"Intelligentes Stromnetz" für Pellworm: Batteriebetrieben unabhängig
Hochleistungsspeicher wider die Schwankungen von Sonnen- und Windstrom: Mit einem jetzt an den Start gehenden „intelligenten Stromnetz“ will Pellworm seine Fortschrittlichkeit unterstreichen. Dass sich die Verhältnisse auf der Nordseeinsel ohne Weiteres übertragen lassen, wird aber bezweifelt.
Die Nordseeinsel Pellworm wird autark, zumindest bei der Energieversorgung: Sein eigenes, erklärt intelligentes Stromnetz nimmt das 37 Quadratkilometer große Eiland am heutigen Montag in Betrieb – das erste seiner Art in Norddeutschland. Lokal erzeugter Strom aus regenerativen Quellen soll zukünftig besser gespeichert werden – einer der Knackpunkte bei der Selbstversorgung mit CO2-neutraler Energie.
Denn Wind und Sonne liefern dann Strom, wenn die Natur es will. Dadurch kommt es zu Schwankungen in der Energieversorgung. Dieses Problem will das Leuchtturmprojekt „Smart Region Pellworm“ angehen. Mit im Boot ist einer der großen Energiekonzerne: Eon Hanse hat auf der Insel zwei Hochleistungsbatterien aufgestellt, die als Speicher dienen. „Die sind so groß wie Schiffscontainer“, sagt Ove Struck, Unternehmenssprecher. Außerdem wurden viele Haushalte zusätzlich mit dezentralen Speichern ausgestattet. Überschüssige Energie soll dort hineinfließen – und bei der nächsten Flaute können die rund 1.000 Inselbewohner damit versorgt werden. Dass die Insel weiterhin durch zwei Seekabel mit dem Festland verbunden bleibt, ist erklärtermaßen eine Sicherheitsmaßnahme.
In Sachen erneuerbare Energien war Pellworm anderen Regionen schon immer einen Schritt voraus: Bereits 1983 wurde auf der kleinen Insel eines der damals größten Solarfelder Europas gebaut. Sechs Jahre später wurde es zu einem der größten Hybridkraftwerke Europas erweitert: Es erzeugt Strom aus Sonnen- und Windenergie, in wechselnden Anteilen. Dazu kommen zahlreiche Windräder und eine Biogasanlage. Fast alle Privathäuser haben Solarpanels auf dem Dach. Das Ergebnis: Pellworm erzeugt heute drei Mal mehr Strom, als die Bewohner selbst verbrauchen.
Das mache die Insel zum optimalen Standort, um ein intelligentes Stromnetz aufzubauen, sagt Konzernsprecher Struck. Hinzugekommen seien die breite Zustimmung der Bürger und die abgeschlossene Infrastruktur. Das Konzept haben Eon Hanse und die Schleswig Holstein Netze AG gemeinsam mit WissenschaftlerInnen der Fachhochschule West und dem Fraunhofer Anwendungszentrum Systemtechnik erarbeitet. Vor zwei Jahren veröffentlichte man eine Machbarkeitsstudie, seitdem wurde getüftelt und getestet. Und nun soll es endlich auch offiziell losgehen.
„Smart Region Pellworm“ kostet knapp 10 Millionen Euro, rund 4,1 Millionen Euro schießt das Bundesumweltministerium zu. Das Bündnis hofft, ein Konzept entwickelt zu haben, das auf andere Regionen übertragbar ist. „Wir wollen im Kleinen erproben“, sagt Struck, „was vielleicht im Großen möglich ist.“
Ausgerechnet aus dem Berliner Ministerium kommen aber auch kritische Töne: Selbstversorgung lohne sich für Gemeinden nur selten – das ist das Ergebnis einer Untersuchung, die ebenfalls heute veröffentlicht wird und aus der Spiegel Online vorab zitierte. Zwar könnten Haushalte in ländlichen Regionen allein durch Energie aus Solar- und Windenergie versorgt werden, kämen jedoch Industrie und Gewerbe dazu, seien die Kosten für die Speicherung nicht mehr wirtschaftlich. Und in städtischen Regionen sei schon die Bevölkerungsdichte ein Problem. Besser sieht es demnach für Regionen aus, die zusätzlich über Wasser-, Biogas- und Geothermiekraftwerke verfügen.
Pellworm ist die drittgrößte nordfriesische Insel im Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer.
Etwa 1.000 Menschen leben ständig auf einer Fläche von rund 37 Quadratkilometern.
Wichtigste Wirtschaftszweige sind Tourismus, Landwirtschaft - und erneuerbare Energien.
Der Stromverbrauch der Insel beträgt etwa sieben Gigawattstunden im Jahr. Windräder und Solarpanels, ein Hybridkraftwerk sowie eine Biogasanlage erzeugen rund 22 Gigawattstunden - aber nicht immer dann, wenn er gebraucht wird.
Das intelligente Stromnetz mit seinen Hochleistungsspeichern soll dafür sorgen, dass die Insulaner sich künftig mit Strom selbst versorgen und überschüssige Energie ans Festland liefern.
Jochen Flasbarth, Chef des Umweltbundesamts kommt zu dem Schluss, dass lokale Autarkie als Konzept zwar in Einzelfällen und unter günstigen Bedingungen umsetzbar sei – aber eben kein „Ansatz für eine tragfähige regenerative Energieversorgung ganz Deutschlands“.
Und nicht mal Eon-Hanse-Sprecher Struck hält komplette Selbstversorgung für möglich: „Die Illusion, dass eine ganze Kommune autark ist, ist Quatsch.“ Als Stromnetzbetreiber brauche man eine gleichmäßige Erzeugung, um das Risiko eines Stromausfalls auszuschließen.
Die zusätzliche Einspeisung von erneuerbaren Energien stelle da für die Netzbetreiber eine besondere Herausforderung dar. „Unsere zukünftige Aufgabe besteht darin“, so Struck, „das fragile Gleichgewicht der Stromnetze zu halten und Schwankungen abzufedern.“
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