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Insulinanaloga nur für SelbstzahlerKrankenkassen sparen beim Insulin

Diabetiker bekommen nur noch Humaninsulin auf Kassenkosten. Für die schneller wirkenden Insulinanaloga ist kein Zusatznutzen nachweisbar. Keine Sonderregelung für Kinder geplant.

Die schneller wirkenden Insulinalago müssen Diabetiker demnächst selbst bezahlen. Bild: dpa

BERLIN taz Als Petra Mirkow* 21 Jahre alt war, fiel die Politikstudentin auf dem Weg zur Uni eines Tages einfach um. Ein Rettungswagen brachte die ohnmächtige Frau ins Klinikum, dort stellte man nach vielen Untersuchungen fest: Mirkow leidet an Diabetes.

Pharmablockade

Grundlage für die Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses ist die Auswertung der vorhandenen Studien über Insulinanaloga durch das unabhängige IQWiG-Institut. Als "nicht akzeptabel" kritisierte der Ausschussvorsitzende Rainer Hess, dass einzelne Hersteller Studien über mögliche Nebenwirkung von Analoga zurückgehalten hätten. Was daraus bekannt sei, lasse die Möglichkeit offen, dass die Mittel sogar schlechter sein könnten als Humaninsuline.

Bei der schon in der Kindheit auftretenden Typ-1-Diabetes zerstört der Körper die Zellen, die Insulin produzieren. Deshalb müssen tausende Menschen hierzulande zu jeder Mahlzeit Insulin spritzen: Etwa 25.000 Menschen unter 20 Jahren leiden an Typ-1-Diabetes, 200.000 Betroffene gibt es insgesamt.

Für sie hat der Gemeinsame Bundesausschuss aus Ärzten und Krankenkassen am Freitag Weitreichendes beschlossen. Künftig werden die gesetzlichen Krankenkassen sogenannte Insulinanaloga im Regelfall nicht mehr bezahlen. Diese Medikamente wirken schneller als das herkömmliche Humaninsulin - sind aber auch um bis zu 50 Prozent teurer. "Es gibt keine wissenschaftlichen Belege über einen Zusatznutzen der Insulinanaloga", sagte Rainer Hess, der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses. "Deshalb mussten wir im Interesse der Beitragszahler diese Entscheidung treffen, die ungerechtfertigte Mehrkosten vermeidet." Es geht um 15 Millionen Euro.

Gut die Hälfte der Typ-1-Diabetiker wird mit Insulinanaloga behandelt. Doch nicht allen droht nun eine Umstellung auf Humaninsulin. Wer in der Vergangenheit bereits damit behandelt wurde, ohne dass es zu einer Stabilisierung des Stoffwechsels kam, bekommt auch künftig die teureren Analoga auf Kosten der Kasse. Für Neuerkrankte aber wird es in der Regel Humaninsulin geben.

Petra Mirkow, die heute 42 Jahre als ist und als Pressesprecherin arbeitet, ist über die Entscheidung empört. Auch sie spritzt seit Jahren Insulinanaloga und hat gute Erfahrungen damit gemacht. "Vielleicht gibt es keinen medizinischen Zusatznutzen", sagt die Diabetikerin, "aber die Insulinanaloga haben mir einen großen Gewinn an Lebensqualität gebracht." Mirkow wurde bereits mit Humaninsulin behandelt und könnte deshalb zu jenen gehören, die weiter teure Insulinanaloga von der Kasse erstattet bekommen.

