Integrationspolitik in Berlin: Wie normal ist das denn?

Neukölln hat ein neues Integrationskonzept vorgestellt, das wegweisend sein will, indem es Integration zum Normalfall erklärt.

Ist stolz auf die „multikulturelle Großstadt“ Neukölln: Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) im Gebetsraum der Bosniakischen Islamischen Gemeinde (in Kreuzberg) Foto: dpa

Neukölln will wieder einmal Vorbild sein in Sachen Integration. Seit vor 12 Jahren Stühle flogen an der Rütli-Schule und die Lehrer daraufhin einen „Brandbrief“ schrieben, der bundesweit für Aufsehen sorgte, ist der Bezirk bemüht, die These „Multikulti ist gescheitert“ zu widerlegen. Vielgelobte Projekte wie die Stadtteilmütter wurden entwickelt, reichlich Fördergelder (von Land, Bund und EU) in die Hand genommen. Im Vergleich zu anderen Kommunen, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen, habe man daher heute „einen enormen Erfahrungsvorsprung“, erklärt Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) im neuen Integrationskonzept des Bezirks, das am Dienstag vorgestellt wurde.

Die wichtigste Botschaft des Konzepts, das „Orientierung für andere Kommunen und Städte“ bieten soll, indem es einen Überblick gibt über die bezirkliche Arbeit auf diesem Feld: Integration ist die Befähigung zu echter Teilhabe an der Gesellschaft. „Und zwar als Standard“, wie ­Hikel betonte. „Darum muss Integration Normalität sein, nichts Besonderes mehr“, so wie es nichts Besonderes sei, dass viele Menschen im Bezirk einen Migrationshintergrund haben.

Doch was bedeutet es konkret, „dass Integration am besten gelingt, wenn sie als Normalität gilt“, wie es im Konzept heißt? Basis aller Integration, so Hikel dann doch wieder ganz altmodisch, „sind Bildung und finanzielle Unabhängigkeit“. Wichtig seien daher nach wie vor Projekte, die das Schulschwänzen bekämpfen, „notfalls bis zum Bußgeldverhängen“. Auch müssten die gebundenen Ganztagsschulen weiter ausgebaut werden, so Hikel – dies sei auch wichtig, „wenn Eltern nicht mitziehen“.

In diesem Zusammenhang forderte der Bezirksbürgermeister auch eine Reduzierung der Pflichtstunden für Lehrer, damit diese mehr Zeit für die Vorbereitung ihres Unterrichts haben, der in heterogenen Klassen besonders schwierig sei. „Die härtesten Kieze brauchen die besten Schulen“, sagte er. Um dem Pro­blem zu begegnen, dass nach wie vor manche Kinder nicht genügend Deutsch können, wenn sie in die Schule kommen, sprach er sich perspektivisch – „wenn der Personalbedarf an Erziehern gedeckt ist“ –, zudem für eine Kitapflicht aus. Ob für ein oder zwei Jahre, darüber sei dann noch zu reden.

Grenzen der Integration

Die Idee der „Integration durch Normalität“, wie das neue Konzept überschrieben ist, hat für Hikel allerdings auch Grenzen. Befragt nach seiner Meinung zum jüngsten Urteil des Landesarbeitsgerichts, das am Dienstag erneut einer Lehrerin mit Kopftuch Entschädigung zugesprochen hatte, weil sie vom Land nicht eingestellt worden war, erklärt der Bezirksbürgermeister, er halte das Urteil für „nicht richtig“. Er höre vielfach an Schulen, dass auf muslimische Schülerinnen, die kein Kopftuch tragen, enormer Druck ausgeübt werde. Das würde sich verstärken, wenn es an den Schulen Lehrerinnen mit Kopftuch gäbe, erklärte Hikel. „Es gibt Prinzipien wie die weltanschauliche Neutralität des Staates, daran müssen wir festhalten.“ Daran ändere auch der akute Bedarf an mehr LehrerInnen nichts.

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