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Insolvenz der „Frankfurter Rundschau“Übers Klischee-Klientel hinaus

Nach ihrer Gründung stieg die „FR“ als linksliberales Blatt rasch zur Pflichtlektüre der jungen Bundesrepublik auf. Der Tod kam, weil der Mut zu spät kam.

Die Geschichte der „FR“ ist von vielen Rettungsversuchen geprägt. Bild: dapd

Der große Klaus-Peter Klingelschmitt hatte ein ganz einfaches Beispiel, um den Niedergang der Frankfurter Rundschau (FR) zu erklären: Früher sei die stets aus dem Briefkasten der taz-Redaktion in Frankfurt/Main geklaut gewesen, während die konservative Konnkurrenz stecken blieb. „Heute“, seufzte der 2011 verstorbene Hessen-Korrespondent der taz noch im vergangenen Frühjahr, „ist immer die Frankfurter Allgemeine weg, und die FR bleibt drin“.

Als die Frankfurter Rundschau 1945 unter amerikanischer Lizenz gegründet wurde, sah das noch anders aus: Das dezidiert linksliberale Blatt stieg rasch zur Pflichtlektüre der jungen Bundesrepublik auf, bis in die 1970er Jahre führte Karl Gerold die Redaktion und lebt bis heute in der nach ihm benannten Stiftung weiter.

Gern als „Lehrerzeitung“ und „Gewerkschaftsblatt“ verspöttelt, begann die FR in den 1990er Jahren zu schwächeln. Unter Chefredakteur Roderich Reifenrath kam die Auflage ins Rutschen, auch weil sich das Blatt streng an die Diktion ihres Chefs, man „verändert eine Zeitung nicht bei Gefahr ihres Todes“ hielt – und jede Modernisierung ablehnte.

Die Zahlen wurden künstlich gehübscht. Durch immer mehr Bordexemplare in Flugzeugen und verbilligte, so genannte Sonderverkäufe. Während um das Jahr 2000 fast alle Zeitungen im Geld schwammen, begann beim „Druck- und Verlagshaus Frankfurt“ (DUV) – so der offizielle Name des Unternehmens FR, das damals komplett der Karl-Gerold-Stiftung gehörte – der Abstieg.

Viele Retter, viele Konzepte

Schon 2003 stand die FR vor dem Aus – zu hoher Personalstand, auch in der zum Verlag gehörenden Druckerei, die bis heute vor allem von Fremdaufträgen abhängig ist.

Retter wurden verzweifelt gesucht, gewerkschaftnahe Stiftungen winkten dankend ab, bis sich die SPD Anfang 2004 erbarmte: Die parteieigene Presseholding DDVG übernahm mit 90 Anteilsprozenten den Löwenanteil am DUV, der Rest liegt bis heute nominell bei der Stiftung. Personal wurde abgebaut, die FR versuchte mit einem Schwerpunktkonzept zu punkten. Über dessen Erfolg sind damals Beteiligte bis heute höchst verschiedener Meinung.

2006 stieg dann der nächste Retter ein: Verlegerpatriarch Alfred Neven DuMont, der bei der Berliner Zeitung zunächst nicht zum Zuge kam, übernahm die Hälfte der FR-Anteile und wurde als „letzter echter Verleger“ gefeiert, dem es nicht nur auf den schnöden Gewinn ankommt.

Und die FR wurde mutig: Das große Blatt wurde bunt und schrumpfte aufs handliche Tabloid-Format, bot längst wieder mehr als Lesestoff fürs Klischee-Klientel im Cordanzug. Doch der Ruf war dahin. Jeden Tag, den die gedruckte FR erscheint, macht sie einen Verlust in fünstelliger Höhe. Bald wird damit jetzt Schluss sein.

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18 Kommentare

 / 
  • KK
    Karl K

    @ Eddie …and the brownies

     

    "…Die FR war, wie auch vom gleichen Verlag der Kölner Stadtanzeiger oder die Berliner Zeitung ein reines SPD-Blatt…"

     

    Ham Sie das gehört Herr NevenDuMont?

    Daß Sie alter Postarisier sich das auf ihre alten Tage noch

    nachsagen lassen müssen.

    "Dääh" - wie man Dom so sagt.

    Na und erst der Meissner - le cardinal!

     

    Hi Alder - wie wär's mal mit nem Augen- vor allem Farbentest?

    Besser ist das.

     

    Und die übrigen Feixer? - Blinde- Waldgänger und Ideologiker:

    ist zwar aus der Bibel;"…aber des Balkens im eigenen Auge gewahr werden!"

    Wär doch mal was! - odr!

  • L
    lowandorder

    "Das dezidiert linksliberale Blatt stieg rasch zur Pflichtlektüre der jungen Bundesrepublik auf, bis in die 1970er Jahre…"

     

    Da konnte man schon mal bei Berufscholeriker Prof. E.Wolf, Marburg, aus der Vorlesung fliegen,weil man mal während seiner Suada im alten Audi Max ein Auge drauf geworfen hatte. "Sie mit der Brille," - fünf standen auf -" Nein, nicht Sie, Sie - gehen raus!"