Mittelfristig könnte dies auch bei allen anderen Typ-1-Diabetikern der Fall sein. Vor zwei Jahren stoppte der Gemeinsame Bundesausschuss die Kostenübernahme für Insulinanaloga für die Typ-2-Diabetes - die viel weiter verbreitete Altersdiabetes. Um nicht auf den teuren Präparaten sitzen zu bleiben, gewährten die Pharmafirmen den Kassen so große Rabatte, dass die Analoga weiter erstattet wurden. Ähnliches erwartet Hess nun auch für die Medikamente zur Behandlung von Typ-1-Diabetes. *Name geändert

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3 Kommentare

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  • A
    Antonietta

    Der menschlichen Gesundheit ist der Fleischverzehr alles andere als zuträglich, enthält Fleisch doch übermäßig Fett und Cholesterin, dafür aber keine Kohlenhydrate und Ballaststoffe. Menschen, die tierische Produkte verzehren, tragen ein 10mal höheres Risiko, an einem Herzleiden zu erkranken, und ein um 40% höheres Krebsrisiko. Doch auch das Risiko für andere Krankheiten ist höher, so z.B. für Schlaganfall, Fettleibigkeit, Bliddarmentzündung, Osteoporose, Arthritis, Diabetes, Impotenz und Lebensmittelvergiftung.

  • S
    skeptiker

    @katsu

     

    Als Arzt ist es mir wichtig, auf das "individuelle Wohlbefinden" einzelner Patienten zu achten. Es wäre mir auch als Patient wichtig.

     

    Sie missverstehen die Evidenz-basierte Medizin: Integration aus klinischer Expertise, externer Evidenz UND den Vorstellungen des einzelnen Patienten ("patient values"). (Gesundheitsbezogene) Lebensqualität ist gewiss ein höchstrelevanter Endpunkt. Aber - und jetzt stelle ich mich wieder auf Ihre Seite - diese wurde für die Insulinanaloga nie valide untersucht. Das ist das Problem.

     

    Nebenbei: Studien zur Lebensqualität benötigen gewiss keine fünfstelligen Patientenzahlen!

     

    Fazit: Kein Zusatznutzen für das Gros der Patienten, also keine generelle Kostenübernahme durch die GKV. Ggf. Zusatznutzen für einzelne Patienten, Verordnung weiterhin möglich.

  • K
    katsu

    Das individuelle Wohlbefinden Einzelner darf bei der Medikamentenvergabe nur eine sehr eingeschränkte Rolle spielen. Das IQWIQ ist eine Institution, die streng nach den Vorgaben der Evidenz-Basierten-Medizin arbeitet und als solches unbestreitbar glaubwürdiger als subjektive Einzelmeinungen. Von neoliberaler Seite wird ständig für die weitere Privatisierung des Gesundheitsystems mit dem Argument der Kostenexplosion gehetzt. Und die Kostenexplosion findet tatsächlich statt -nur leider nicht, weil es zuviele Kranke oder Alte gibt, sondern wegen Vorgängen wie in diesem Artikel geschildert. Die Pharmaindustrie wirft ständig neue, überteuerte und gleichzeitig nicht benötigte Medikamente auf den Markt. Die Kassen müssen dieses Müll dann bezahlen und drohen unter den daraus entstehenden Kosten zu kollabieren. Insulinanaloga haben nachweislich keinen messbaren medizinischen Vorteil gegenüber Humaninsulin. Eine gegenteilige Einzelmeinung kann hier nicht von Belang sein -den eine solche ist nie evident. Kann die zitierte Einzelperson zweifelsfrei belegen, dass z.B. ein Placeboeffekt bei ihr auszuschließen ist? Der medizinische Bereich muss noch mehr als bisher strengsten wissenschaftlichen Richtlinien folgen. Wenn eine breit angelegte, langfristige Studie mit einer ausreichend hohen Zahl an Probanden (mind. 4-stellig, besser 5-stellig), die beide Wirkstoffe auf wissenschaftlichen Grundlagen vergleicht zum Ergebnis kommt, dass Analoga tatsächlich sinnvoller sind, dann erst ist auf die flächendeckende Vergabe dieser Stoffe umzustellen. Solange dies nicht geschehen ist, profitiert nur die Pharmaindustrie vom neuen Medikament und wir alle zahlen den Preis dafür über höhere Beiträge.