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In vier Jahren um die Welt gesegelt„Machos suchen den Kapitän“

Die Hamburgerin Mareike Guhr über eine maritime Herausforderung, der sich vor ihr nur wenige Frauen gestellt haben.

Geborgt und dafür Gäste mitgenommen: Für ihre Weltumseglung hat sich Mareike Guhr den Katamaran „La Medianoche“ von einer Firma geliehen. Foto: Markus Scholz/dpa

taz: Frau Guhr, warum sind Sie um die Welt gesegelt?

Mareike Guhr: Ganz klar: Ich wollte den Pazifik sehen. Gleichzeitig wollte ich anderen Leuten die Chance geben, ein Stück des Weges mit dabei zu sein oder die Reise wenigstens in Träumen zu begleiten – auf meinem Blog. Ich habe sozusagen nicht nur für mich, sondern auch für Menschen, die hier bleiben mussten, fremde Welten erkundet.

Für Ihre Tour haben Sie gerade die höchste Auszeichnung der Hochsee-Segler bekommen. Nun werden Sie in einem Atemzug mit den ganz großen Seglern genannt. War das Ihr Ziel?

Nein, ganz und gar nicht. In diversen Meldungen hat sich jetzt das Wort „stolz“ verirrt. Ich habe aber nie etwas getan, um darauf stolz zu sein und funktioniere nicht nach dem Motto: Jetzt habe ich es denen aber gezeigt.

Bio Seglerin

48, kommt aus Hamburg. Auf dem 15 Meter langen und gut acht Meter breiten Katamaran „La Medianoche“ verbrachte sie die letzten viereinhalb Jahre. In dieser Zeit bereiste sie 37 Länder, besuchte 143 Inseln und legte über 80.000 Kilometer zurück.

Das Schiff, mit dem Sie in den letzten viereinhalb Jahren 80.000 Kilometer gesegelt sind, ist nicht Ihr eigenes. Wo findet man jemandem, der einem über so lange Zeit sein Boot leiht?

Dort, wo jemand einen Skipper für sein Schiff sucht. Der Katamaran „La Medianoche“, mit dem ich unterwegs war, gehört einer Firma. Ich habe mir das Schiff ausgeliehen und dafür Gäste mitgenommen, die dann für die Törns an die Firma bezahlt haben. Ich hatte keine Ausgaben und keine Einnahmen, denn ich wollte nicht weisungsgebunden sein, sondern meine ganz eigene Reise machen.

Hatten Sie dafür also viereinhalb Jahre lang Urlaub?

Nein – im Gegenteil! Es ist ein harter Job, ein so großes Schiff im bestmöglichen Zustand zu halten, und dazu Gäste wie in einem Hotel zu betreuen und einen festen Fahrplan einzuhalten. Das hat nicht so viel mit In-der-Sonne-Liegen zu tun. Es war tatsächlich ein großes Projekt, in dem es natürlich auch viele tolle Momente gab.

Es heißt immer wieder, Sie seien eine der wenigen Frauen, die auf eigene Faust die Welt umsegelten. Ist es heute wirklich noch so bemerkenswert, dass eine Frau eine solche Reise unternimmt?

Es scheint so. Leider. Ich kenne nur wenige eigenverantwortliche Skipperinnen, die etwas Ähnliches machen. Ich glaube, es liegt daran, dass Frauen weniger gerne Verantwortung übernehmen. Für einen Mann ist das die Gelegenheit, sich als großer Kapitän am Steuer zu profilieren und die Partnerin wie seine Assistentin zu behandeln. Frauen suchen diese Herausforderung seltener. Außerdem liegt ein Großteil des Weltvermögens in Männerhand. Das betrifft auch die Boote. Die meisten Frauen bekommen also automatisch seltener die Chance, sich in solchen Projekten zu üben.

Glauben Sie, dass man Ihnen anders begegnet als Männern?

Im Mittelmeer etwa trifft man schon auf die Machos dieser Welt. Die kommen an Bord und suchen erstmal den Kapitän, obwohl ich eindeutig am Ruder stehe. Und erst, wenn kein Mann in Sicht ist, beachten die mich überhaupt. In anderen Gegenden der Welt ist das zwar meist harmloser, oft aber ist die Anerkennung größer. In der Dominikanischen Republik hieß ich irgendwann nur „La Capitana“. Für mich ist das noch immer befremdlich, denn warum bekomme ich mehr Aufmerksamkeit für den gleichen Job als ein Mann?

