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Verbot von Petas HolocaustvergleichMasttiere sind keine KZ-Häftlinge

Der Europäischen Gerichtshofs bestätigt das Verbot der Peta Kampagne. Der Holocaustvergleich verstößt gegen das Persönlichkeitsrecht heute lebender Juden.

Plakatteil der 2004 beworbenen Peta Kampagne. Bild: dpa

STRASSBURG afp/dpa | Das deutsche Verbot einer Werbekampagne der Tierschutzorganisation Peta unter dem Motto „Der Holocaust auf Ihrem Teller“, die das Leiden von Masttieren mit dem von KZ-Häftlingen verglich, war rechtens. Dies stellte am Donnerstag eine Kleine Kammer des Europäischen Gerichtshofs in Straßburg fest. Die deutsche Justiz habe mit diesem Verbot die Persönlichkeitsrechte der in Deutschland lebenden Juden schützen wollen.

Angesichts des „spezifischen Kontextes der deutschen“ sei das Verbot der Kampagne und die damit verbundene Einschränkung des Grundrechts auf Meinungsäußerung der Organisation Peta gerechtfertigt gewesen, heißt es in dem Urteil. Gegen die Entscheidung kann Peta binnen drei Monaten Rechtsmittel einlegen. Der Gerichtshof kann den Fall dann zur Überprüfung an die Große Kammer verweisen, er muss dies aber nicht tun.

Peta wollte mit sieben Plakaten gegen das Leiden von Masttieren protestieren. Eines der Poster stellte ein Foto aufeinandergetürmter Leichen von Häftlingen in Konzentrationslagern mit einer Aufnahme geschlachteter Schweine gegenüber. Ein anderes Plakat zeigte unter der Überschrift „Für Tiere sind alle Menschen Nazis“ Häftlinge in einer Reihe von Hochbetten sowie zusammengeferchte Hühner in Lebebatterien.

Verletzte Menschenwürde

Gegen diese in den USA konzipierte Kampagne hatten der damalige Präsident des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, und seine beiden Stellvertreter geklagt. Die Kläger, die als Kinder selbst den Holocaust überlebt hatten, sahen ihre Menschenwürde und die ihrer in Konzentrationslagern verstorbenen Angehörigen verletzt. Ein Gericht in Berlin gab ihnen Recht und verbot die Kampagne im April 2004.

Im März 2009 bestätigte das Bundesverfassungsgericht das Verbot. Der unzulässige Vergleich zwischen „menschlichem, würdenbegabtem Leben“ und den Belangen des Tierschutzes führe zu einer „Bagatellisierung und Banalisierung des Schicksals der Holocaustopfer“, stellten die Karlsruher Richter fest. Außerdem verstoße die Kampagne gegen die Persönlichkeitsrechte heute lebender Juden. Gegen das Urteil kann Berufung beantragt werden.

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10 Kommentare

 / 
  • TC
    Till Cotempi

    In dieser Kommentarspalte kann man nachlesen, weshalb – unabhängig von Urteil und Verbot – Bagatellisierung des Holocaust eine gute Begründung ist: Für einige ist es bereits eine (historische) Bagatelle, siehe den Beitrag von Matthias.

     

    Für mich stürzt die moralische Überlegenheit der PETA, im besten Wortsinn, mit dieser Kampagne unter null. Der Holocaust hat im Laufe der Zeit zurecht ein eigenes Universum aus Medieninhalten und Gefühlspotentialen verursacht. Für jemanden, der Aufmerksamkeit erzeugen will, kann dies natürlich als wertvolle Ressource dienen. Exakt: Re-sour-ce, ein mentaler Gebrauchsgegenstand, genutzt für einen der eigenen Sache dienlichen Assoziationsblaster.

    Dazu kommt immer das Wegsehen vom spezifischen Leid, das zum Vergleich dient, und das Betonen schablonenhafter Gemeinsamkeiten, die es ab einer gewissen Zoomstufe natürlich immer gibt.

    (1) In einem Satz: Wer sich die Ablehnung eines Leides zunutze machen will, um für Unterstützung für den eigenen Kampf gegen ein anderes zu werben, missbraucht sie – im besonderen, und ein wenig auch im Allgemeinen. Von der geförderten Abstumpfung und damit am Ende Empathierückgang ganz abgesehen.

     

    Das betrifft nichtmal speziell PETA, sondern alle Nazi/Judenvergleiche, Stalinandichtungen, Inquisitionsanalogien, Gleichschaltungsprosa und viele andere, weniger prominente.

     

    >

     

     

    ––––––––––––––––––––––––

     

     

    (2a) Speziell den Vergleich der PETA betrifft die jeweilige Absicht: Menschen in den Lagern waren interniert, um vernichtet zu werden. Der wirtschaftliche Aspekt stand im Hintergrund. Gemeint ist folgendes, Zitat Wikipedia:

     

    „Die Leichen wurden anschließend in Krematorien verbrannt. Körperliche Überreste – Haare und Goldzähne – und Privatgüter der Opfer – Kleidung, Schuhe, Brillen, Koffer usw. – wurden von der SS industriell verwertet.

     

    Hinzu kamen Menschenversuche zu militärischen, medizinischen und anderen Zwecken in den Lagern. Die Opfer wurden zum Beispiel in Druckkammern extrem hohem oder niedrigem Luftdruck ausgesetzt, in Eiswasser unterkühlt […]“

     

    (2b) Viele Tiere sind in Lagern interniert, um wirtschaftlich genutzt zu werden. Die Vernichtung steht im Hintergrund.

     

    Am nächsten sind sich beide noch bei den Tier/Menschenversuchen, wobei man den Untersuchtungsleitern in den Vernichtungslagern die Vernichtungsabsicht absprechen müsste – oder Untersuchungsleitern von Tierversuchen andichten will, es ginge primär um's Tierevernichten denn um krude gewonnene Erkenntnisse.

     

    Wem

    * die verschiedene Absicht bei Vernichtungslagern und bei Schlachthäusern

    ** das Bestreben von Schlachthäusern, keinen Aufwand eigens für (die Vergrößerung/Verkleinerung von) Folter und Qual zu betreiben, sondern wirtschaftlichen Gewinn zu erzielen

    * das pain dropping (Wortbildung analog zu name dropping)

     

    egal ist, der mag frei sagen: Holocaust und Schlachthaus ist das gleiche. Wie viel gerade auch empathische Defizite man dafür haben muss, mag jeder selbst beurteilen.

  • M
    Maik

    Was sollte daran falsch sein "Tierleid" mit "Menschenleid" zu vergleichen? Es geht nicht um eine "Degradierung" der Würde derer Lebewesen, die im KZ gestorben sind, sondern um das "Anerkennen" des Leids Milliarden von Lebewesen die jährlich gezielt, industriell erschaffen werden, um nach Wochen, Monaten manchmal auch Jahren von Qual und Leid in Massen industriell hingerichtet werden, damit jeder hier täglich sein unnötiges Steak sich einverleiben kann.

    Schlachthäuser und Massentierhaltung sind sehr wohl mit der Massenvernichtung von Menschen im 3.Reich und Konzentrationslagern vergleichbar. Alles andere ist Zensur und Tabuisierung. Und durch Zensur und Tabuisierung ist es nie möglich Dinge aus der Geschichte auf zu arbeiten, wobei ich der Meinung bin, daß das Thema "3.Reich" in Deutschlnad in den letzten Jahrzehnten sehr wohl in vollstem Maße aufgearbeitet wurde. Wäre wünschenswert, wenn andere Völker/Länder ihre Kriegsverbrechen und Verbrechen der eignen Geschichte auch so aufarbeiten würden.

  • S
    Slobo

    Der Zentralrat der Juden muss sich wieder wichtig machen. Das Urteil ist grober Unfug. Natürlich darf man die Zustände in Mastbetrieben mit KZs vergleichen. Hier wird nicht Mensch mit Tier verglichen, sondern es sind die Umstände, die verglichen werden. Und der Vergleich ist absolut zulässig wie zutreffend: Sie warten auf engstem Raum mit ihren Artgenossen auf den sicheren Tod. Dieser Umstand wird von uns erzwungen. Das alles will nur keiner hören.

  • T
    Thy

    Ergänzung:

    Der Holocaust entsprang einer kranken Ideologie/dem Antisemitismus, das ist klar. Dahinter steckte System und Methode, die Verbrechen wurden bewusst begangen. Und ich denke, auch den Leuten von Peta ist das klar. Und das Quälen der Tiere ist keine solche Ideologie, das ist auch klar. Aber in der Kampagne geht es ja um das Verbrechen an sich, nicht darum, warum es begangen wurde. Dass das aus dem historischen Kontext gerissen sei, kann man durchaus kritisieren und das verstehe ich auch.

     

    Aus der Sicht der meisten Menschen heutzutage kann ich auch die Empörung verstehen, wenn "Menschen mit Essen" gleichgesetzt werden. Nur sollten sich diese vielleicht bemühen, die TierrechtlerInnen zu verstehen. Für TierrechtlerInnen sind Tiere eben kein Essen.

