Initiative will Mauerreste retten: Die Mauer steht noch
Nur noch wenige Reste der Grenzanlage sind im Stadtbild sichtbar. Grund genug für eine Initiative, wiederentdeckte Mauerteile am Spreeufer in Mitte zu erhalten.
Der vergessene Pfad der deutsch-deutschen Geschichte ist gepflastert mit abgewetzten Teppichresten und verquollenen Holzplatten. Ein Trampelweg, der sich durch die Brachgelände rund um die ehemalige Eisfabrik in Kreuzberg schlängelt. Vorbei am „Teepeeland“, einem improvisierten Zeltlager, an illegalen Müllhalden, Nachbarschaftsgärten und schicken Neubauten.
Eberhard Elfert schreitet energisch voran. Er quetscht sich beherzt durch Mauerspalten, biegt Zweige zurück. Zum Vorschein kommen Überbleibsel einer ehemaligen Grenzanlage – ein Stück Hinterlandmauer, verrostete Zäune, Lichtanlagen, ein Bootsbunker. Alle sind sie Zeugen einer langsam verblassenden Lebenswirklichkeit. Ohne Eberhard Elfert wären sie fast unsichtbar. Offizielle Hinweise auf die DDR-Relikte gibt es keine. Und genau das sei das Problem, meint Elfert.
Der Kulturmanager und Maueraktivist ist alarmiert. Der 56-Jährige fürchtet um den Erhalt der Sperranlage. Der Bezirk Mitte plant an dieser Stelle einen 10 bis 20 Meter breiten Uferweg. Der Bebauungsplan „Holzufer“ wurde jüngst veröffentlicht. Seither sieht Elfert die Mauer in Gefahr: Der Großteil der DDR-Relikte sei nicht denkmalgeschützt und tauche noch nicht mal im Bebauungsplan auf, echauffiert er sich. Hinzu komme, dass das Landesdenkmalamt die unter Schutz stehenden Elemente falsch kartiert habe. Elfert befürchtet daher, dass die Anlage bei den Bauarbeiten für den Uferweg schlicht abgerissen werden könnte: „Angesichts des 25. Jahrestags des Mauerfalls wäre das ein Skandal.“
Um sich für den Erhalt der Sperranlage einzusetzen, gründete Elfert Anfang Juni dieses Jahres die Initiative „Luise Nord“. Der Name erinnert an den nördlichen Teil der „in Vergessenheit geratenen“ einstigen Luisenstadt, ein Gebiet zwischen den Bahnhöfen Jannowitzbrücke und Moritzplatz, der Köpenicker und der Heinrich-Heine-Straße. Elferts Ziel: ein gründliches Gutachten, das die historische Anlage richtig einordnet und kartiert. Denkmalschutz für alle Teilstücke der Grenzanlage und bis dahin ein Baustopp. Danach könne man weiterschauen, meint Elfert. Grundsätzlich sei er für einen offenen Uferweg. „Aber bitte mit Grenzanlage.“
Unterstützung bekommt der Kulturmanager von den Bewohnern der Zeltsiedlung „Teepeeland“. Auch sie fordern die Aussetzung der Bebauung. Sie fürchten um ihre Lebens- und Arbeitsgrundlage. Das Projekt setzt sich laut eigener Aussage für „kulturelles und nachbarschaftliches Leben“ ein. Sollte der Uferweg wie geplant kommen, müssten die Bewohner ihre Zelte anderswo aufschlagen. Der Vorschlag der Aussteiger: Erhalt des Status quo; ein Uferweg, der durch ihr Lager führt, frei zugänglich und gestaltbar für jedermann.
Ein ähnliches Verfahren schwebt wohl auch dem Bezirk vor. Klar ist offenbar, dass die Bebauung kommt. Doch bereits im Juli erklärte Baustadtrat Carsten Spallek (CDU) auf einer Infoveranstaltung des Bezirks, dass die Planung zur Gestaltung des Uferwegs noch nicht abgeschlossen sei. „Die konkrete Gestaltung soll partizipativ und im Rahmen eines Wettbewerbes entworfen werden“, so Spallek gegenüber der taz. In diesem Verfahren wolle man auch über die Integration der Grenzanlage sprechen. Die Mauer bleibt also erst mal, wo sie ist.
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