Wird das Segeln mit zahlenden Gästen nicht auch irgendwann ermüdend?

Nein. Jeder Törnabschnitt ist neu und die Anforderungen sind sehr verschieden. Es gab ganz viele bereichernde Begegnungen, aber klar, auch mal sehr anstrengende Gäste. Viele sehen sich auch gar nicht als Teil einer Weltumsegelung, sondern wollen einfach Urlaub machen. Manche Leute haben mittlerweile mehr Geld und sind verwöhnt.

Das Weltumsegeln ist sehr klischeebehaftet. Ist das auch Ihr Eindruck?

Viele Journalisten haben nach der Reise immer dasselbe gefragt: Sie wollten nur Geschichten von Delfinen, Kokosnüssen und Stürmen hören. Die fragen dann: „Ist auch mal was kaputtgegangen?“ Da musste ich dann doch lachen. Ich habe mich schon gefragt: Wollt ihr nicht mal darüber hinaus? Mein „Beauty Case“ war ein großer Werkzeugkoffer aus blankem Aluminium, der auch immer in Reichweite stand. Den sollten sie jetzt mal sehen. Der ist mittlerweile total verkratzt und verbeult. Es gab immer was zu schrauben – soviel zur Frage, ob ich vier Jahre lang im Urlaub war. Nur auf dem Atlantikabschnitt – zwischen Südafrika und Brasilien – dachte ich öfter: „Oh, schon wieder ein Buch gelesen“. Es waren ja zahlende Gäste an Bord, da konnte ich nicht den ganzen Tag mit meiner Werkzeugkiste umherrasen und am Boot herumbasteln.

Halten Sie es nach einer solchen langen Reise überhaupt noch an Land aus?

Ich versuche gerade, wieder hier in Deutschland anzukommen. Vieles kommt mir in der Tat sehr befremdlich vor. Die Leute hier kommunizieren so wenig. Ich fahre jetzt ja viel Bus und Bahn und alle haben nur immer ihr Smartphone vor der Nase und kapseln sich ab. Ich sehe eine komplett isolierte Gesellschaft. Hier in der Stadt zu leben ist weitaus gefährlicher als da draußen auf dem Meer. Hier wegen Krankheit, Unfall oder Kriminalität zu sterben, ist wahrscheinlicher als vom Hai gefressen zu werden oder im Sturm unterzugehen.

Hatten Sie es während Ihres Törns mal mit der Angst zu tun?

Ich bin ein vorsichtiger Mensch, keine Draufgängerin. Aber Angst hilft mir nicht, die hilft niemandem. Also muss ich manchmal unbekannten Herausforderungen ins Auge schauen und sie annehmen, mich nicht von Angst lähmen lassen, die allen schadet.

Sie haben Literaturwissenschaften studiert und arbeiten als Segeljournalistin. Gibt es Bücher, die Sie inspiriert haben?

Mein Vater ist ebenfalls Segler und ich habe damals auch alle seine Segelbücher gelesen. Beeindruckt haben mich früher natürlich die Bücher der Weltumseglerinnen Naomi James oder Beate Kammler, später dann die Erzählung von Tania Aebi und Wilfried Erdmann als mein großes Vorbild.

War Ihre Weltreise ein Kindheitstraum?

Da muss ich Sie leider enttäuschen. Früher war mein Traum, irgendwann mal bei der Zeit im Feuilleton zu arbeiten, aber ich habe schnell begriffen, dass ich dafür nicht gut genug bin. Die Weltumsegelung war kein uralter Plan, aber ich bin schon in meiner Jugend gerne und viel gesegelt. Die konkrete Idee war eher, auf dem Pazifik zu segeln. Den wollte ich mir genauer ansehen, seitdem ich 1999 einmal kurz in Tahiti war. Aber wenn ein Boot in Europa liegt und auch dahin zurück soll, muss man halt zwangsläufig um die Welt.

Wenn es kein lange gehegter Traum war, was hat Sie dann dazu bewegt?

Entscheidend war wohl der Gedanke, dass ich nie mehr aufbrechen würde – wenn nicht jetzt. Es gibt nie den richtigen Zeitpunkt im Leben.

Und was machen Sie jetzt, wo Sie zurück sind?

Ich halte Vorträge, bin auf Messen unterwegs, biete Beratung an für alle, die auch los wollen. Und ich schreibe ein Buch. Ich bin echt froh, wenn dieser Winter wieder vorbei ist. Vielleicht gehe ich auch noch mal als bezahlte Skipperin an Bord, irgendwo, wo es warm ist.

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