Innenminister verlässt Kieler Regierung: Verlorenes Vertrauen
Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Joachim Grote tritt zurück. Ministerpräsident Daniel Günther vertraut ihm nicht mehr. Warum, ist unklar.
Daniel Günther machte es kurz in seinem Auftritt vor der Presse und der parallel verschickten Erklärung. Er dankte seinem Parteifreund Grote für die bisherige Arbeit, etwa bei der Reform des Polizeigesetzes und der Neuordnung des Kommunalen Finanzausgleichs, dann folgten zwei knappe Sätze: „Die Zusammenarbeit in einer Regierung basiert auf Vertrauen und Offenheit. Erkenntnisse aus einem laufenden Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Kiel gegen einen Polizeibeamten schließen eine weitere Zusammenarbeit mit dem Innenminister aus.“ Übersetzt heißt das: Günther vertraut Grote nicht mehr.
Die genauen Zusammenhänge nannte er nicht, aber die Vermutung liegt nahe, dass mit dem erwähnten Beamten Thomas Nommensen, ehemaliger stellvertretender Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), gemeint ist. „Ich gehe davon aus“, sagte Torsten Gronau, Landesvorsitzender der DPolG, auf taz-Anfrage: „Die Andeutungen waren relativ klar.“
In Nommensens Büroräumen in Kiel hatte im vergangenen August eine Razzia stattgefunden. Die Staatsanwaltschaft sah einen Anfangsverdacht, dass der Gewerkschafter Informationen an die Presse durchgesteckt habe. Unter anderem ging es um eine Geiselnahme in Lübeck, aber später tauchten offenbar auch Indizien dafür auf, dass Nommensen einen vertraulichen Bericht zur sogenannten Rocker-Affäre weitergegeben habe.
Ralf Stegner, SPD-Fraktionsvorsitzender in Schleswig-Holstein
Dabei geht es um ein mögliches Versagen von Polizei und Staatsanwaltschaft bei der Aufklärung einer Messerstecherei zwischen Rockergruppen in Neumünster im Jahr 2011. Mit dem Fall befasst sich ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss. Als Innenminister ist Grote einer der Akteure des Verfahrens.
Auslöser für seinen Rücktritt war, so teilten Innenministerium und Staatskanzlei mit, ein Schriftwechsel zwischen dem Minister und einem Journalisten. Diese Schreiben seien „im Zuge eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens“ Ministerpräsident Günther (CDU) Mitte März vorgelegt worden. Bereits damals führten Grote und Günther ein Gespräch. Am 21. April erhielt Günther einen weiteren Bericht der Staatsanwaltschaft. Die darin enthaltenen „neuen Erkenntnisse“ gaben dann offenbar den Ausschlag für den Rücktritt.
Worin genau diese Erkenntnisse bestanden, ist unklar. DPolG-Landeschef Gronau ist ebenso ratlos wie die Kollegen der Gewerkschaft der Polizei (GdP), die den Rücktritt Grotes „überrascht“ zur Kenntnis nahmen. Grote selbst erklärte, er wolle „einen möglichen politischen Schaden abwenden“. Zudem verwies der gebürtige Paderborner auf einen „gesundheitlichen Rückschlag vor längerer Zeit, von dem ich mich nicht vollständig habe erholen können“.
Dank für die bisherige Arbeit und gute Wünsche für den scheidenden Minister gab es von CDU, Grünen und FDP, also den Parteien der Jamaika-Regierung. Unerwartet kam die Entscheidung jedoch für die Opposition, und für die SPD ist noch vieles unklar: „Die politischen Hintergründe müssen dringend aufgeklärt werden“, sagt Fraktionschef Ralf Stegner.
Daher habe die SPD beantragt, dass die Landesregierung in der Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses am Mittwoch Rede und Antwort stehe. „Weitere Schlussfolgerungen können erst gezogen werden, wenn die Fakten auf dem Tisch liegen“, so Stegner weiter. Doch für ihn ist klar: „Dass der Innenminister mitten in der größten politischen Krise zurücktreten muss, ist ein gewaltiger Schlag ins Kontor der Landesregierung.“
Immerhin bleibt keine Lücke im Kabinett: Die bisherige Justiz- und Europaministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) ersetzt Grote im Innenministerium. Auf den dann freien Stuhl im Justizministerium rückt der CDU-Landtagsabgeordnete Claus Christian Claussen (59) nach. Mit dem Thema, das Grote indirekt zum Straucheln brachte, kennt er sich aus: Claussen leitete bisher den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Klärung der „Rocker-Affäre“.
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