piwik no script img

Inflationsrate in DeutschlandSo teuer wie zuletzt 1993

Die Inflationsrate in Deutschland klettert auf 4,1 Prozent. Vor allem Heizöl und Benzin werden teurer. ExpertInnen: vorübergehendes Phänomen.

Die Inflationsrate steigt vor allem, da Preise für Benzin und Heizöl gestiegen sind Foto: Patrick Pleul/dpa

Vor allem wegen erhöhter Energiepreise war die Teuerungsrate in Deutschland im September so hoch wie zuletzt 1993. Waren und Dienstleistungen kosteten hier laut Statistischem Bundesamt im Schnitt 4,1 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Der höchste Stand seit Dezember 1993, als die Inflation – wegen des Wiedervereinigungsbooms – bei 4,3 Prozent lag. Im August hatte die Teuerungsrate noch 3,9 Prozent betragen.

Für viele ExpertInnen ist die hohe Inflation ein temporäres Phänomen. Allerdings dürften die Preise vorerst sogar noch weiter ansteigen. „Das dicke Ende kommt noch“, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Die Inflationsrate werde vorerst weiter anziehen, „weil die Unternehmen den gewaltigen Kostenschub durch gestiegene Materialkosten noch nicht vollständig an die Verbraucher weitergegeben haben“, sagte Kramer. Er hält sogar bald „eine Fünf vor dem Komma“ für möglich.

Energie ist derzeit der größte Kosten­treiber: Sie verteuerte sich im September um 14,3 Prozent, besonders wegen steigender Heizöl- und Benzinpreise. „Rund die Hälfte des Teuerungsanstieges entfällt auf den Faktor Energie“, sagte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. Nahrungsmittel verteuerten sich mit 4,9 Prozent ebenfalls überdurchschnittlich stark. Dienstleistungen kosteten 2,5 Prozent mehr, Wohnungsmieten erhöhten sich um 1,4 Prozent.

Die starke Teuerung liegt zu einem guten Teil an Sondereffekten durch Corona. Die Pandemie sorgte im vergangenen Jahr für extrem günstige Rohstoffe, genau wie bei allen Konsumgütern wegen der vorübergehenden Mehrwertsteuersenkung in der zweiten Jahreshälfte 2020. Nun führen Nachholeffekte zu einer gefühlt hohen Teuerung.

Angst vor Lohnforderungen

Ohne Corona-Sondereffekte und die Auswirkungen der erhöhten Energiepreise würde die Inflationsrate laut dem Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung bei nur etwa 2 Prozent liegen. Er rechne damit, dass die Preisentwicklung „bis zum Jahresende hoch bleiben wird“, erklärte der wissenschaftliche Direktor des IMK, Sebastian Dullien. Bereits im Januar 2022 werde die Inflationsrate wieder deutlich fallen, und „Richtung Jahresmitte wieder 2 Prozent unterschreiten“. Dies ist die Zielmarke der Europäischen Zentralbank.

Furcht haben einige Ökonomen vor den Tarifforderungen der Gewerkschaften. Die IG Metall zum Beispiel hat bereits die gestiegene Inflation zum Anlass genommen, erhöhte Lohnforderungen anzukündigen.

„Der Kaufkraftverlust, den die Verbraucher jetzt zu spüren bekommen, wird deutliche Nachholforderungen bei den kommenden Tarifrunden zur Folge haben“, ist sich auch der Chefvolkswirt von HQ Trust, Michael Heise, sicher. Kommt es so, könnte eine Spirale in Gang gesetzt werden, bei der sich Preise und Löhne gegenseitig immer weiter nach oben schaukeln.

FDP-Chef Christian Lindner warb wegen der Inflation am Donnerstag für das Wahlprogramm seiner Partei. „Die höchste #Teuerungsrate seit 1993 ist ein weiterer Anlass, die Entlastung der Mitte der Gesellschaft und die Rückkehr zu soliden Staatsfinanzen im Blick zu behalten“, schrieb Lindner auf Twitter. Allerdings zielt das FDP-Wahlprogramm nicht auf Steuersenkungen für die „Mitte“, sondern für Topverdiener.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Da muss man kein Hellseher sein.



    Öl-Kartell kaum Öl verkauft, nu wird es nachgeholt.



    Gaspreis an Öl-gekoppelt.



    Strom an Gaspreis.

    Machen wir Strom selber, schauen die Kartelle in die Röhre.

  • Inflation steigt über 2% - Experten: "nur vorübergehend"

    Inflation steigt über 3% - Experten: "nur vorübergehend"

    Inflation steigt über 4% - Experten: "nur vorübergehend"

    Und recht haben sie - selbst wenn die Inflation auf 400% steigt, irgendwann ist Schluss. Brauch sich also keiner Gedanken machen. Wird schon.

  • "Allerdings zielt das FDP-Wahlprogramm nicht auf Steuersenkungen für die „Mitte“, sondern für Topverdiener."

    Ich empfehle, einmal das Onlinetool Steuer-O-Mat zu bemühen hinsichtlich der Frage:



    Wie wirken sich die Steuerpläne der Parteien auf mein Netto aus?

    Einige fiktive Beispiele habe ich durchgerechnet und kann die oben zitierte Aussage des Autors durchaus in Frage stellen.

    • @Schwarmgeist:

      Danke für den Hinweis auf das Tool. Ich habe mal für unverheiratet mit 2 Kindern verschiedene Einkommen eingegeben:

      FDP SPD Grüne Linke



      500000. +16.997 -12.402 -12.751 -55.529



      200000: +9.736 -2.026 -2.374 -10.977



      100000: +6.680 +1.152 +110 +666



      50000: +2.381 +532 +834 +3.563



      40000: +1.705 +498 +950 +3.392



      30000: +956 +405 +950 +2.907



      20000:. +245 +372 +950 +2.219

      Glaubt man Statistica, lag das mittlere Bruttoeinkommen 2020 bei für 37000 Euro. Die größten relativen Zugewinne hätten bei der FDP erst Einkommen, die deutlich darüber liegen. Absolut gesehen scheint es bei der FDP gar keine Grenze zu geben (10000000: +252.122).

      Interessanterweise würden bei der FDP alle Einkommen profitieren und Unternehmen sowieso. Da die FDP ja strikt die Schulden begrenzen will, wird das bestimmt alles solide gegenfinanziert...