  • T
    Thy

    "Dieses Urteil führt zu einer Bagatellisierung und Banalisierung des Schicksals der sogenannten Nutztiere."

     

    Genau das dachte ich auch, als ich die Begründung las.

     

    Man muss schon zugeben, dass die Kampagne sehr provokant ist, aber ich denke, sie wird einfach falsch verstanden. Susanna sagte ganz richtig, dass es darauf aufmerksam machen soll, dass das, was in den Ställen und Schlachthöfen passiert, Unrecht ist und diese Tiere genauso wie Menschen leidensfähig sind und mit Respekt behandelt werden müssen. So als krasser Augenöffner, um zum Nachdenken anzuregen.

    Genauso teile ich die Auffassung, dass das später mal Kopfschütteln hervorrufen wird.

    Für die, die das heute schon so sehen, verletzt die Kampagne auch nicht die Menschenwürde der Juden. Die Juden (bzw. Holocaustopfer) werden damit ja nicht abgewertet, vielmehr wird noch betont, wie schrecklich deren Schicksal ist und dass so etwas nicht geschehen darf.

  • E
    emil

    @matthias

    "Irgendwann muss der Mist doch mal vergessen werden, wir sind nicht mehr in der Nachkriegszeit."

     

    sobald dieses land bereit ist aufzuarbeiten, was da offenbar schief gelaufen ist, können wir gerne darüber reden damit anders umzugehen. einfach nur abzuwarten und dann zu sagen, so jetzt ists lange genug rum, ist genau das problem der damaligen zeit gewesen.

    ein ehrlicher umgang wäre wünschenswert. mehr als gras drüber wachsen lassen, passiert nämlich nicht und das ist beschämend!

  • A
    Anita

    Frueher hat man gesagt: Wenn man Schwarze wie Menschen behandelt, entwertet man die Würde der Menschen.

    Inzwischen weisz jeder mit einem IQ im zweistelligen Bereich, dass Schwarze Menschen sind und man dadurch nicht den Rest der Menschheit abwertet, indem man sie mit zaehlt.

    Respekt vor dem Leben ist nicht auf eine Spezies beschraenkt.

    Und die Menschen, die Tiere mies behandeln sind zu Menschen meist auch nicht viel besser.

  • M
    Max

    Dieses Urteil führt zu einer Bagatellisierung und Banalisierung des Schicksals der sogenannten Nutztiere.

     

    Und weshalb sollen Tiere nicht "würdenbegabt" sein?

     

    http://www.myvideo.de/watch/4886135/Die_Wuerde_des_Schweins_Reinhard_Mey

  • M
    Matthias

    Sag mal gehts noch? Dass die Kampagne verboten wird, weil sie grgen die Menschenwürde verstößt ist ja ok, aber diese Begründung... Welche "besondere Stellung" von Deutschland? Weil DAMALS hier etwas geschehen ist? Weil Enkel von KZ Häftlingen hier leben? Diese Sonderstellung der geht mir sowas von auf den Keks. Irgendwann muss der Mist doch mal vergessen werden, wir sind nicht mehr in der Nachkriegszeit. Dann könnte man gleich anfangen, Franzosen Napoleon und Italienern römische Eroberungen anzukreiden.

  • S
    Susanna

    Das Argument der Bagatellisierung verstehe ich nicht. Ist es nicht vielmehr der Versuch, das Leben der Tiere mit dem von Menschen gleichzusetzen, also den Respekt für menschliches Leben auch für Tiere einzufordern?

    Und muss es nicht unerträglich sein für Menschen, die Tiere genauso respektieren wie Menschen, dass es Schlachthöfe und Massentierhaltung unter KZ-artigen Bedingungen gibt?

    Ich bin keine Tierschützerin und mag Tiere nicht mal besonders gerne, aber ich wage zu behaupten, dass es eine Zukunft geben wird, in der die Mehrheit der Menschen zurückschaut und sagen wird: Wie konnten wir nur so etwas dulden und wie konnten Gerichte so blind sein und konform gehen mit diesem Unrecht? Wenn ich mir die menschliche Entwicklung ansehe, die Sklavenbefreiung, die Erkämpfung der Frauenrechte, die Entwicklung der Demokratie und die Argumente, die Menschen damals gegen diese Entwicklungen gestellt haben, finde ich es sehr eindeutig, dass unsere heutige Wahrnehmung und dieses Gerichtsurteil zu den Dingen gehört, die irgendwann nur noch Kopfschütteln hervorrufen werden.

    Warum sollte irgendein Leben weniger wert sein als unseres? Warum ist ein Schlachthof kein KZ?