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Innenminister heizt Flüchtlingsdebatte anKeine Chance auf Asyl

Einen „zunehmenden Asylmissbrauch“ sieht Innenminister Friedrich. Doch die realen Zahlen sind weit weniger dramatisch. Zum Beispiel in Köln.

Turnhalle Köln-Deutz. Notunterkunft für 200 Asylbewerber. Bild: dapd

Die Turnhalle am Reitweg im Kölner Stadtteil Deutz ist umzäunt von Stacheldraht. Vier Männer und eine Frau kauern vor dem Eingang im Nieselregen und rauchen. Sie sehen ärmlich aus. Und traurig. Sie anzusprechen ist nicht möglich: Ein privater Wachdienst sichert das Gelände. Er lasse nur Bedienstete der Stadt und Menschen mit einer speziellen Genehmigung durch, sagt der bullige Wachmann in freundlichem, aber bestimmtem Ton. Und „Personen mit einem Asylausweis um den Hals“.

Rund 200 Flüchtlinge befinden sich derzeit in der Sporthalle des Deutzer Berufskollegs, die die Stadt als Notunterkunft bereitgestellt hat. Die meisten von ihnen sind Roma aus Serbien und Mazedonien. Nach Köln sind sie Ende vergangener Woche gebracht worden, weil die Erstaufnahmeeinrichtungen Nordrhein-Westfalens in Dortmund und Bielefeld überfüllt sind. Auch die Durchgangseinrichtungen in Hemer und Schöppingen platzen aus allen Nähten.

Die Flüchtlinge bleiben nur bis zum 20. Oktober, dann geht es weiter in die nächste NRW-Stadt. So jedenfalls hat es Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD) Kölns Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) zugesichert. Der hatte eine Aufnahme zunächst mit Verweis auf die „bereits prekäre Unterbringungssituation“ in Köln abgelehnt. Die Kapazitäten in den 31 Flüchtlingsheimen seien erschöpft, die Zuzüge von Asylsuchenden hätten sich „in den letzten Wochen verdoppelt und die Möglichkeiten zur Unterbringung völlig gesprengt“, teilte die Stadt mit.

Die realen Zahlen klingen weit weniger dramatisch. Rund 1.900 Asylsuchende hat die Millionenstadt Köln in diesem Jahr bislang aufgenommen, gerade mal 400 mehr als 2010. Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beantragten von Januar bis September 2012 insgesamt 40.201 Menschen Asyl in der Bundesrepublik. Das sind zwar 7.769 mehr als im Vorjahreszeitraum, aber ein Bruchteil der bis zu 438.191 Menschen, die Anfang der 1990er Jahre Asyl beantragten.

Die Flüchtlingszahlen seien weder exorbitant noch über Nacht angestiegen, konstatiert der Flüchtlingsrat NRW. Vielmehr wachse ihre Zahl kontinuierlich seit zwei Jahren. Die Behörden hätten genug Zeit gehabt, dieser Entwicklungen gerecht zu werden. „Es ist unverantwortlich, dass Land und Bund so schlecht vorbereitet sind“, kritisiert Vorstandsmitglied Kirsten Eichler.

Mit 13.020 Flüchtlingen kam der größte Anteil aus Afghanistan, Irak und Syrien. Aus Serbien und Mazedonien stammen 6.773 Menschen. Vorwiegend Roma nutzen die seit 2009 geltende Visafreiheit, um elenden Lebensverhältnissen zu entfliehen. In ihren Heimatländern seien sie einer „allumfassenden Diskriminierung ausgesetzt“, beklagt die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl. Eine Einschätzung, die die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz bestätigt. Eine reale Chance auf Asyl in Deutschland haben die Roma vom Balkan trotzdem nicht: Die EU-Beitrittskandidaten Serbien und Mazedonien gelten als „sichere Staaten“.

Von einem „zunehmenden Asylmissbrauch“ spricht deswegen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). In den Medien ist sogar von einer „Flüchtlingsflut“ zu lesen. Das erinnert an den Jargon, die einst die Anschläge in Hünxe, Hoyerswerda, Rostock und Mölln befeuerte.

„Das von Politik und Medien gezeichnete Bild unkontrollierbarer Flüchtlingsströme ist nicht nur falsch, sondern auch hochgefährlich“, warnt der Flüchtlingsrat NRW – und fordert mit Pro Asyl und mehreren Roma-Organisationen: „Schluss mit der rassistischen Hetze gegen Roma!“ Roma aus Exjugoslawien dürften nicht länger vom Asylrecht ausgeschlossen werden. Sie hätten „ein Recht auf Einzelfallprüfung, innerhalb deren die rassistische Diskriminierung in ihren Heimatländern in angemessener Weise zu berücksichtigen ist“.

Das dürfte ein frommer Wunsch bleiben. Innenminister Friedrich plädiert für die Wiedereinführung der Visumpflicht. Außerdem setzt er sich im Kampf gegen die vermeintlichen „Wirtschaftsflüchtlinge“ für schnellere Asylverfahren und Abschiebungen ein. Zudem müsse das Asylbewerberleistungsgesetz ergänzt werden: „Wer aus sicheren Herkunftsstaaten kommt – dazu zähle ich Mazedonien und Serbien –, soll künftig weniger Barleistungen erhalten“, sagte Friedrich der Bild-Zeitung.

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14 Kommentare

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  • FT
    free to move

    wie schön war es erst letzten Sonnabend in Berlin

    als über 6.000 Menschen ihre Solidarität den

    protestierenden Flüchtlingen bei einer megafetten Demogezeigt haben! Respekt Leute was Ihr da auf die Beine gestellt habt!

    Jetzt wäre es mal an der Zeit, daß außer Herrn Ströwele sich auch mal andere Politprominenz bei den Flüchtlingen zeigt und mit ihnen spricht.Keinen Mut?

     

    Hoyerswerda,Solingen,Mölln es war doch im August genau vor 20 Jahren und ich schäme mich noch heute für die Menschen die in Tötungsabsichten gegen Menschen aus Niedertracht handelten.

    Wo war eigentlich damals die Kirche?

     

    @Innenminister Friedrich :

    Fischen am rechten Rand auf die immerwieder gleiche primitive und plumpe Art und Weise! Schämen Sie sich! Haben Sie keine besseren Strategieberater in Ihrem Büro am Schreibtisch sitzen?

     

    Kein Mensch ist illegal!

    Bleiberecht überall!

  • HL
    Heiße Luft

    Wie sieht "zunehmender Asylmißbrauch" aus? Bisher waren es bedeutend über 90%. Jetzt 100%? Wo ist eigentlich das Problem? Man macht einfach weiter wie seit 20 jahren und sorgt weiter für das beliebte "Dulden", den eigentlichen Motor der "Zuwanderung". So wie es CDU, CSU, SPD, GRÜNE und FDP seit Jahrzehnten betreiben. Es sind wohl eher Worte an die Klientel die sonst keinen Unterschied mehr erkennt zwischen CSU und Grünen. In einem Jahr sind Wahlen danach ist es wieder ruhig und man macht weiter. Die taz sollte es nicht zu laut kritisieren sonst denken manche nach und es entsteht noch eine Opposition.

  • O
    Ossi

    @Wessi

     

    Ich Ostdeutscher Demokrat schäme mich für Wessi Gutmenschen wie sie schon lange.

  • A
    Argumentationslinie

    Die deutschen Politiker sollten tatsächlich überlegen, ob sie auf dem Rücken der Flüchtlinge Poltik machen sollten. Roma auf dem Balkan (und nicht nur dort) werden diskriminiert und drangsaliert und haben keine Hoffnung auf eine lebenswerte Zukunft. Aber das ist (leider) kein Asylgrund. Daher sollten auch die Flüchtlingsorganisationen dies nicht durcheinanderbringen. Es gibt viele Menschen, die tatsächlich asylberechtigt im Sinne der geltenden Gesetze sind und für diese sollte ein faires Verfahren gelten. Das ein reiches Land wie Deutschland auch für andere Flüchtlinge eine Lösung finden muss, ist unabhängig davon selbstverständlich.

  • K
    Kimme

    Ich hab gehört die Taliban und andere Radikalislamisten werden in Afghanistan von staatlicher Seite auch massiv diskriminiert, ja sogar verfolgt.

    Dort wäre es sogar noch eher angebracht diesen Asyl zu gewähren, da sie mit Waffengewalt bedroht werden. *ironie off*

     

    Liebe taz, es besteht ein reales Problem bei der Zuwanderung, welches aber definitiv nich per se in der MEnge der Asylsuchenden liegt. Ich denke die Politik hat es seit Jahren versäumt, entsprechende Strukturen zu schaffen und damit meine ich nicht die Aufnahmekapazitäten in Flüchtlingsunterkünften. Nein vielmehr fehlen massiv Integrationsangebote wie Sprachkurse und Fortbildungsmöglichkeiten für Zuwanderer. Es muss den Menschen ermöglicht werden legal erwerbstätig zu sein und für ihren eigenen Lebensunterhalt zu sorgen.