    Politclown Nolle nahm dann zum Sprengen der Vorlesung allerdings die FAZ - Herrn Prof. Lieblingsblatt und wir bekamen einen NICHT ANERKANNT- Stempel für BGB Allg. Teil. Dufte.

     

    Klasse war die Seite "Dokumentation".

    Aus nicht nur meiner Sicht der abolute Knaller:

    Das Reschny-Urteil! Eine ganze Seite FR das verlorengeglaubte Urteil des Herrn Strafrechts Professors Dr. Erich Schwinge aka Maximilian Jakta,

    Hatte dieser als Kriegsrichter in Wien den mit einer kaputten Uhr und einem leeren Portaimone angetroffen 14jährigen Reschny zum Tode wg Plünderns verurteilt .

    Obwohl selbst die verschärften Nazi-Bestimmungen dies mit Rücksicht auf das man gerade strafmündige Alter ausschlossen.

    Schwinge aber mit rechtsbeugerischer Begründung: " hier könne gleichwohl auf Todesstrafe erkannt werden, weil jedes Kind wisse, daß auf Plündern die Todesstrafe stehe.

    Eingerückt in den Text ein Faksimile-Druck eines Bildes des sonst immer so tiefblau-nadelstreifig-seriös gekleideten Schwiegervaters von Dr. Walter Wallmann in häßlicherschwarzer Kriegsrichterrobe und Barett.

    Reschny überlebte, weil selbst dem Gauleiter von Wien das Urteil zu hart war.

     

    Das schlug ein wie eine Bombe, hatte doch eine ganze Generation von Jura-Studies einschl der Vogel-Brüder ( SPD/CDU) Strafrecht 'gelernt' und seine Schnellschreibklausuren absolviert.

     

    Deshalb:

    "Der Tod kam, weil der Mut zu spät kam."

    Echt? Das glaub ich einfach nicht.

    Der Postarisierer Neven DuMont hatte zu keinem Zeitpunkt

    Irgendein Interesse daran, eine Zeitung dieser Provinienz - am Leben zu halten -

    oder gar zu machen!

    So geht das.

  • D
    Dirk

    Sag mal taz, gibt es Dir nicht zu denken, dass Deine Kommentarspalten zum Sammelbecken von PI- bzw. JF-Subjekten werden... Igitt. Und was Frau Kiyak betrifft: selten besseres gelesen!

  • JJ
    Jan Jonas

    Ruiniert wurde die FR nicht vom einstigen Chefredakteur Roderich Reifenrath, wie die taz indirekt unterstellt, sondern von den späteren Verantwortlichen, die das Blatt viel zu radikal umbauten. Mit der Verkleinerung auf Tabloid verlor die FR nicht nur an Größe, sondern auch an Format. Die treuen überregionalen Leser wurden vor den Kopf gestoßen. Zum Beispiel verwandelte sich die einst besonders niveauvolle Aus-aller-Welt-Seite in eine Boulevardklatsch-Seite. Viele Leser liebten nicht nur ihre FR, sondern auch einzelne Autoren. Die aber verschwanden allmählich sang- und klanglos, sei es durch die Streichung der meisten Inlandskorrespondentenplätze oder durch die Fusion der Zentralredaktion mit der Berliner Zeitung.

  • R
    RoseKreuzberg

    Ich lese die FR seit 1973, und zwar gerne und mit Gewinn. Viele Artikel konnte ich mit Schülerinnen und Schülern besprechen, Bücher nach den gelesenen Rezensionen kaufen ...

    Die Taz erfüllt ein anderes Informationsbedürfnis ... Notwendig ist ein breites Medienspektrum - das stützt die Demokratie. Ich hoffe, dass die FR genauso wie die Taz ein Geschäftsmodell findet, das ein Überleben als Printmedien sichert.

    Digitale Informationen können nicht alles sein ...

  • W
    Waldgänger

    Na, das ist doch einmal eine gute Nachricht, daß eines dieser überflüssigen Ideologenblätter den Geist aufgibt. Nicht, daß ich falsch verstanden werden, eine vielfältige Presse ist ein hohes und schützenswertes, aber wer zum Teufel braucht die Frankfurter Rundschau, wenn es zig andere Zeitungen gibt, die genau das Gleiche schreiben? Man liest ja von taz bis zeilweise zur FAZ jeden Tag nur Einheitsbrei. Gut, daß es inzwischen Alternativen gibt, deren Auflage regelmäßig steigt (z.B. JF).

  • P
    Pellkartoffel

    "Der Tod kam, weil der Mut zu spät kam."

     

     

    Stimmt nicht. Der Tod kam, weil der Hass kam.

