piwik no script img

Indiens Kleinkrieg mit NGOsZweiter Sieg für Greenpeace

Proteste gegen Kohle- oder Atomprojekte werden in Indien nicht gern gesehen. Da behindert man auch mal Aktivisten. Die Justiz beendet das nun.

Eine volksbelustigende Art der Aufklärung, die von der indischen Regierung gar nicht gerne gesehen wird: Greenpeace-Proteste gegen eine Kohlemine in Delhi Bild: ap

DELHI taz | Priya Pillai kann wieder reisen, wohin sie möchte. Die indische Regierung darf die Greenpeace-Mitarbeiterin nicht daran hindern, das Land zu verlassen. Das hat ein Gericht in Delhi am Donnerstag entschieden.

Als Pillai den Prozesssaal verlässt, spricht sie von einem „Sieg für die Demokratie und die Meinungsfreiheit“. Am Telefon sagt die Umweltaktivistin später: „Es ist nicht nur ein Sieg für mich oder für Greenpeace, sondern für alle Inder, die eine eigene Meinung haben.“

Zwei Monate musste Pillai auf diesen Moment warten. Am 11. Januar hatten indische Beamte sie auf dem Flughafen in Delhi aufgehalten. Die 37 Jahre alte Juristin war auf dem Weg nach England, um vor dem britischen Parlament über die Gefahren eines geplanten Kohleabbauprojekts im indischen Bundesstaat Madhya Pradesh zu berichten.

Für Kohle werden Stammesvölker verdrängt

In der Region Mahan will ein britisch-indisches Joint-Venture auf 1.000 Hektar mehr als 400.000 Bäume roden, um dort nach Kohle und Aluminium graben zu können. Pillai arbeitet seit viereinhalb Jahren in der Region und ist überzeugt, dass das Vorhaben den Fortbestand der dortigen Mahan-Wälder gefährdet, die zu den ältesten Waldgebieten Asiens gehören. Sie bilden nicht nur ein einzigartiges Ökotop, in dem auch Elefanten und Leoparden einen Platz finden, sondern sind auch die Existenzgrundlage der dort lebenden Stammesvölker.

An der Passkontrolle wurde Pillai ohne Angabe von Gründen aufgehalten und mit einem Ausreiseverbot belegt. Tage später erklärte die indische Regierung, Pillai sei in „antinationale Aktivitäten“ verwickelt und deswegen gestoppt worden. „Das ist eine Masche der Regierung, um Druck auf Menschen auszuüben, die eine andere Meinung haben“, sagt Pillai. Es sei schon sehr verwunderlich, dass ausgerechnet die Regierung sie als „antinational“ bezeichne. „Sie ist es doch, die im Interesse eines ausländischen Unternehmens agiert.“

Nun muss das Ausreiseverbot zurückgenommen werden. „In einer Demokratie kann Widerspruch nicht mundtot gemacht werden“, sagte der vorsitzende Richter dem Fernsehsender NDTV.

Schon im Juni 2014 war es zu einer Auseinandersetzung zwischen der indischen Regierung und Greenpeace gekommen. Damals hatte das Innenministerium das Konto von Greenpeace India sperren lassen. Zur Begründung war dazu in einem Geheimdienstbericht über in Indien tätige Nichtregierungsorganisationen zu lesen: „Sie (Greenpeace) haben begonnen, eine Massenbewegung gegen Entwicklungsprojekte anzustoßen, und stellen damit eine mögliche Gefahr für die nationale ökonomische Sicherheit dar.“

Geheimdienst schürt Ängste vor ausländischem Einfluss

Weiter hieß es, „aus dem Ausland finanzierte Verbände“ reduzierten Indiens Wirtschaftskraft um zwei bis drei Prozent. In einem zweiten Bericht war von einer Liste die Rede, auf die zehn ausländische Hilfsorganisationen gesetzt worden seien. Ihnen wird vorgeworfen, den wahren Gebrauch ihrer Spendengelder zu verschleiern. Tatsächlich würden sie damit Aktionen gegen wichtige Industrieprojekte finanzieren.

Auf der Liste sollen auch die deutschen Organisationen Misereor und Brot für die Welt stehen. Doch vor allem Greenpeace, die immer wieder gegen Atomkraft und neue Kohleminen protestieren, war ins Visier des Geheimdienstes geraten. „Die Regierung demonstriert an uns, wie sie jegliche Art von Opposition vernichten will“, erklärt Samit Aich, Chef von Greenpeace India. Die erste Schlappe hatten die Behörden allerdings schon im Januar erlebt, als das gleiche Gericht sie zwang, die Greenpeace-Konten wieder freizugeben.

Pillai will nun so schnell wie möglich nach London, sagt sie. Schließlich mussten die Abgeordneten im britischen Parlament lange warten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!