    Auf der anderen Seite muss es unsere Gesellschaft aber auch endlich schaffen, Forderungen an die Zuwanderer zu stellen, ohne sich gleich dem Vorwurf des Nazis ausgesetzt zu sehen. Ist dem nicht so entwickelt sich unser Staat zum Selbstbedienungsladen für Integrationsunwillige, die es sicherlich auch gibt. Im Endeffekt profitieren alle Seiten von einer guten Integration, die keinesfalls bedeutet seine eigene Kultur oder Glauben aufzugeben. Insbesondere die Kinder und folgende Generationen der Zuwanderer wird so eine gleichwertige Teilhabe und Erwerbschancen ermöglicht.

  • MS
    meine sache

    Es ist beschämend und traurig in welchem Zustand die Asylheime sind; dreckigste, stellenweise baufällige Anlagen, die nicht selten den geringsten Hygieneanforderungen genügen.

     

    Erschwerend kommt nun hinzu, dass der Rassismus der sogenannten "Mitte der Gesellschaft" sich seit den 90er kaum gezehntelt hat - sich also proportional zu den Flüchtlingsströmen verhalten.

     

    So ist das eben hier, bist du Flüchtling, bist du unerwünschtes Subjekt - und die sog. "pol. Mitte" liebt es diese Klischees zu bestärken und verächtliche Gesetze zu verabscheiden oder grob fahrlässig nicht zu handeln.

     

    Wie heißt es so schön: Tolerante Nazis?!

  • W
    Westberliner

    Ich schäme mich für Innenminister Friedrich und andere gegen Flüchtlinge hetzende Menschen aus Deutschland.

  • L
    Lars

    Ja, es ist schon merkwürdig - eine Stadt, in der Millionen Menschen Leben, "schafft" es nicht, 400 weitere Menschenwürdig aufzunehmen - aber das ist ja gerade Teil unseres unwürdigen Asylkonzeptes, die Unterbringung in möglichst schlechten Verhältnissen - "sonst kommen ja nur noch mehr".

     

    Ein Wahlkampfmärchen seit den frühen 80ern, mit schlimmsten Folgen für alle Beteiligten. Und wie geschickt Ängste geschürt und Zahlen verschwiegen werden, ist geradezu peinlich.

     

    Es ist traurig, das immer noch solche Stimmen zu hören sind, traurig das sie so wenig öffentlich geächtet werden, und zu hoffen dass die Masse nicht auf das Gesülze rechter Medien und rechter Politiker (die gern beschworene "Mitte" ist das ja wohl nicht mehr) hereinfällt.

     

    Zigtausend Mitläufer_innen beim Köln-Marathon am letzten Wochenende mussten merkwürdigerweise auch nicht in Turnhallen schlafen, dabei kamen die teilweise gar "über Nacht".

  • FI
    Friedrich ist in Berlin im Asyl

    Friedrich ist in Berlin ebenfalls im Asyl, allerdings in einem teuer entlohnten.

    Friedrich ist aus Bayern - ein Grund mehr, ihn aus Berlin auszuweisen und nach Bayern zurück auszuliefern.

    Sollen die Bayern Friedrich durchfüttern und ihm H4 gnädigerweise geben.

  • V
    vic

    Friedrich der Tapfere verteidigt Deutschland an der Heimatfront.

    Meines Wissens haben wir unterm Strich immer noch Abwanderung. Es sind nur die Falschen die gehen...

  • V
    Vorschlag

    Die taz-Leser könnten doch alle spenden und die taz könnte das Geld treuhänderisch verwalten wovon die Asylbewerber dann großzügig ausgestattet werden. So ist allen gedient: die Leser haben ein gutes Gewissen, die Roma haben Geld und die restlichen Steuerzahler müssen dafür nicht aufkommen.

  • P
    PeterWolf

    Sehr geehrter Herr Beucker,

     

    finden Sie nicht, dass das Asylrecht für tatsächlich Verfolgte existiert und ein Missbrauch desselben gerade diesen schadet?

  • Z
    zombie1969

    Über 90% der angeblichen Flüchtlinge sind ohnehin junge muslimische Wirtschaftsmigranten oder Kriminelle. Die wirklich Verletzlichsten in Kriegen und Konflikten, wie Frauen und Kinder, sind in D als Flüchtlinge nach wie vor die Ausnahme. Nur noch peinlich dieses Asylgesetz.

  • NS
    Nicht schön

    Wer halbwegs etwas über die Situation der Roma in Serbien und Mazedonien weiß, muss die Einschätzung sie seien Wirtschaftsflüchtlinge geradezu zynisch finden. Hat der Herr Friedrich keine Berater, die ihn da aufklären?