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Initiative für ein FamilienpflegegeldDringend nötige Unterstützung

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Berlins Gesundheitssenatorin Kalayci hat eine sinnvolle Bundesratsinitiative vorgestellt. Sie würde Pflegende sehr entlasten.

Pflege braucht Zeit, viel Zeit Foto: dpa

D er Berliner Senat hat am Dienstag auf Vorlage von Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) beschlossen, eine Initiative für ein „Familienpflegegeld“ in den Bundesrat einzubringen. Dieses Pflegegeld soll „analog zum Elterngeld“ eine Lohnersatzleistung in Höhe von 65 Prozent des entgangenen Nettogehalts sein für Angehörige, die einen Kranken pflegen und deswegen ihre Arbeit befristet aufgeben oder einschränken, heißt es in einer Mitteilung des Senats.

Es ist gut und überfällig, dass mit diesem Vorstoß die oft schwierige finan­ziel­le Situation von Angehörigen Pflegebedürftiger aufgegriffen wird – auch wenn sich der Vorstoß wohl kaum durchsetzen lässt. Denn die neue Leistung wäre teuer und müsste aus Mitteln des Bundeshaushalts bezahlt werden. Mit einer Milliarde Euro Kosten jährlich rechnet Kalayci nach eigener Aussage.

2,9 Millionen Pflegebedürftige werden in Deutschland zu Hause versorgt, zumeist von Angehörigen. Etwas mehr als die Hälfte dieser Pflegepersonen sind Frauen, davon sind jeweils die Hälfte Ehefrauen, die ihre Männer pflegen, oder Töchter, die sich um ein Elternteil kümmern, berichtet der „Pflegereport“ der Barmer Ersatzkasse. Nur ein Drittel der Pflegepersonen sind berufstätig, jedeR Vierte hat wegen der Pflege die Arbeit aufgegeben oder reduziert.

Berufstätige Pflegepersonen sollen mit dem „Familienpflegegeld“ nun das Recht bekommen, vom Arbeitgeber bis zu drei Jahre freigestellt zu werden. „Die Freistellung kann bis zu sechs Monate vollständig gewährt werden“, heißt es in der Mitteilung. Das hieße, das volle Familienpflegegeld würde dann auch nur in diesem Zeitraum gezahlt. Inwieweit auch pflegende RentnerInnen das „Familienpflegegeld“ bekämen, dazu äußerte sich der Berliner Senat am Freitag nicht.

Die Initiative der Senatorin verdient eine breite politische Diskussion

Nach der Regelung zum Elterngeld erhalten RentnerInnen einen Mindestsatz von 300 Euro im Monat. Bei Haushalten im Hartz-IV-Bezug wird das Elterngeld von Hartz-IV abgezogen. Gelte eine ähnliche Regelung auch für das Familienpflegegeld, hätten diese Haushalte dann nichts von der Leistung.

Wichtig: Das Familienpflegegeld soll nicht mit den schon existierenden Leistungen der Pflegeversicherung verrechnet werden. Das bedeutet, das bisherige „Pflegegeld“ aus der Versicherung oder die „Sachleistungen“ für ambulante Dienste würden nach wie vor gezahlt.

Neue Optionen für Pflegende

Das Familienpflegegeld könnte neue Optionen eröffnen, wenn der Vater oder die Mutter pflegebedürftig werden und die berufstätige Tochter oder der Sohn vor der Frage stehen, ob sie sich eine begrenzte Auszeit für die Pflege leisten können oder nicht. Die gesamte Pflegedauer dürfte damit in vielen Fällen zwar nicht abgedeckt werden: Sie liegt im Schnitt bei 4,4 Jahren. Irgendwann steht dann wohl doch ein Umzug ins Heim an. Aber jeder Aufschub ist gut. Die Initiative verdient eine breite politische Diskussion.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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