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■ In seinem heute startenden TV-Zweiteiler hat Starregisseur Breloer die dramatischen Tage der Schleyer-Entführung rekonstruiert. Ein "So war es wirklich"-Stück, das keine Fragen mehr stellt.Über jeden Zweifel erhaben

In seinem heute startenden TV-Zweiteiler hat Starregisseur Breloer die dramatischen Tage der Schleyer-Entführung rekonstruiert. Ein „So war es wirklich“-Stück, das keine Fragen mehr stellt.

Über jeden Zweifel erhaben

Wie jung sie noch aussieht, an jenem Abend des 5. September 1997. „Guten Abend, meine Damen und Herren“, sagt sie, und daß soeben der Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer entführt worden sei. Die Dagmar Berghoff von vor 20 Jahren sieht sich selbst genauso ähnlich wie die Schauspieler, die heute und morgen in der ARD die Helden in Heinrich Breloers „Todesspiel“ mimen. Da ist Hans Brenner, der Schleyer derart ähnlich sieht, daß einmal sogar die Überblendung zum authentischen Videoband mit dem Lebenszeichen des Entführten eine gespenstische Echtheit bekommt. Da ist Manfred Zapatka als Helmut Schmidt und Dieter Mann als Horst Herold („die gehen uns ins Netz“). Anya Hoffmann als nervenschwache Gudrun Ensslin. Oder später Susanne Schäfer als Lufthansa-Stewardeß Gaby Dillmann. Gelungene Blaupausen der Geschichte, allesamt. Und diese junge, uns heute so fremde Dagmar Berghoff? Sie ist echt. Das ist der Unterschied.

Die ARD, die uns einen Einblick in sechs Wochen Deutschen Herbst geben will, ist unfreiwillig zu einem Teil des „Todesspiels“ geworden, das sie heute noch einmal beschwört. „Während ich hier spreche, hören irgendwo sicher auch die schuldigen Täter zu“, sendet das Erste noch am Entführungsabend die Ansprache von Bundeskanzler Helmut Schmidt. „Sie mögen in diesem Augeblick ein triumphierendes Machtgefühlt empfinden. Aber sie sollen sich nicht täuschen. Der Terrorismus hat auf Dauer keine Chance.“ Die Kriegserklärung aus dem Fernseher. Auch später wird sich die Regierung häufiger des Staatsfernsehens (das ja sonst keines ist) bedienen. Mühsam als Bericht verbrämt, werden in der Anfangszeit die Forderungen des BKA nach immer neuen Lebenszeichen über die „Tagesschau“ distribuiert. Alle wissen, was hier gespielt wird. Alle schauen jeden Abend hin. Atemlos. „Entsprechend der strikten Nachrichtensperre“, läßt das BKA die „Tagesschau“ sagen, „wurde weder dementiert noch bestätigt...“

Regisseur Breloer ist berühmt geworden für seine Dokumentarspiele, in denen er sich einer dichten Kompilation aus Dokumentarmaterial und fiktionalen Spielszenen bedient. Auch im „Todesspiel“ hat er keine Kosten und Mühen gescheut, die „Bilderlücken“ der Geschichte mit Akribie zu schließen. 20 Jahre danach sehen wir nun, was wir uns bisher kaum vorstellen konnten: Schleyer auf seiner Matratze, der Krisenstab, die „Landshut“. Sogar wie Andreas Baader sich in seiner Zelle die Pistole an den Kopf setzt – all das kann Breloer zeigen. „So war das“, sagt sein Film, kaum berührt von Zweifeln. Nicht etwa: „Ob es wohl so war?“

Geradezu suggestiv schneidet Breloer die Materialien zusammen, als es um das Schicksal der Mallorca-Urlauber geht. Schwitzend sitzen die Komparsen in der Boing auf dem Rollfeld von Dubai. „Meinst du, daß man auch vertrocknen kann?“ fragt einer den anderen. „Wasser! Mach Wasser!“ schreit Gudrun Ensslin lasziv unter der Stammheim-Dusche stehend die Wärterin an.

Viel stärker als bei früheren Stoffen über „Herbert Wehner“ (1993) oder „Engholms Fall“ (1995) sind die von Breloer benutzten Bilder des ARD-Archivs nicht nur eine von mehreren Sekundärquellen. Die „Tagesschau“ war ja selbst Teil des Geschehens. Ironie der Fernsehgeschichte, daß der Stoff zunächst beim ZDF lag (wo man offensichtlich nichts damit anzufangen wußte) und dann gemeinsam mit dem Starregisseur zur ARD wechselte. Die ließ sich das Spiel schließlich einiges kosten. Nur nicht die Aufarbeitung der eigenen Rolle. Immerhin: Solange die ARD in ihren Dritten die „,Tagesschau‘ von vor 20 Jahren“ wiederholt, läßt sich all das bald nachsehen. Klaudia Brunst

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