Innere Sicherheit als Wahlkampfthema: Wer so fragt, bleibt dumm

Die CDU in Bremen hält die Bürgerschaft mit Fragen zu einzelnen Gewaltdelikten auf Trab – um die angebliche Unfähigkeit der Strafverfolgung zu zeigen.

Zwei Polizist*innen des Bundeslands Bremen durchsuchen eine Hecke

Schaut genau – und klärt damit immerhin die Hälfte aller Raubtaten auf: Die Bremer Polizei Foto: Sina Schuldt/dpa

BREMEN taz | Was ist eigentlich geworden aus jenem Fall, als am Vormittag des 18. Oktober 2021 ein Hundebesitzer am Bremer Weserwehr überfallen wurde? Drei junge Männer hatten ihn mit einem Messer bedroht und ihm sein Geld abgenommen. Sie erinnern sich nicht? Dann ist Ihnen aber vielleicht noch die Polizeimeldung präsent über den Gaststättenüberfall in der Bremer Neustadt vom 3. Oktober 2021? Auch hier wurde Geld geraubt. Oder die Schlägerei in einer Kneipe in der Bahnhofsvorstadt, eine Woche später?

Die CDU-Fraktion jedenfalls hat sich angeschickt, all diese Fälle vor dem Vergessen zu bewahren. Zehn Fragen hat sie in der Bürgerschaft gestellt zu zehn Vorfällen aus dem Herbst 2021 – alles Raubüberfälle oder gewalttätige Auseinandersetzungen. Erfahren möchte sie jeweils, ob Tatverdächtige ermittelt wurden, und ob es Anklagen gab.

Warum das von Interesse ist, also gerade hier und speziell bei diesen Fällen? Das freilich bleibt auch auf Nachfrage etwas unklar. „Wir wollen gerne wissen, was aus diesen Fällen geworden ist“, erklärt Andreas van Hooven, Pressesprecher der Fraktion. Ach so. „Es geht um die Opfer“, gibt van Hooven noch eine Erklärung. „Dass die erfahren, was aus der Sache geworden ist.“

Ehrenwert – wird nun also in Zukunft jede Fragestunde in der Bürgerschaft für diese Einzelfallabfrage genutzt? Vielleicht sollte man dafür die Fragezeit erweitern: immerhin 10.141 Rohheitsdelikte gab es 2021. Vielleicht kann man es aber auch doch lassen? Opfer werden von der Staatsanwaltschaft informiert, wenn sie als Zeu­g*in­nen gebraucht werden – oder wenn die Ermittlungen eingestellt werden.

Statistik statt Einzelfälle

„Wir wollen“, versucht es van Hooven schließlich, „auch ein klareres Bild für die Öffentlichkeit zeichnen können.“ Hat die Polizei ausreichend Personal und Ähnliches? „Das gehört auch zur Kontrollfunktion der Opposition gegenüber Behörden und Politik“, findet van Hooven.

Das aus zehn offenbar willkürlich ausgewählten Fällen herauslesen zu wollen, ist ehrgeizig. Zumal es ein anderes Hilfsmittel gibt: Die polizeiliche Kriminalstatistik bietet selbst jede Menge Gelegenheit für Kritik, aber doch den Vorteil von aggregierten und so zumindest einigermaßen objektivierbaren Zahlen.

Andreas van Hooven, Presse­sprecher der CDU-Fraktion

„Als Fraktion schärfen wir keine parteipolitischen Profile“

Ein Blick dorthin verrät: 863 Fälle von Raub hat es 2021 gegeben. Die Tabelle weiß sogar noch mehr: zum Beispiel wie viele Tatverdächtige Männer waren und bei wie vielen Fällen eine Schusswaffe zum Einsatz kam.

Was die Tabelle hingegen nicht so gut kann, ist, die Ermittlungsbehörden als gelähmt und unfähig darzustellen: Die Aufklärungsquote bei Raubtaten steigt seit 2015 kontinuierlich – von 35,5 auf 52,4 Prozent.

Subtil die Angst vor Verbrechen schüren

Was die Tabelle auch nicht recht schafft, ist, subtil Angst vor Verbrechen zu schüren; das gelingt mit dem Nacherzählen individueller Fälle viel besser. Zwar ist die Zahl der Raubtaten gegenüber 2020 angestiegen, um 11,1 Prozent sogar, allerdings befinden sich die Fallzahlen damit immer noch auf dem zweitniedrigsten Stand seit zehn Jahren; seit 2015 war die Zahl der Raubfälle zuvor rückläufig.

Die Vermutung, dass bei der CDU schon der Wahlkampf begonnen habe – im Mai wird in Bremen gewählt – weist der Pressesprecher der Fraktion zurück: „Als Fraktion schärfen wir keine parteipolitischen Profile“, behauptet van Hooven.

Auffällig ist aber doch, dass zuletzt sowohl die FDP als auch die CDU unter anderem mit Anfragen zu Clankriminalität hervorgetreten sind. Und als vor Kurzem in Bremen eine trans Frau von Kindern und Jugendlichen attackiert worden war, nutzte die CDU das zu einer „Aktuellen Stunde“. Thema war nicht etwa die queerfeindliche Stimmung in der Gesellschaft, sondern: „Sicherheit in Straßenbahnen“.

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