Indiens Hindu-Fest Kumbh Mela: Wahlkampf mit 120 Millionen Pilgern
Zurzeit findet das weltgrößte Pilgerfest in Indien statt. Die hindu-nationalistische Regierung instrumentalisiert die Feierlichkeiten jedoch für Wahlpropaganda.
Die meisten zeigen Premierminister Narendra Modi und den Regierungschef des hiesigen Unionsstaates Uttar Pradesh, den Hindu-Mönch Yogi Adityanath. Sie tragen Slogans wie „Modi führt den Kampf, wir stehen hinter ihm“.
Tausende überlebensgroße Pappständer mit dem Bild der Politiker, die über das Festgelände verteilt wurden, treffen nicht bei allen auf Zustimmung: „Ein unverschämter Missbrauch eines religiösen Festes“, urteilt die Pilgerin Kusum Sharma aus Zentralindien. „Die Leute durchschauen dieses Spiel doch“, sagt Abhilash Narain, ein Anwohner.
Das hinduistische Badefest Kumbh Mela gilt als größte Menschenansammlung der Welt. Im Laufe der 48 Tage vom 15. Januar bis zum 4. März werden 120 Millionen Pilger aus ganz Indien und Touristen aus aller Welt erwartet.
Eigentlich ist das Großspektakel erst 2025 dran
Eigentlich findet das Spektakel alle zwölf Jahre statt. Erst 2025 stehen die Sterne wieder so günstig, dass ein Bad im heiligen Ganges von allen Sünden reinwäscht und Eingang ins hinduistische Paradies Nirvana garantiert. Alle sechs Jahre wird ein kleineres Fest, die „halbe“ Kumbh, gefeiert.
Doch im April und Mai finden in Indien Parlamentswahlen statt, und so wird das religiöse Großereignis auch zu einem politischen gemacht. Die Landesregierung hat den Festetat von 12 (2013) auf 42 Milliarden Rupien (500 Millionen Euro) erhöht, hat neue Straßen und Brücken bauen lassen, 95.000 Toiletten auf- und 18.000 Reinigungskräfte eingestellt.
Hindu-Fest „Kumbh Mela“
Die Regierung will zeigen, dass sie das Massenereignis effektiv organisieren kann, und nutzt die religiösen Gefühle für ihre Propaganda. Denn es ist nicht sicher, ob die regierende hinduistische Volkspartei BJP bei den Wahlen ihre Macht verteidigen kann.
Schon im Morgengrauen ist an den Badestellen Hochbetrieb. Es ist bitterkalt, die Besucher schützen sich mit Decken und wärmen sich an Feuern.
Da ertönen Fanfaren und Trommelwirbel, und jubelnd nähert sich im Laufschritt eine Meute Tausender nackter aschebeschmierter Asketen. Ihre langen, verfilzten Haare flattern im eisigen Wind, doch in den Gesichtern ist schiere Ekstase zu sehen, wenn sie sich in die kalten Fluten stürzen. Die Tradition gewährt der Sekte der nackten Naga-Sadhus (Asketen) das Privileg, das heilige Bad zu eröffnen.
Mission für einen Hindustaat
Die Gemeinschaft der Hindus hat keine verfasste Kirche, keine gewählten Amtsträger, nicht einmal eine allgemeingültige Liturgie. Hunderte Kulte und Glaubenslehren wetteifern um die Gläubigen, darunter auch eine politische Ideologie, die Indien in einen Hindu-Staat überführen will – Hindutva.
Ihre Anhänger wollen die diversen Kasten und Glaubenslehren einen, um Indien stark zu machen. Als Feindbilder dienen der Islam, der 500 Jahre Indien beherrschte, sowie die christliche Mission.
Religiösen und anderen Minderheiten werden Rechte abgesprochen, ein antiquiertes Frauenbild verteidigt, die traditionelle Elite der Brahmanen verehrt.
Vor allem der 1925 gegründete Verband Rashtriya Swayamsevak Sangh („Nationale Freiwilligenorganisation“ – RSS) propagiert diese Ideologie. Im Laufe der Jahre rief der RSS viele Verbände und Kampfgruppen ins Leben, die Hindutva in fast alle Bereiche des Lebens tragen.
Aus ihren Reihen kamen auch die Mörder Mahatma Gandhis, der ihnen zu muslimfreundlich war. Am antikolonialen Freiheitskampf hatte der damals noch unbedeutende RSS nicht teilgenommen.
Kampf gegen Minderheiten
Nach der Unabhängigkeit schuf er die politische Partei BJP, die heute die Macht in vielen Bundesstaaten und in der Zentrale innehat. Sie arbeitet daran, Bildungssystem und Geschichtsschreibung nach Hindu-Fasson zu „reformieren“, drängt systematisch Rechte und Einfluss von Minderheiten, insbesondere der Muslime, zurück.
Der größte Propagandaerfolg war die Zerstörung der Babri-Moschee im nordindischen Ayodhya 1992 durch fanatisierte Jugendliche. An derselben Stelle soll nach dem Willen des RSS ein Tempel für den Hindugott Rama entstehen.
Doch ein vor Indiens oberstem Gericht anhängiges Verfahren um historische Rechte hat bislang den Baubeginn verhindert. Die hinduistische Kampftruppe Vishnu Hindu Parishad („Welt-Hindu-Rat“ – VHP), die die Zerstörung der Moschee maßgeblich organisierte, hat für den 30. Januar ein Treffen von Hindu-Mönchen auf dem Gelände der Kumbh Mela angekündigt. Sie will von den Asketen das Mandat zum Bau des Rama-Tempels erhalten.
Doch inzwischen nutzt auch die Opposition das Pilgerfest. Am Sonntag badete Akhilesh Yadav, Uttar Pradeshs Ex-Regierungschef von der oppositionellen Samajvadi-Partei, im Ganges. Laut der Zeitung The Hindu wollen aus der oppositionellen Kongresspartei der Vorsitzende Rahul Gandhi und seine Schwester Priyanka, die künftig im Osten Uttar Pradeshs die Partei führt, am 4. Februar ein Bad nehmen und damit Priyankas Amtsbeginn einläuten. Ihre Mutter, Ex-Kongresschefin Sonia Gandhi, badete dort schon 2001.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!