Institut soll in Leibniz-Gemeinschaft: Kriminologische Fernsehstars
Das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen kennen alle. Weil alle Medien bei ihm nachfragen, wenn es um Verbrechen geht.
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Überraschend viele miese Rezensionen hat das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) bei Google bekommen: „Kein Institut mit Glaubwürdigkeit oder seriöser Arbeit“, schreibt einer, ein anderer: „Ach ja, was soll man nur zu euch sagen.“ Oder: „Unvergessen bleibt eure auf alternativen Fakten basierende Hetze gegen Ego-Shooter.“
Solche Killerspiele enthemmten beim Töten und trügen „zur Radikalisierung junger Muslime“ bei, hatte der langjährige Instituts-Direktor Christian Pfeiffer immer wieder behauptet – obwohl nicht eine Studie dafür stichhaltige Hinweise gefunden hatte. Damit hat er sich nicht nur unter den gemeinten und Internet-Rezensions-erfahrenen Gamern richtige Feinde gemacht. Aber es gibt auch die Anerkennung: „Eines der führenden Institute auf dem Gebiet der Kriminologie in Europa“, beziehungsweise: „10/10 – Forschung ist immer gut.“ Im Ganzen gibt es nur 2,5 von fünf Sternen – aber die wenigen kriminologischen Uni-Institute, die es auch noch gibt, die rezensiert ja gar niemand.
Dass das KFN auch mal Missgunst auf sich zieht, hat mit der Ausrichtung der Einrichtung zu tun, die heute im schicken Bürohauskubus im Business Park Welfenplatz in Hannover-List sitzt: Gegründet 1979 vom damaligen niedersächsischen CDU-Justizminister Hans-Dieter Schwind, selbst Kriminologe und bekannter noch als Verfasser einer praxisorientierten Einführung in die Kriminologie, soll die Forschung des Instituts, das außeruniversitär von einem Verein getragen wird, ausdrücklich praxisorientiert sein. Es soll also auch gesellschaftliche Debatten nicht meiden und muss sich entsprechend auch Kritik gefallen lassen.
Vor allem aber ist das KFN e. V. der Fernsehstar unter den kriminologischen Instituten. Dieser Ruhm gründet wesentlich auf Christian Pfeiffers unermüdlicher Medienpräsenz. Jahrzehntelang haben alle Redaktionen des Landes zuerst bei ihm angeklingelt, wenn es darum ging, Verbrechen oder kriminologische Phänomene wie Jugendkulturen mit Gewaltaspekten einzuschätzen. Pfeiffer war seit 1985 stellvertretender Direktor und von 1988 bis 2015 Direktor des Instituts – mit einer Unterbrechung von 2000 bis 2003, weil er da für die SPD in Niedersachsen den Justizminister gab.
Thermometer für Kriminalität
Und Pfeiffer lieferte immer, was für zum Beispiel eine Nachrichtensendung benötigt wurde: prägnante sachliche Einschätzungen und Warnungen, nicht zuletzt vorm Fernsehen selbst, in dem er so oft auftauchte: vorm privaten vor allem, weil die „Kriminalitätstemperatur“ von dessen Konsument:innen sich „von der Wirklichkeit entfernt, weil im Privatfernsehen das Verbrechen noch mehr dramatisiert wird“. Sowas.
Neben Pfeiffer saßen nie viele im KFN, das seit 2015 vom Psychologen Thomas Bliesener geleitet wird. Fünf weitere wissenschaftliche Vollzeitstellen und weitere drittmittelfinanzierte Stellen hat es, als freie Mitarbeiterin ist Pfeiffers Schwester Regine beschäftigt. Die Grundlagenfinanzierung kommt vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur.
Dieses Jahr aber kommt noch eine Anschubfinanzierung von drei Millionen dazu, denn das KFN soll in die Leibniz-Gemeinschaft aufgenommen werden, den großen Zusammenschluss deutscher außeruniversitärer Forschungsinstitute. Das Geld soll dem Institut laut Niedersachsens Wissenschaftsminister Falko Mohrs helfen, „mit dem Ausbau seiner grundlagen- und praxisorientierten Forschungsleistungen die Ausgangslage für die angestrebte Aufnahme“ zu verbessern. Bliesener will nun die „Arbeit an aktuellen kriminologischen Fragen wie beispielsweise der Radikalisierung, der Cyberkriminalität oder dem Umgang mit Opfern von Straftaten auf höchstem methodischem Niveau“ intensivieren. Damit dürfte für die kommenden Jahre auch die Fernsehkarriere des KFN gesichert sein.
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