Integrationsdebatte in der Regierung: Wer sich anstrengt, darf bleiben
In dieser Woche werden die Verschärfungen des Ausländerrechts im Bundestag beraten. Die schwarz-gelbe Koalition findet das Paket "ausgeglichen".
BERLIN taz | Union und FDP verteidigen die anstehenden Änderungen im Ausländerrecht gegen Kritik aus der Opposition. Es gebe keine Wende in der Ausländerpolitik der Koalition, sondern nur eine "logische Weiterentwicklung" bestehender Regelungen, sagte der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl. Als "ausgeglichen" bezeichnete Hartfrid Wolff (FDP) das Gesetzespaket, das am Montag Gegenstand einer Sachverständigenanhörung war und noch in dieser Woche in Innenausschuss und Bundestagsplenum abschließend beraten werden soll.
Im Gesetz zur Bekämpfung der Zwangsheirat wird an verschiedenen Stellschrauben des Ausländerrechts gedreht. Neben der Schaffung eines eigenständigen Straftatbestands gegen Zwangsheirat soll es ein Wiederkehrrecht für Frauen geben, die gegen ihren Willen im Ausland verheiratet wurden, zuvor aber in Deutschland gut integriert waren. Außerdem will die Koalition gegen Scheinehen vorgehen, indem die Mindestbestandszeit einer Ehe, die ein eigenständiges Aufenthaltsrecht des ausländischen Ehepartners im Fall einer Scheidung begründet, von bislang zwei auf jetzt drei Jahre erhöht wird.
Experten kritisieren diesen Vorstoß. Er sei unverhältnismäßig und führe zu einer "Verschlechterung der Situation für von Gewalt betroffenen Mädchen und Frauen", erklärte der Verband binationaler Familien und Partnerschaften.
Zuspruch erhält die Koalition für die vorgesehene Änderung des Bleiberechts für Jugendliche, die bislang mit einer Duldung in Deutschland leben. Sind diese "gut integriert" - konkret heißt das Schulbesuch über sechs Jahre oder der Erwerb eines Schulabschlusses -, sollen sie mitsamt den Eltern eine Aufenthaltserlaubnis erhalten.
Am meisten Widerspruch erntete die Koalition aber für ihren Plan, Neuzuwanderern die Aufenthaltserlaubnis nur befristet zu verlängern, solange diese ihren Integrationskurs nicht erfolgreich abgeschlossen haben. Das Bestehen des Sprachtests sei dafür aber keine Bedingung, sagte der CDU-Innenexperte Reinhard Grindel. "Derjenige, der sich bemüht, muss natürlich nicht fürchten, in seine Heimat zurückgeschickt zu werden", so Grindel. Neu sei allerdings, dass die Behörden in Zukunft verpflichtet seien, nach einem Jahr die Teilnahme an dem Kurs zu überprüfen. Schon bei der bisherigen Rechtslage sei eine unbefristete Niederlassungserlaubnis nur zu erlangen gewesen, wenn das erforderliche Sprachniveau erreicht wurde.
Mit dem neuen Passus könne man "Integrationsverweigerer schneller feststellen", sagte Grindel; zudem könne man endlich belastbarere Zahlen und Daten "über diejenigen, die sich beharrlich weigern, einen Kurs zu besuchen", erlangen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren