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Industrieproduktion in ChinaGigantische Kapazität ohne Nachfrage

Die EU-Handelskammer in Peking beklagt gigantische Überkapazitäten in China. Eine Studie erwartet Schaden für die Wirtschaft anderer Länder.

Wohin mit all dem Stahl? Chine exportiert seine Überproduktion. Foto: dpa

Peking taz/afp | Enorme Überkapazitäten der chinesischen Industrie schaden einer Untersuchung zufolge der Wirtschaftsentwicklung in dem Land und der übrigen Welt. Zu diesem Schluss kommt eine von der EU-Handelskammer in China vorgelegte Studie. Demnach ist etwa die Stahlproduktion „komplett losgelöst“ von der tatsächlich vorhandenen Nachfrage.

Der Studie zufolge konnte die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt in den vergangenen Jahren vor allem deswegen zwischen 7 und 9 Prozent wachsen, weil viele Staatsunternehmen ungeachtet der fallenden Nachfrage immer weiter in neue Maschinen und Hochöfen investiert und das entsprechende Personal beschäftigt haben.

Auf diese Weise sind gigantische Überkapazitäten entstanden: Allein die Zementindustrie produzierte laut der Studie 2014 rund 850 Millionen Tonnen mehr, als nachgefragt wurde; die Überproduktion der Ölraffinerien haben sich zwischen 2008 und 2014 mehr als verdreifacht. Ähnliches gilt für den Glas-, Chemie-, Papier- und Aluminiumsektor.

Für international besonders heftigen Streit sorgen derzeit die Überkapazitäten der chinesischen Stahlindustrie. Weil die chinesischen Hersteller ihre Ware nicht auf den heimischen Märkten loswerden, überfluten sie die Weltmärkte zu Dumpingpreisen. Die EU-Kommission leitete dazu kürzlich eine Untersuchung ein.

Förderung und Kreditvergabe zurückgefahren

Als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise 2008 hatte die chinesische Führung ein gigantisches Konjunkturprogramm aufgelegt und mit dem Bau von Flughäfen, Hochgeschwindigkeitsstrecken und Hochhausstädten Wachstum generiert, das sich nicht mehr mit dem tatsächlichen Bedarf deckte. Inzwischen versucht Peking mit verschiedenen Maßnahmen, die Überkapazitäten zu bekämpfen.

Unter anderem wurden Regulierungsvorschriften verschärft und öffentliche Förderungen und Kredite für völlig unrentable Firmen zurückgefahren. Aus Sicht der Handelskammer bringt dies aber nicht viel. Die lokalen und regionalen Verwaltungsebenen leisteten Widerstand, weil sie Angst hätten, dass Arbeitsplätze und Steuereinnahmen verloren gehen, erklärte Kammerpräsident Jörg Wuttke.

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4 Kommentare

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  • Wie immer wird wieder mit zweierlei Maß gemessen. Denn wenn China seinen Überschuss zu Dumpingpreisen exportiert, ist das der EU-Kommission eine Untersuchung wert. Wenn Deutschland seine Überschüsse zu Dumpingpreisen exportiert, dann nicht?

  • "Am Montag schrieb die »Süddeutsche Zeitung« (online), Fabriken in China betrieben mehr Produktionsanlagen und beschäftigten viel mehr Personal, »als eigentlich notwendig wäre«. Da überlegt man einen Moment und kommt auf die Frage: Was ist eigentlich notwendig in einer Marktwirtschaft?

     

    Das »Notwendige« kann ja nur das sein, was die eigene Bevölkerung braucht – oder? Ein Land kann ja nicht einfach einem anderen souveränen Land vorschreiben, was es verbrauchen soll. Folglich sollte, nach der Lesart der »SZ«, jedes Land genau so viel produzieren, wie es selbst verbraucht. Bravo, die »SZ« – sonst nicht so besonders begabt in ökonomischen Fragen – hat erkannt, was freier Handel der Völker unbedingt voraussetzt, nämlich ausgeglichene Handelsbilanzen. Zumindest gilt das für China.

     

    Wie ist das in Deutschland? Verbraucht die Bundesrepublik wenigstens genau so viel, wie sie produziert? Immerhin reden wir über das Land, das derzeit fordert, man müsse die Grenzen zumachen für chinesischen Stahl, weil die Chinesen hier die Märkte damit fluten und die deutschen Unternehmen in Schwierigkeiten bringt. Das würde Deutschland sicher nie machen. Wer für freien Handel eintritt, muss doch auch dafür sein, dass jeder nur genau so viele Güter exportiert, wie er importiert, damit er selbst nicht mehr produziert als »notwendig wäre«."

    http://www.neues-deutschland.de/artikel/1002757.nicht-mehr-als-eine-phrase.html

  • 3G
    32795 (Profil gelöscht)

    Massive Überproduktion bei einer Wirtschaftsleistung von 12.000$ pro Kopf und das dann auch noch auf dem Weltmarkt verschleudert? Das bekommen nur die Chinesen hin.

     

    Ich dachte bisher immer die deutschen Exportweltmeister hätten etwas an der Waffel, aber die Chinesen toppen das wohl doch noch...

    • @32795 (Profil gelöscht):

      "Gott sei Dank gibt es ja Statistiken, in denen man nachlesen kann, was jeder exportiert und importiert. Und tatsächlich, der Chinese exportiert viel mehr als er importiert. In Prozent seines Bruttoinlandsprodukts ausgedrückt sind das laut Internationalem Währungsfonds (IWF) 3,1 Prozent oder über 300 Milliarden US-Dollar. Knapp über drei Prozent wird in China mehr produziert »als notwendig wäre«. Und in Deutschland? Produziert nicht auch Deutschland mehr als notwendig wäre? Laut IWF betrug der deutsche Überschuss der Exporte über die Importe im vergangenen Jahr deutlich mehr als 250 Milliarden US-Dollar. Das sind, weil China eine viel größere Volkswirtschaft ist, in Deutschland nicht drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts, sondern geschlagene 8,5 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt. 8,5 Prozent produziert Deutschland also, die gar nicht notwendig wären, denn die werden in der Bundesrepublik weder gebraucht noch konsumiert."

       

      Fast die gleiche absolute Zahl bei deutlich kleinerer Volkswirtschaft - der deutsche Exportwahnsinn ist eben doch nicht zu toppen.