Industrielle Putenzucht: In Fleischfabriken lebendig begraben
In Niedersachsen werden Puten gequält. Die Tierschutzorganisation Peta hat Anzeige erstattet und einige besonders widerliche Praktiken gefilmt.
BERLIN taz | Trotz der zahlreichen Tierquäler-Skandale der vergangenen Jahre geht das Leiden in der Agrarindustrie weiter. Das will die Tierrechtsorganisation Peta nun mit neuen heimlich gedrehten Aufnahmen aus einer Putenmastanlage im niedersächsischen Friesoythe belegen.
Auf ihnen ist zu sehen, wie ein Mann im tierhaltertypischen Overall mit einer Bolzenschneider-ähnlichen Zange lebendige Puten am Hals fasst und kräftig zudrückt. Anschließend schleudert er die Tiere auf die Schaufel eines Traktors.
Eine Pute befördert er mit einem Fußtritt aus dem Stall Richtung Trecker. Ein anderes Tier versucht zu fliehen, kann sich aber kaum bewegen. Als die Schaufel voller Puten ist, kippt er sowohl die bereits toten als auch die noch lebenden Tiere in eine Grube. Offenbar wollte der Betrieb so verletzte oder kranke Puten entsorgen.
In einem anderen Video, das laut Peta aus denselben Ställen mit rund 30.000 Tieren stammt, vegetieren Puten vor sich hin, die nicht mehr stehen können. Viele haben ein stark kotverschmiertes Gefieder. Der Boden ist mit einem festem Gemisch aus Exkrementen und Einstreu bedeckt.
Ohne Betäubung getötet
Die Tierrechtler haben bereits bei der Staatsanwaltschaft Anzeigen gegen den Betreiber der Putenfarm und seinen dort offenbar ebenfalls tätigen Sohn erstattet. Peta wirft ihnen unter anderem vor, gegen die Vorschrift verstoßen zu haben, dass Tiere vor der Tötung betäubt werden müssen. Ein Mitglied der Betreiberfamilie wollte sich auf Anfrage der taz nicht zu den Vorwürfen äußern.
Das Fleisch der Tiere vermarktet ein kleines Zerlege-Unternehmen aus Niedersachsen mit 20 Mitarbeitern. Seine Produkte werden zum Beispiel auf Wochenmärkten angeboten. Die Firma erklärte, sie wolle keine Ware mehr von dem beschuldigten Mäster beziehen. „Wir haben aber keinen direkten Einfluss darauf, von welchem Mäster wir Tiere erhalten, weil das alles aus einem großen Pool kommt“, sagte der Eigentümer der taz.
Peta-Aktivisten haben die Videos nach eigenen Angaben im September verdeckt aufgenommen. Sie hatten in den vergangenen Jahren mehrmals ähnliche Bilder veröffentlicht, die sich als authentisch erwiesen. Zum Beispiel die Aufnahmen von sterbenden oder verletzten Puten aus einem Betrieb in Mecklenburg-Vorpommern aus dem Jahr 2010.
Einspruch eingelegt
Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Stralsund wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz Strafbefehl in Höhe von fast zwei Monatsgehältern gegen den Geschäftsführer beantragt, wie Behördensprecher Martin Cloppenburg der taz sagte. Amtsgerichtssprecher Dirk Simon erklärte: „Der Strafbefehl ist erlassen.“ Der Geschäftsführer habe aber Einspruch eingelegt, so dass jetzt ein Gerichtsprozess folge. Ähnliche Anzeigen von Peta gegen Geflügelhalter sind noch bei Staatsanwaltschaften anhängig.
Trotz dieser öffentlichkeitswirksamen Fälle hat sich in der Branche offenbar nicht viel getan. „Die aktuellen Bilder spiegeln nur die branchenüblichen Vorgehensweisen wider“, sagt Peta-Berater Edmund Haferbeck. Ohnehin sei besonders die Putenfleischproduktion tierquälerisch. Die Vögel seien extrem überzüchtet, so dass ihre Brustmuskeln zu schnell und zu stark für das Skelett wüchsen. „Deshalb können sich viele Puten kaum bewegen.“ Ihre Beine brächen unter dem Gewicht zusammen; die Tiere erkrankten an den Gelenken und litten ständig Schmerzen.
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