Inklusive Fußball-Liga in England: Spiel ohne Grenzen
In Großbritannien kicken Menschen aller sexuellen Orientierungen und Identitäten in einer landesweiten Liga. Ein Besuch bei einer Partie in Bristol.
Inklusion – offensichtlich ein Erfolgsmodell. „Hier gibt es einfach keine Vorurteile“, betont Mike Kalogerou aus Leicester. Als Kind überredete ihn ein Freund, bei den Wildcats vorbeizuschauen. Er blieb, spielt bis heute und ist mittlerweile im Vorstand des GFSN. „Ich habe sofort gute Freunde gefunden“, erinnert er sich, „und das war für mich noch wichtiger als der Sport.“
So ging es auch Stürmerin Samantha Walker, die seit einigen Monaten in Bristol wohnt: „Dank den Panthers habe ich mich sofort zu Hause gefühlt.“ Zuvor spielte sie beim Soho FC, ebenfalls inklusiv. Jagte sie bereits mit vier Jahren dem Ball hinterher, kam Verteidiger und Pressesprecher Jonathan Downing erst mit 28 Jahren zum Fußball. „Ich bin vor fünf Jahren hergezogen und wollte Kontakte zu Gleichgesinnten aus der LGBTQ-Gemeinschaft knüpfen“, erzählt er. Die fand er bei den Panthers. Kalogerou lernte sogar seinen Lebenspartner über den Fußball kennen.
Das Problem in klassischen Teams? Kalogerou ist nachdenklich: „Männerfußball wird immer noch von selbst ernannten Alpha-Männchen dominiert, vor allem die Fanclubs.“ Anfeindungen nach dem Coming-out seien leider immer noch sehr verbreitet. Nicht nur gegen Männer, wie Walker weiß. Als Teenagerin trainierte sie unter anderem an der Watford Academy und galt als Ausnahmetalent. Mit dem Bewusstsein, transgeschlechtlich zu sein, kam die Angst davor.
Strikt gegen Abschottung
„Mein Umfeld hatte klare Ansichten, wie ein Junge zu sein hat“, erinnert sie sich. Der Konflikt zwischen Erwartung und ihren eigenen Bedürfnissen führte zu seelischen Problemen und sie kehrte dem Fußball den Rücken. Erst mit 26 Jahren schaffte sie ihr Coming-out und kam schließlich nach über acht Jahren zum Fußball zurück. In einem Frauenteam hielt sie es nur ein halbes Jahr aus. Ihr wurde vorgeworfen, als „Mann“ sportliche Vorteile zu haben. Walker, etwa 1,75 m groß und schlank, verdreht die Augen. „Viele Frauen waren größer als ich, beim Zusammenstoß bin ich einfach abgeprallt. Mein einziger wirklicher Vorteil: Ich hatte eine hervorragende fußballerische Ausbildung.“ Einige ehemalige Mitspielerinnen haben sich mittlerweile bei ihr entschuldigt.
Samantha Walker ist strikt gegen Abschottung: „Fußball ist für alle da!“ Auch für heterosexuelle Menschen wie Chris Miles, seit eineinhalb Jahren Trainer der Panthers. Er hat eine Profi-Lizenz, fühlt sich aber so wohl, dass er nicht wegmöchte. „Ich kenne kaum so ein harmonisches Team wie dieses. Und auch kein derart lernwilliges“, erklärt er. An den Job kam er, weil sein Bruder hier spielte. Die Panthers sind in der Stadt präsent. 2018 nahmen sie erstmals an der Bristol Pride teil. „Die Zuschauer waren positiv überrascht, einen Fußballverein dort anzutreffen“, erinnert sich Jonathan Downing. Walker hat eine Kampagne gestartet. Sie spricht öffentlich über ihre Vergangenheit, die Konflikte zwischen Sport und Geschlechtsangleichung und die schlimmen Folgen für ihr Leben. „Das möchte ich anderen ersparen“, erklärt sie. „Die Botschaft ist: Menschen müssen so leben können, wie sie möchten – und auch den Sport machen können, den sie lieben!“
Eine landesweite LGBTQ+-Liga gibt es in Deutschland noch nicht – aber Ideen, die sich der Thematik stellen. Der Berliner Fußballverband überlässt Menschen, die im Ausweis keinen oder den Geschlechtseintrag „divers“ haben, in welchem Team sie spielen möchten. Bei transgeschlechtlichen Menschen erfolgt eine Einzelfallentscheidung. Auch gemischte Teams sollen überdacht werden. Im Vereinigten Königreich und in Irland gibt es bereits etwa 30 inklusive Freizeitteams, 14 spielen in der GFSN-Liga. Ursprünglich von schwulen Fußballfans ins Leben gerufen, öffneten sie sich bald für die ganze LGBTQ+-Gemeinschaft. Die Panthers setzten schon bei der Gründung im Jahr 2000 auf Inklusion.
Die Ausweitung des inklusiven Modells liegt allen am Herzen. Mike Kalogerou möchte „die Grenze zwischen unserer Gemeinschaft und den übrigen Sporttreibenden komplett einreißen“, etwa durch die Aufnahme inklusiver Teams in die allgemeine Fußballliga. „Inklusion könnte das Standardmodell der Zukunft sein“, ist Samantha Walker überzeugt. „Ein Team besteht ja nicht nur aus einzelnen Mitgliedern. Alle haben individuelle Fähigkeiten, völlig egal welches Geschlecht, welche Orientierung, welche Vorlieben sie haben.
Diese Fähigkeiten sinnvoll zu verknüpfen, das macht doch in Wirklichkeit die Stärke des Teams aus.“ Natürlich gebe es auch typische Unterschiede. So sei klassischer Männerfußball oft kraftbetonter. „Ich mag Frauenfußball deshalb lieber“, erklärt sie. „Sie spielen weniger aggressiv, dafür mit ausgefeilterer Technik und Taktik.“ Das stellt sie unter Beweis, als sie eineinhalb Minuten nach Spielbeginn einem deutlich kräftigeren Gegenspieler gewieft den Ball abnimmt und einen Treffer erzielt. 2:2 trennen sich Panthers und Wildcats am Ende.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
„Männer“-Aussage von Angela Merkel
Endlich eine Erklärung für das Scheitern der Ampel