Inneres: Polizisten und KZ-Häftlinge

Die Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte wird von ihren Gegnern gerne mit dem dritten Reich verglichen. Morgen debattiert das Parlament über das Thema

Unangemessener Vergleich: der KZ-Überlebende Robert Cohen mit seiner Häftlingsnummer Bild: DPA

Wenn morgen in der Bürgerschaft das Thema Kennzeichnungspflicht für Polizisten aufgerufen wird, dann wird - so kündigte es sein Sprecher gestern an - Innensenator Ulrich Mäurer sagen, womit diese nichts zu tun hat: Mit Nummern, die KZ-Häftlinge trugen. Diesen Vergleich hatte vor knapp zwei Wochen Rolf Oehmke gezogen, stellvertretender Personalratsvorsitzende der Bremer Polizei.

Oehmke ist nicht der einzige, der einen Zusammenhang erkennt zwischen der Verfolgung und Ermordung von Millionen Menschen und Polizisten, die auf ihrer Uniform eine Zahl oder ihren Namen tragen. In Berlin - dem einzigen Bundesland, in dem seit Juli die Kennzeichnungspflicht besteht - sind im Polizeipräsidium rund 40 Protestbriefe mit entsprechenden Textpassagen eingegangen. Darunter befindet sich nach taz-Informationen die folgende: Der Polizist werde "einem ehemaligen KZ-Häftling gleichgestellt und zu einer Nummer (Objekt) degradiert, unter Verlust seines sozialen Wert- und Achtungsanspruchs in der Gemeinschaft".

"Unglücklich" findet der Bremer Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Horst Göbel, das Zitat seines Kollegen Oehmke. Nicht nur, weil der Vergleich unangemessen sei, sondern auch, weil er vom eigentlichen Problem ablenke. Dies besteht für Göbel darin, dass PolizistInnen mithilfe von Nummern oder gar Namen leichter "ausgeforscht" werden könnten, sie und ihre Familien damit gefährdet seien, von Extremisten angegriffen zu werden. Außerdem sei die Kennzeichnungspflicht überflüssig, da in Bremen noch jedes Mal ermittelt worden sei, welcher Polizist für einen Übergriff etwa während einer Demonstration verantwortlich gewesen sei. Auch ohne Nummer.

Doch einen Beweis für diese Behauptung gibt es nicht. Das Gegenteil legt die polizeiliche Kriminalstatistik Bremens nahe, nach der in den vergangenen Jahren nur rund drei Viertel aller Anzeigen wegen Körperverletzung im Amt aufgeklärt werden konnten. Verlässlich ist diese Zahl allerdings auch nicht, da hierunter nicht nur PolizistInnen, sondern alle Beamte und Beamtinnen fallen.

Außerdem gibt es eine Grauzone, da nur die Fälle erfasst werden, in der es tatsächlich zu Ermittlungen kommt. Nach Einschätzung des Bremer Rechtsanwalts Sven Sommerfeldt zeigen viele von Polizeigewalt Betroffene die TäterInnen gar nicht erst an, weil die Chancen auf eine Anklage oder gar Verurteilung so schlecht stehen. "Meistens ist ja klar, wer aus einer Polizeieinheit beteiligt war, aber wer genau zugeschlagen hat, lässt sich nicht ermitteln, weil die Polizisten sich gegenseitig schützen", so Sommerfeldt. Deshalb hält er die Kennzeichnungspflicht für sinnvoll. "Das könnte disziplinierend wirken."

Dass Bremens Polizisten eine fünf- oder sechsstellige Nummer oder einen Namen tragen sollen, steht fest. Darauf haben sich SPD und Grüne im Koalitionsvertrag geeinigt. Noch wird versucht, dies über eine Dienstanweisung zu regeln, wofür allerdings der sich sträubende Personalrat gewonnen werden muss.

Der Fraktion der Partei "Die Linke" dauert dies zu lange. Sie fordert morgen die Bürgerschaft dazu auf, die Polizei mit einem Gesetz zur Kennzeichnung zu zwingen. Der Antrag wird vom Parlament genau so abgelehnt werden wie der der CDU, die das Vorhaben ablehnt: "Es darf keinen Kontrollwahn gegen unsere Polizeibeamten geben."

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