„Informant – Angst über der Stadt“: Der Gegner heißt Angst
In der Serie sollen Ermittler einen islamistischen Anschlag in der Elphi verhindern. Doch rassistische Stereotype erschweren die Ermittlungen.
Droht ein Anschlag islamistischer Terroristen auf die Hamburger Elbphilharmonie? Oder ist Ermittler Gabriel Bach (Jürgen Vogel) vom Hamburger LKA auf einer falschen Spur? Als während des Konzerts des jüdischen Stardirigenten David Levy (Henry Arnold) in Hamburg plötzlich Schüsse fallen, scheinen alle Ängste bestätigt zu werden. Matthias Glasners starbesetzte Serie „Informant – Angst über der Stadt“, eine Koproduktion von Arte, NDR, ARD-Degeto und dem norwegischen Sender NRK, erzählt eine ebenso spannende wie äußerst kluge Geschichte über die Dynamik polizeilicher Ermittlungen und die Angst vor terroristischen Anschlägen.
Dabei geht diese Serie von Matthias Glasner, der für sein Drama „Sterben“ erst mit dem Deutschen Filmpreis in Gold und dem Silbernen Bären bei der Berlinale ausgezeichnet wurde, weit über die gängige Machart öffentlich-rechtlicher Krimis hinaus. „Informant“ wartet mit einer dramaturgisch komplexen Geschichte auf, die viel über Polizeiarbeit und Vorurteile gegenüber migrantischen Communitys erzählt und letztlich eine gerade erst veröffentlichte Studie der Polizeiakademie Niedersachsen über rassistische Stereotype bei der Polizei bekräftigt, aber ohne dabei das platte Feindbild des „bösen Bullen“ zu bemühen.
Als ein Islamist, der auch für einen in Oslo verübten Anschlag verantwortlich sein soll, mehrfach in Hamburg gesichtet wird, gehen bei den Sicherheitsbehörden alle Alarmglocken los. LKA-Mann Gabriel Bach wird mit der jungen BKA-Ermittlerin Holly Valentin (Elisa Schlott) auf den Fall angesetzt. Er aktiviert einen Informanten aus dem Drogenmilieu, der angeblich etwas über einen möglichen Anschlag weiß und damit seinen gerade verhafteten jüngeren Bruder freipressen will. Nur löst das eine Kette von Ereignissen aus, die erst zum Mord an einem vermeintlichen Spitzel führen und außerdem den jungen afghanischen Geflüchteten Raziq Shaheen (Ivar Wafaei) unfreiwillig zur Mitarbeit mit den Sicherheitsbehörden zwingen, um die Abschiebung seiner Freundin zu verhindern.
Polizei- und Sicherheitsbeamte, egal ob LKA, BKA oder BND, die alle immer wieder zusammen an einem Konferenztisch sitzen, sodass Datenschützern das Grauen kommen könnte, kommen in dieser Serie nicht gerade gut weg. Die verschiedenen Dienste arbeiten weniger zusammen als vielmehr gegeneinander– alles immer im Namen einer „nationalen Sicherheit“.
„Informant – Angst über der Stadt“ in der Arte-Mediathek
Und dann drehen die Ermittler durch
Gabriel Bach, den auch noch seine Vergangenheit als verdeckter Ermittler in der Hamburger Neonazi-Szene einholt, führt eine dysfunktionale Ehe mit Emilia (Claudia Michelsen) und liegt im Dauerclinch mit BKA-Kollegin Holly Valentin. Kaltschnäuzig übt er Druck auf den neu angeworbenen und titelgebenden Informanten Raziq aus, der schon länger in Hamburg lebt. Dessen Familie ist nach der Trennung der Eltern kurz vor dem Auseinanderbrechen, das Verhältnis zu seinem Bruder ist angespannt und eskaliert, als Raziq und seine ganze Familie vom SEK spektakulär als mögliche Terroristen verhaftet werden.
Je weiter sich diese Geschichte mit ihren unzähligen, zum Teil verblüffenden Wendungen entwickelt, desto klarer wird, dass vor allem die kaum kontrollierbare Dynamik polizeilicher Ermittlungen für die fortlaufende Eskalation verantwortlich ist. Als sich dann auch noch ein muslimischer Mann in die Elbphilharmonie schleicht und dort festgenommen wird, drehen einige Ermittler regelrecht durch.
Raziq und seine Familie werden immer mehr zum Spielball polizeilicher Ermittlungen, aber auch das Kommissar-Duo Bach/Valentin, das bis zuletzt auch fleißig gegeneinander arbeitet, droht der Dynamik seiner eigenen Ermittlungen zum Opfer zu fallen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Comeback der K-Gruppen
Ein Heilsversprechen für junge Kader
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär