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Infrastruktur-SondervermögenVerhaltene Hoffnung für die Verkehrswende

Noch ist unklar, wohin die Milliarden fließen. Ex­per­t:in­nen befürchten, dass CDU und SPD statt in die Schiene in neue Autobahnen investieren.

Könnte ein paar Milliarden gebrauchen: Das Schienennetz in Deutschland Foto: Boris Roessler/dpa

Berlin taz | Das 500 Milliarden schwere Sondervermögen, das am Freitag aller Wahrscheinlichkeit nach die letzte Hürde im Bundesrat nimmt, weckt Hoffnungen auf eine zukunftsfähige Verkehrspolitik. Vor allem die Deutsche Bahn spekuliert auf einen großzügigen Anteil. Doch die Gefahr droht, dass kommende Regierungen das Geld für den Straßenneubau verschwenden, warnen Expert:innen.

„Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, um den Investitionsstau in Deutschland aufzulösen“, begrüßt Infrastrukturexperte Urs Maier vom Institut Agora Verkehrswende die Entscheidung. Doch die Erwartung, dass mit den Milliarden aus dem Sondervermögen die Verkehrswende finanziert werden könne, dämpft Maier. Unklar sei bisher, wie neben der Sanierung des Schienennetzes auch der notwendige Aus- und Neubau verlässlich finanziert und umgesetzt werden soll. „In den letzten Jahren haben wir hohe Infrastrukturschulden angehäuft“.

Die bereits am Mittwoch vom Bundestag verabschiedete Grundgesetzänderung ermöglicht es der kommenden Bundesregierung, ein Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz einzurichten. 500 Milliarden Euro an Krediten sollen dafür aufgenommen werden, die über die nächsten 12 Jahre ausgeben werden können. Davon sind hundert Milliarden für den Klima- und Transformationsfonds vorgesehen, der Rest steht für Infrastrukturinvestitionen zur Verfügung.

Allein bei der Deutschen Bahn beläuft sich der Investitionsbedarf nur für den Erhalt des Schienennetzes auf über 90 Milliarden Euro. Dazu kommen dann noch einmal 200 Milliarden für Elektrifizierung, Digitalisierung und Streckenausbau – alles notwendige Maßnahmen, um die angepeilte Klimaneutralität im Verkehrssektor bis 2045 zu erreichen.

Milliarden für die Bahn

Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung verteilte das Unternehmen bereits während der Sondierungsgespräche ein Positionspapier an die zukünftigen Koalitionäre. Darin meldete die Deutsche Bahn schon mal einen Bedarf von 148 Milliarden aus dem Sondervermögen an, der Rest der insgesamt 290 Milliarden soll aus den laufenden Haushalten finanziert werden.

Auch im Straßennetz sind die Bedarfe riesig. Das Bundesverkehrsministerium beziffert den Erhaltungsbedarf der Bundesstraßen bis 2030 auf über 140 Milliarden Euro. Darin ist das kommunale Straßennetz noch nicht enthalten. Eine Studie des deutschen Instituts für Urbanistik von 2023 beziffert den Sanierungsaufwand für Brücken, Straßen und Tunnel bis 2030 auf 283 Mil­liarden Euro.

Auch wenn er optimistisch sei, dass die Sanierung des Schienennetzes vorangehe, werde es darüber hinaus „große Verteilungskämpfe geben“, mutmaßt Dirk Flege, Geschäftsführer des Interessenverbandes Allianz pro Schiene. Dringende Bedarfe gibt es auch von Krankenhäusern, Schulen und vielen anderen Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge.

„Die Gefahr ist ziemlich hoch, dass das Geld für den Bau von Autobahnen draufgeht“, sagt Bernd Riexinger, verkehrspolitischer Sprecher der Linken. Ein schlechtes Vorzeichen ist die jüngste Überprüfung des Bundesverkehrswegeplans. Erst im Dezember stellte das Haus von Verkehrsminister Wissing (parteilos) fest, dass alle geplanten Autobahnneubauprojekte fortgeführt werden sollen. Schienenlobbyist Flege widerspricht, es gäbe keinen Bedarf, neue Autobahnen zu bauen.

Will die Bundesregierung das Ziel der Klimaneutralität bis 2045 erreichen, führt jedoch kein Weg am Ausbau der Schiene vorbei, sagt auch Infrastrukturexperte Urs Maier. „Die neue Koalition muss ein Gesamtkonzept für die Verkehrswende schaffen.“ Das Sondervermögen könne da nur eine Brücke in eine nachhaltigere Finanzierung sein, etwa durch eine Pkw-Maut.

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6 Kommentare

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  • Wir brauchen eine pünktliche und zuverlässige Bahn, aber auch ein gut ausgebautes Straßennetz. Beides muss angegangen werden.

  • Aus Erfahrung in den letzten Jahrzehnten, weiß man wohin die CDU das Geld fließen lassen wird. Ein paar Leute werden garantiert sehr reich werden, ohne dass sich die Situation der Normalbevölkerung verbessern wird.

  • Es wird nicht Alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird.



    Gerade im Bereich Infrastruktur sprechen wir, z.B bei der Bahn, wie auch im Brückenbau, von Spezialisten.



    Es ist unrealistisch, zu glauben, "nur" weil jetzt Geld vorhanden sei, würde ab morgen überall gebaut.



    Der Eindruck entsteht ja sowieso schon, da diverse Brücken und Schienen in den letzten Jahren in Arbeit sind. Es ist daher sinnvoll, die Gelder auf 12 Jahre zu strecken.



    Wenn sich in kommenden Generationen aber nicht mehr Menschen beruflich für Verwaltung und Baubereich entscheiden, wird sich die Sanierung eher verlangsamen.



    Der" Bürokratieabbau" wäre hier mal wieder kontraproduktiv: wir brauchen MEHR Menschen, die diese Arbeiten kompetent ausschreiben, begleiten und kontrollieren.



    Einstürzende Neubauten sind zwar interessiert, allerdings nur musikalisch betrachtet.



    "Aufbau West" ist ein Generationenprojekt.



    Es ist realitätsfern, den Pelz des Bären gleich mehrfach verteilen zu wollen.



    Es werden nicht 100 Brücken auf einmal gebaut werden können.



    Es möchte auch keinE BahnfahrerIn, dass auf jeder Strecke Schienenersatzverkehr eingesetzt wird...

  • Gesamtkonzepte und vorausschauendes Denken; kennen die sowas in der Politik überhaupt? Ich kann nicht behaupten, dass ich davon irgendwas in den letzten Dekaden gesehen hätte. Inkompetenz und Korruption hingegen gab es zu Haufe.

  • Die SPD in Niedersachsen und die Union bundesweit sind seit jeher stark von reichen Autoindustriellen angefüttert worden - da braucht es Gegendruck, damit die Grundversorgung für alle, also ÖPNV in der Fläche, Rad, DB zuerst kommt und nicht sinnloses Autozementieren.

  • Man kann sich noch nicht abschätzen in welchen Verkehrsträger das Geld fließt, sicher ist nur, das Bayern am Ende wieder über goldene Straßen und Schienen verfügen wird.