container an ihre Zielorte zu fahren.
Für Attaye ist das eine echte Errungenschaft. „Früher mussten wir Schiffskräne nutzen“, sagt er. Pro Stunde wurden 7 Container abgeladen, heute 30. Auch ist die Arbeit sicherer. Atteye erinnert sich an Unfälle mit Knochenbrüchen bis hin zu Todesfällen. Er erwartet, dass der Ausbau weitergeht. Mehr Kräne sollen kommen, der Hafendamm wird noch verlängert.
Zahlreiche Frachter kommen von der Arabischen Halbinsel mit Baumaterial und Nahrungsmitteln, sagt Atteye. Somaliland lebt von der Viehwirtschaft und hat weder eigene Industrie noch nennenswerte Landwirtschaft. Alles muss eingeführt werden.
Hoffen auf neue Freihandelszone
Somalilands größter Importeur ist nach eigenen Angaben die Ommar International Company. Manager Ahmed Masri steht vor seinem offenen Lagerhaus. Bis unter die Decke stapeln sich 50-Kilo-Säcke mit Zucker aus Indien und Brasilien. Auch Weizenmehl, Palmöl sowie Seife werden zwischengelagert. Vor einer anderen Halle entladen gerade Tagelöhner einen Lkw. Pro Tag arbeiten hier 200 „Kulis“, wie Masri sie nennt. Dazu kommen 10 Angestellte.
Nur 40 Prozent der Waren in Berbera bleiben in Somaliland. „60 Prozent gehen nach Äthiopien“, so Masri. Das Nachbarland hat knapp 120 Millionen Einwohner, aber keinen eigenen Zugang zum Meer. Dschibuti ist der wichtigste Hafen für Äthiopien, aber Ahmed Masri hofft, dass künftig über Berberas Hafen ganz Ostafrika versorgt wird, bis hinunter nach Tansania. Dafür soll die neue Freihandelszone sorgen, in der Omaar International eine weitere Lagerhalle betreiben will. „Wir haben schon unsere Bewerbung abgegeben.“
In der neuen Freihandelszone, einem 50 Hektar großen Areal außerhalb der Stadt, sind bereits 20 Einheiten mit je 500 Quadratmetern bezugsfertig. Es gibt eine Tankstelle und ein Verwaltungsgebäude. Bagger, ein grüner Baukran und große Quader mit grauen Pflastersteinen deuten darauf hin, dass noch einiges zu tun ist. „Wir sind fertig“, sagt jedoch Joseph Oguta. Der Kenianer leitet die Freihandelszone, die ebenfalls von DP World betrieben wird. „Wir sind eine Familie“, so Oguta.
Die Freihandelszone ist ein weiterer Baustein, um Berbera wieder zur internationalen Drehscheibe zu machen, und gleichzeitig das Verbindungsstück zwischen Hafen und Zielmarkt. Sie zu nutzen soll sich lohnen: Sind Waren für den Export in die Nachbarländer bestimmt, müssen keine Steuern in Somaliland bezahlt werden. DP World betont außerdem, dass Arbeitsplätze entstehen. Von mehr als 2.750 ist die Rede – nicht wenig für ein Land mit 3,5 Millionen Einwohnern.
Nicht nur die Infrastruktur in Berbera ist zentral für das Großprojekt, sondern auch die neu ausgebaute Überlandstraße in die Hauptstadt Hargeisa. Sie liegt auf dem Weg nach Äthiopien. Damit sich die Lkws nicht mehr durch enge, löchrige Straßen quälen müssen, erhält Hargeisa gerade eine 22,5 Kilometer lange Umgehungsstraße.
Retourkutsche gegen Dschibuti
Der Hafenausbau ist auch eine Botschaft an das Nachbarland Dschibuti. Auf der Homepage des dortigen Hafens steht, dass seit 1998 100 Prozent des äthiopischen Seeverkehrs über diesen abgewickelt würde; andere Schätzungen gehen von 90 bis 95 Prozent aus. Somaliland will einen Teil davon abzwacken.
Gleichzeitig kann der Ausbau von Berbera als Retourkutsche von DP World gegen Dschibuti gewertet werden. Seit 2012 streitet das Unternehmen nämlich vor Gericht mit Dschibutis Staat um den Containerterminal Doraleh, eine Erweiterung des Hafens von Dschibuti, dessen Konzession DP World 2018 von der Regierung entzogen wurde.
Berbera bleibt. Für Hafenlogistiker DP World ist das auch deshalb lukrativ, weil das Unternehmen aus Dubai 65 Prozent der Anteile hält und der somaliländische Staat nur 35 Prozent. Äthiopien, zwischenzeitlich als Anteilseigner im Gespräch, zog sich zurück. Somalilands Finanzminister Saad Ali Shire bezeichnet den Hafen als Somalilands Goldesel. Als Planungsminister trieb er 2016 den Deal mit DP World selbst voran.
Dabei stammen bis zu 75 Prozent der Staatseinnahmen Somalilands – der Staatshaushalt des Landes beträgt rund 350 Millionen US-Dollar – aus Zöllen. Von den Zolleinnahmen entfallen 85 Prozent auf den Hafen, so der Minister. Diese Einnahmen werden zukünftig nun also zu 65 Prozent an DP World gehen.
Warum zieht Somalilands Goldesel in einen anderen Stall? Über diese Frage schmunzelt der Minister. Der Hafen sei noch immer ein Joint Venture, und sobald ein Schiff anlegt, erhebt die Hafenbehörde eine Abgabe. Beim Abladen entsteht eine Bearbeitungsgebühr, von der Somaliland 10 Prozent erhalte. „Je mehr Güter anlanden, desto mehr verdienen wir“, gibt er sich optimistisch. Dass DP World oder Dubau ihren Einfluss auch politisch missbrauchen, davon will der Minister nicht ausgehen. „Es handelt nicht nicht um eine Supermacht wie China. Außerdem haben wir Vertrauen.“
In Berbera gibt sich auch Manager Ahmed Masri hoffnungsvoll. Auf die Stadt kommen gute Zeiten zu, glaubt er: „Das Geschäft wird wachsen. Alles wird wachsen.“
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