    Wer den widerlich Anti-Sarrazin-Hetzartikel einer türkischen FR-"Jounalistin" gelesen hat, glaubte den nationalsozialistischen Stürmer zu lesen. Natürlich gibt es in Deutschland einen Markt für linken Menschenhass. Der ist offenbar aber nicht so groß, um eine ganze Zeitung zu tragen. Gut so! Hass darf nicht siegen.

  • L
    Links?

    Wenn die links wären, wären sie nicht solch ein bürgerlich-demokratisches Lügenblatt wie all die anderen auch, die zur Abschreckung Goebbels in der Uni hatten und dann seine Methoden perfektionierten.

    Z.B.: Immerhin 2 Jahre lang haben es alle deutschen Medien geschafft zu verheimlichen, daß es in Griechenland keine Sozialhilfe gibt.

  • D
    disperse

    Der wesentlichste Grund, dass die Konkurrenten der FR erfolgreicher sind, liegt an der unterschiedlichen Verkaufsstrategie. FAZ und Süddeutsche brillieren mit weitaus höheren Verkaufszahlen, indem sie die Mehrzahl ihre täglich "verkauften" Zeitungen an Bord von täglich Hunderten Lufthansa-Flügen haben.

     

    Das kann und konnte die FR nicht bieten. Hier nur einige wenige Exemplare an Bord.

     

    Wer's nicht glaubt, spreche mit Herrn Fischer, FAZ-Vertrieb Frankfurt.

  • T
    Tiffanie

    "Der Tod kam, weil der Mut zu spät kam."

     

    Sie meinen den "MUT zur WAHRHEIT".

    Denn was dieses Schmierenblatt bspw. über Sarrazin, Pro Deutschland und Pi-News an Lügen und Schmutzhetze verbreitet hat, war ein Skandal und Ausdruck davon, dass ganz bewußt Propaganda und nicht seriöse Berichterstattung gemacht wurde.

     

    Das sollte anderen Blättern mehr Mut zur Wahrheit machen, sonst enden sie auch, im Mülleimer.

  • PE
    Poul Erh

    "seufzte der 2011 verstorbene Hessen-Korrespondent der taz noch im vergangenen Frühjahr"

     

    Spuckt Klaus-Peter in den Redaktionsräumen?

  • K
    kommentator

    "„Heute“, seufzte der 2011 verstorbene Hessen-Korrespondent der taz noch im vergangenen Frühjahr, „ist immer die Frankfurter Allgemeine weg, und die FR bleibt drin“."

     

    Sagt wohl mehr über die taz-Redaktion als die FR aus.

    Die taz ist ja heute auch kaum mehr links-, sondern vermehrt grünkonservativ/-liberal.

     

    Ja, es gibt kaum mehr Lesenswertes für links denkende Menschen. Traurig, aber wahr.

  • WW
    Wolfgang Walter

    Recht so. Wer braucht schon ein weiteres rote-Bonzen-Propagandablatt. Die Bürger sind nicht mehr so unmündig, als dass sie sich von so einem Parteiblatt für dumm verkaufen lassen. Heute kann man entweder zwischen den Zeilen lesen, wie Leute in Diktaturen eben, oder man benutzt entsprechende websites. Es sollen noch einige weitere Propagandablätter in die Pleite gehen. Besser heute als morgen.

  • J
    Jens

    Ich weine dem Niedergang der Anti-AKW-FR keine Träne nach....bleibt zu hoffen, dass die TAZ bald folgt

  • G
    grifter

    Die FRANKTURTER RUNDSCHAU war das Griechenland im deutschen Pressewesen. Sie ist auch daran gestorben und dann ist es jetzt auch gut. Aus. Vorbei.

  • E
    Eddie

    Jaja, die Zeit der linsideologischen Blätter neigt sich dem Ende zu. Die FR war, wie auch vom gleichen Verlag der Kölner Stadtanzeiger oder die Berliner Zeitung ein reines SPD-Blatt. Da konnte man auch gleich den "Vorwärts" lesen, das ist billiger.

    Wer wohl als nächstes folgt?

  • WB
    Wolfgang Banse

    Fr muss der leserschaft erhalten bleiben.

    Ohne die FR wird manches anders aussehen in der Print und Onlineschaft im Medienbereich.

    Rettungsaktionen sollten von Seiten der Leserschaft gestartet werden,in Form von Aktien.

  • GR
    Gregor Rogalla

    Und, was lernt die taz auf der FR-Pleite?

     

    Ich bin der Meinung, daß derjenige der im Glashaus sitzt nicht mit Steinen werfen sollte.

     

    Ich warte immer noch darauf, daß die taz-Bilanz, die ja eh verföffentlicht werden muß, hier besprochen wird.

    Wäre doch ne gute Idee, wo man doch Wirtschaftsredakteure hat, die immer alles so sehr viel besser wissen - natürlich bei den anderen.