Inhaftierte nach dem G20-Gipfel: Hamburg macht Gefangene
51 Personen sitzen wegen der Krawalle beim Gipfel in U-Haft. Den meisten wird Körperverletzung vorgeworfen, einem sogar Mordversuch.
In einigen Fällen, in denen die Richter*innen anders entschieden, will die Staatsanwaltschaft Beschwerde einlegen. Den Festgenommenen wirft sie schweren Landfriedensbruch, gefährliche Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Sachbeschädigung vor.
Die mutmaßlichen Täter*innen kommen überwiegend aus Deutschland: 28 der 51 Inhaftierten sind Deutsche, gleich danach kommen Italiener*innen und Französ*innen. Die restlichen kommen aus Spanien, Russland, den Niederlanden, der Schweiz und Österreich.
Der mit Abstand schwerste Tatvorwurf richtet sich aber gegen einen Deutschen: Einem 27-Jährigen wird neben gefährlicher Körperverletzung und gefährlichem Eingriff in den Luftverkehr versuchter Mord vorgeworfen. Er soll am Donnerstagabend mit einem Laserpointer aus einem Dachfenster den über ihm kreisenden Polizeihubschrauber angeleuchtet und so dessen Piloten geblendet haben. Einen möglichen Absturz des Hubschraubers soll er dabei in Kauf genommen haben.
Bei den weniger schweren Delikten handelt es sich hauptsächlich um Flaschen- und Steinwürfe, in Einzelfällen auch das Werfen von Molotowcocktails, sagte die Sprecherin der Hamburger Staatsanwaltschaft Nana Frombach. Es dürfte jedoch schwierig werden, Einzelpersonen nachzuweisen, dass genau sie es waren, die in der unübersichtlichen Menge aufgebrachter Demonstrant*innen und herumstehender Passant*innen Steine oder Flaschen geworfen haben. Während der Ausschreitungen im Schanzenviertel vergangenes Wochenende herrschte allgemeines Chaos.
Mindestens sechs Monate Gefängnis
Wer dennoch wegen gefährlicher oder versuchter gefährlicher Körperverletzung aufgrund eines Stein- oder Flaschenwurfs verurteilt wird, muss mit mindestens sechs Monaten Gefängnis rechnen. Theoretisch drohen dafür bis zu zehn Jahre Freiheitsentzug.
Der Anwaltliche Notdienst hatte am Montag Bilanz der Gipfeltage gezogen und sowohl das Vorgehen der Polizei als auch die Umstände in der eigens für Gipfelgegner*innen eingerichteten Gefangenensammelstelle (GeSa) kritisiert. Direkt auf dem GeSa-Gelände war eine Außenstelle des Amtsgerichts eingerichtet worden, damit die Gefangenen schnellstmöglich einer Haftrichter*in vorgeführt werden konnten – denn so schreibt es das Gesetz vor.
Trotzdem hätte es immer mindestens 12 Stunden gedauert, bis die Gefangenen eine Richter*in zu sehen bekommen hatten, sagte die Anwältin Daniela Hödl. In manchen Fällen habe es sogar 24 Stunden gedauert. „Das ist eine massive Verletzung des Gebots der Unverzüglichkeit.“ Zudem sei den Anwält*innen der Zugang zu ihren Mandant*innen erschwert worden.
Den Gefangenen sei statt der Nummer des Anwaltlichen Notdienstes ein Hamburger Telefonbuch vorgelegt worden, mit der Aufforderung, sich eine Telefonnummer rauszusuchen. Der Anwaltliche Notdienst fordert, die Geschehnisse um G20 von einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss klären zu lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Schäden durch Böller
Versicherer rechnen mit 1.000 Pkw-Bränden zum Jahreswechsel
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen