Inflation in der Eurozone: EZB hebt Leitzins noch mal an
Die europäische Zentralbank erhöht die Leitzinsen um 0,25 Prozentpunkte. Die Inflationsprognose für 2023 setzt der EZB-Rat herauf.
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„Die Inflation geht weiter zurück. Es wird jedoch nach wie vor erwartet, dass sie zu lange zu hoch bleiben wird“, begründeten die Währungshüter die Zinserhöhung. Der am Finanzmarkt maßgebliche Einlagensatz, den Geldhäuser für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, klettert nun von 3,75 auf 4,00 Prozent. Das ist das höchste Niveau seit 1999. Der Leitzins steigt auf 4,50 von zuletzt 4,25 Prozent. Volkswirte sehen den Zinshöhepunkt nun erreicht.
„Bei der Festlegung der angemessenen Höhe und Dauer des restriktiven Niveaus wird der EZB-Rat auch künftig einen datengestützten Ansatz verfolgen“, teilten die Währungshüter weiter mit. Die Zinsen hätten nun ein Niveau erreicht, das, wenn es lange genug aufrechterhalten wird, einen erheblichen Beitrag zu einer zeitnahen Rückkehr der Inflation auf den Notenbank-Zielwert leisten werde. Die EZB strebt mittelfristig 2,0 Prozent Teuerung als Idealwert für den Währungsraum an. Mit einer Inflationsrate von 5,3 Prozent im August ist sie davon aber noch weit entfernt.
„Mit diesem Zinsschritt ist jetzt erstmal Pause. Ob noch mehr geldpolitische Straffung notwendig ist, richtet sich danach, ob der Inflationsrückgang im kommenden Jahr anhält oder nicht“, kommentierte Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, die Beschlüsse. „Zinssenkungen wird es allerdings so schnell nicht geben.“
Aus Sicht seines Kollegen Michael Heise, Chefvolkswirt von HQ Trust, kann sich die EZB nun die Zeit nehmen, um die Auswirkungen ihrer Geldpolitik auf die Gesamtwirtschaft und die Inflation in den nächsten Monaten zu analysieren. „Da zu erwarten ist, dass die wirtschaftliche Entwicklung in den nächsten Monaten schwach bleibt und die Arbeitsmärkte in der Währungsunion auf die bisherigen Zinssteigerungen mit geringerem Beschäftigungsaufbau reagieren, dürfte die zehnte auch die letzte Zinserhöhung in diesem Zyklus gewesen sein.“
Zinshöhepunkt erwartet
Die meisten Volkswirte gehen davon aus, dass die Euro-Wächter auf ihrem im Sommer 2022 eingeleiteten Straffungskurs mit einen Einlagensatz von nunmehr 4,00 Prozent den Zinshöhepunkt erreicht haben. Sie erwarten, dass die EZB den Schlüsselsatz für längere Zeit auf diesem Niveau halten wird, um die Inflation weiter einzudämmen.
Dabei dürfte die EZB auch darauf achten, wie sich die sogenannte Kerninflation entwickelt, in der unter anderem die schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreise sowie Alkohol und Tabak ausgeklammert bleiben. Diese Messgröße war im August auf 5,3 Prozent nach einem Vormonatswert von 5,5 Prozent zurückgegangen. Die Euro-Wächter achten genau auf diese Rate. Denn sie gilt als wichtiger Indikator für die zugrundeliegenden Inflationstrends.
Auf der anderen Seite müssen die Währungshüter auch aufpassen, dass sie mit ihrem Zinserhöhungsstakkato die ohnehin schon schwächelnden Wirtschaftsaktivitäten im Euroraum nicht vollständig zum Erliegen bringen. Die EZB-Volkswirte haben in ihren neuen Wirtschaftsprognosen ihre Vorhersagen für das Wirtschaftswachstum in diesem und im nächsten Jahr zum Teil deutlich gesenkt.
Begründet wurden die pessimistischeren Einschätzungen mit den Folgen der Zinserhöhungen auf die Binnennachfrage, während sich zugleich das internationale Umfeld für den Außenhandel eingetrübt habe. Sie erwarten nun für das laufende Jahr nur noch ein Wachstum von 0,7 Prozent, nachdem sie im Juni noch einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,9 Prozent vorhergesagt hatte.
Inflationsprognose erhöht
Für 2024 gehen sie jetzt von einem Plus von nur noch 1,0 (Juni: 1,5) Prozent aus. Zugleich erhöhten sie ihre Inflationsprognosen. Nunmehr erwarten deren Volkswirte für 2024 eine Teuerungsrate von durchschnittlich 3,2 Prozent, nachdem sie im Juni noch mit 3,0 Prozent gerechnet hatten.
In den USA steht die nächste Zinsentscheidung am 20. September an. Dort hat die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) die Zinsen seit Anfang 2022 aggressiv von nahe null auf eine Spanne von inzwischen 5,25 bis 5,50 Prozent nach oben gesetzt, um die Inflation zu dämpfen und den heiß gelaufenen Arbeitsmarkt abzukühlen. Experten zufolge liefern die zuletzt gestiegene Arbeitslosenquote und der abebbende Boom am Jobmarkt den US-Währungshütern um Fed-Chef Jerome Powell Argumente für eine Zinspause.
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